Jesuiten 2012-4

Dezember 2012/4 Jesuiten 17 Schwerpunkt Warum ich (noch) nicht bei Facebook bin Wenn ich darüber nachdenke, warum ich nicht bei Facebook oder ähnlichen sozialen Netzwerken bin, fallen mir im Wesentlichen drei Gründe ein. Ich beobachte an mir selbst, wie der Besitz eines Smartphones und das nahezu ständige „Online“-sein mein Leben in den letzten Jahren erheblich beschleunigt haben. E-Mails kann ich jetzt nahezu ständig und überall abrufen, mal eben ins Internet gehen, schauen, wann und wo die nächste U-Bahn abfährt etc. Neben viel Bequemlichkeit bedeutet es aber auch Stress. Wirklich nicht erreichbar zu sein, mal ganz abschalten zu können, erscheint mir zunehmend schwerer. Es kostet mich Energie, immer wieder „Nein“ zu einem erneuten Mail-Check oder ein bisschen Surfen zu sagen. DieVorstellung, dass mit Facebook etc. nun ein weiteres Medium hinzukommt, bei dem ich ständig Entscheidungen treffen muss, mit wem ich befreundet sein will, wen ich ausblende, wem ich was auf seine Pinnwand schreibe, auf welche Nachrichten ich reagiere und auf welche nicht, schreckt mich deshalb eher ab. Ich bin nicht bei Facebook, weil es mir zu viel Abgrenzungsenergie abverlangen würde. Ein zweiter Grund ist ideologischer Natur. Facebook etc. ist nicht kostenlos. Die mir gebotenen Dienste und daraus resultierenden Vorteile haben einen Preis. Die Währung, mit der hier gehandelt wird, sind persönliche Daten. Sie werden dazu verwendet, mich ökonomisch berechenbarer und ausbeutbarer zu machen. „Gezielte Werbeprofile“ erstellen zu können, bedeutet nichts anderes als mich möglichst effektiv manipulieren und zu einem idealen Konsumenten erziehen zu können. Ich bilde mir nicht ein, mich diesem Spiel völlig entziehen zu können. Aber wenigstens entziehe ich mich ihm partiell, wo mir ein Mitspielen nicht unbedingt notwendig erscheint. Ein letzter Grund ist eher persönlicher Natur. Ich gehöre zur aussterbenden Gattung der Menschen, die immer noch Briefe schreiben. Freundschaften und die darin gepflegte Intimität sind mir wichtig. Das hat etwas mit Exklusivität zu tun. Freunde sind für mich diejenigen Personen, denen ich bestimmte Informationen über mich anvertraue, denen ich von besonderenVorkommnissen, aber auch alltäglichen Erlebnissen erzählen kann und erzählen möchte.Warum soll ich mit aller Welt teilen, wo ich in Urlaub war, was ich gerade tue oder denke? Das sind Informationen, die ich gerade nicht jedem bzw. jeder ohne Unterscheidung mitteilen möchte. Warum ich nicht bei Facebook bin? Auf den Punkt gebracht: Ich glaube, es ist nicht gut für mich. Patrick Zoll SJ

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