Jesuiten 2012-3

September 2012/3 Jesuiten 15 Viele können sich schlecht orientieren und vergessen großenteils ihre Vergangenheit, bekannte Menschen und ihr eigenes Lebenswerk. Mehr und mehr brauchen sie Hilfe beim Essen, beim Waschen, beim Anziehen sind sie auf andere angewiesen. Egal, welche Phase jemand durchmacht, alle brauchen unsere Hilfe und vor allem unser Wohlwollen. Ich frage mich, wie empfinden die Kranken selber ihre Situation? Ein ehemaliger Mitbruder hat mir mal gesagt: „Es ist schlimm, wenn man neben der Kappe ist, aber ganz schlimm ist es, wenn man es selber noch merkt.“ Es ist schwer einzuschätzen, was diese Menschen fühlen und leiden; sie können sich eben nicht mehr richtig äußern. Anfangs erschrecken sie vor ihrem eigenen Unvermögen und viele finden die verschiedensten Ausreden für ihr Verhalten. Ich denke, alle empfinden ihre Hilflosigkeit und ihre Hilfsbedürftigkeit; sie tun sich zunächst schwer damit, doch die meisten können sich mit der Zeit darauf einlassen. Langsam geht der körperliche und geistige Abbau weiter, so dass sich die ganze Persönlichkeit verändert.Die meisten werden dann wohl diese Situation nicht mehr registrieren. Aber alle sind noch emotional ansprechbar. Sie reagieren, wenn man sie freundlich anspricht, ihre Hand berührt oder sie in den Arm nimmt. Sie leben in ihrer eigenen Welt. Die andere Frage ist:Wie und was empfinden wir, vor allem die Schwestern und Pfleger, und wie gehen wir mit diesen Kranken um? Das Allerwichtigste, scheint mir, ist das einfache „Dasein“ bei den Patienten. Sie brauchen jemanden, den sie kennen. Wichtig und hilfreich ist ihnen eine gewisse Regelmäßigkeit bei Mahlzeiten, Veranstaltungen, Gottesdiensten usw.Wir brauchen viel Geduld mit den Patienten und auch mit uns selbst.Sie wird oft auf eine harte Probe gestellt, wenn z.B. einer x-mal nach den banalsten Dingen fragt. Oder wenn einer sagt: „Wer sind Sie eigentlich?“, oder gar laut wird.Wir wissen zwar, dass all das nicht persönlich gemeint ist, aber es berührt einen schon. Wir können die Situation und den Menschen nicht ändern, aber unsere Einstellung dazu. Ich kann nur freundlich zuhören, auch wenn jemand sich immer wieder wiederholt oder dreimal amTag anruft.Allerdings ist auch wichtig, klar und freundlich Grenzen zu setzen – gerade wenn einer gewohnt ist, andere in Beschlag zu nehmen und Ansprüche zu stellen. Die meisten Bewohner sind freundlich, viele warten auf einen Besuch. Die kranken Mitbrüder treffe ich jeden Tag und versuche kurz mit ihnen zu sprechen. Ab und zu gehe ich auch mit einem eine Runde im Park spazieren. Es berührt mich schon, wenn ich jemanden von früher her kenne und ihn jetzt so hilflos sehe. Gut ist, dass unsere Gemeinschaft hier diese Möglichkeit hat, wo die älteren und pflegebedürftigen Mitbrüder gut versorgt werden.Vor allem dürfen wir den Schwestern und Pflegern dankbar sein, auch den vielen Ehrenamtlichen, die regelmäßig helfen. Ich staune nur und freue mich, wie sie ganz natürlich und liebevoll mit den Patienten umgehen. Ebenso bewundere ich manche Männer und Frauen, die tagtäglich zu ihren Ehepartnern kommen; oder die Kinder, die ihre Mutter, ihrenVater umsorgen, auch wenn sie nur still bei ihnen sitzen oder sie im Park spazieren fahren. Alle tun das selbstverständlich mit erstaunlicher Geduld und mit größtem Wohlwollen. Für sie, für uns alle, ist jeder Tag eine neue Herausforderung. Markus Laier SJ

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