Jesuiten 2013-1

Jesuiten-Flüchtlingsdienst (JRS) „Mein Onkel und mein Cousin wurden wegen ihres Glaubens ermordet. Deshalb hat meine Familie beschlossen, dass ich nach Deutschland gehen soll. Deutschland ist eine Mutter des Rechts, haben wir gedacht, da kann man in Sicherheit und in Frieden leben. Ich wollte hier arbeiten, aber ich darf nicht. Und jetzt hat man mich sogar ins Gefängnis gebracht. Ich bin ein Flüchtling, aber ich werde wie ein Verbrecher behandelt, und ich fühle mich wie einer.“ Das hat uns ein 19-jähriger Flüchtling aus Afghanistan gesagt, als wir ihn in der Abschiebungshaft trafen. Sein einziges „Vergehen“: Er war ohne gültiges Visum hier. Oft sind es erst die Seelsorger, die den Menschen in der Abschiebungshaft erklären, warum sie überhaupt inhaftiert wurden. Auch der junge Afghane wusste nicht, dass er von Italien aus nicht nach Deutschland weiterreisen durfte. Er muss sein Asylverfahren in Italien führen und wurde dorthin zurückgeschickt. Seelsorge in der Abschiebungshaft folgt dem ignatianischen Auftrag, dorthin zu gehen, wo die größere Not ist, und dorthin, wo sonst kaum jemand hinkommt. Das ist auch eine Richtschnur für uns als Jesuit Refugee Service (JRS), den Pater Arrupe als Generaloberer 1980 angesichts der großen Not vietnamesischer Bootsflüchtlinge ins Leben gerufen hat und der heute in mehr als 50 Ländern auf der Welt tätig ist. In Deutschland gibt es den Jesuiten-Flüchtlingsdienst seit 1995, als in der provisorischen Abschiebungshaft in Berlin hunderte Menschen saßen, Gerüchte von Selbstmordversuchen und Hungerstreik nach außen drangen und praktisch niemand außer Seelsorgern Zutritt hatte. Später sind der Einsatz für Menschen ohne Papiere (sogenannte „Illegale“) und die Arbeit in der Berliner Härtefallkommission zu den Aufgaben hinzu gekommen, die wir derzeit mit fünf Hauptamtlichen und sieben Ehrenamtlichen leisten. Der Reihe nach: Abschiebungshaft Jede Woche fahren JRS-Seelsorger in die Abschiebungshaft, 2012 haben sie mit rund 1000 Abschiebungshäftlingen gesprochen. Dieter Müller SJ sucht in München-Stadelheim Menschen auf, deren Alltag von den rigorosen Vorschriften eines normalen Gefängnisses bestimmt wird – obwohl sie keine Straftäter sind. Ludger Hillebrand SJ und Sr. Dagmar Plum MMS fahren nach Köpenick und bis an die polnische Grenze, nach Eisenhüttenstadt – kaum jemand sonst verirrt sich dorthin. Sr. Dagmar Plum MMS bringt ihre lange Erfahrung in der Arbeit mit Opfern von Menschenhandel ein. Dadurch konnte sie auch einer jungen Frau helfen, die schon als Kind in die Prostitution verkauft worden war – deren Asylantrag aber zunächst scheiterte, weil sie aus Scham ihr Schicksal verschwiegen hatte. „Allahu akbar, Gott ist groß: Als ich keine Hoffnung mehr hatte, hat deine Kirche mir geholfen“, hat sich die junge Frau später überglücklich bedankt. Solche glücklichen Wendungen in der Abschiebungshaft sind selten. 30 Vorgestellt Jesuiten n März 2013 n Die Sprache der Steine

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