Jesuiten 2013-1

Das Bild von Meistermann nimmt uns mit in seine eigene Tiefe. Die Zelle als Ort der Befreiung Die Apokalypse von Georg Meistermann „Was geschieht mit mir, wenn man mir sagte: morgen früh um fünf wirst du gehenkt!?“ Der Künstler ringt um eine Inspiration für das Altargemälde. Was für eine Botschaft eröffnet dieser Raum? Die hohen Betonwände der Oberkirche – fensterlos, unerbittlich wie eine überdimensionale Gefängniszelle. „Was ich da erfahren habe, habe ich gemalt“, erinnert er sich. „Die Welt zerfällt, reißt auseinander wie stürzende Blöcke, zerfetzt in zerreißende Lappen. Und durch dieses Zerreißen erscheint die bleibende Verheißung in Symbolen wie Lamm, Auge, sieben Gaben des Heiligen Geistes. So steht das Grauen gegen Helligkeit. Die spiralartige Bewegung und Anordnung der Farben und Flächen ergibt sich aus eben diesem Wechsel von Verfall und Erscheinung.“ Und so können wir den Kirchenraum erleben. Die „Zelle“ öffnet sich auch vor mir auf die farbige Stirnwand hin. Das Bild ist Wand – und umgekehrt! Es ist Teil der Architektur. Und gerade so überschreitet es seine Fixierung auf die Dimensionen der Wand – es nimmt uns mit in seine eigene Tiefe. Wir entdecken einander überschneidende, überlappende Farbflächen in wechselnden Übergängen und Positionen. Die Farbspirale um das Lamm vor dem ruhenden grauen Rechteck schiebt sich in einen imaginären Vordergrund und entlässt sieben gelbe und rote Flammen des Geistes aus ihrem Kraftfeld. Das zum „Auge Gottes“ aufsteigende Lamm inspiriert jede Bewegung im Mikro- kosmos dieser Kirche. Maria-Theresia Smith OCD 4 Schwerpunkt Jesuiten n März 2013 n Die Sprache der Steine Foto: Ursula Engel

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