Jesuiten 2013-2

23 verlangt, alle anderen sollten ebenso begabt sein und sich ebenso anstrengen wie er selbst. Zudem behandelt er andere wie ein schlechter Oberlehrer, unterstellt ihnen Faulheit, Täuschung und Betrug. Die Sprache europäischer Solidarität klingt anders. Bevölkerungen sind ungleich und bleiben es. In der menschlichen und kulturellen Vielfalt liegt der Charme Europas. Zugleich fühlen sich die Völker miteinander verbunden: Die kriegerische Geschichte ist einer Epoche des Friedens gewichen, der Wille zur Verständigung hat Sprachbarrieren weggeräumt, Flüchtlinge aus den ehemaligen Diktaturen wurden als Kollegen begrüßt. Europa ist in den Menschenrechten verankert, es gelten politische Beteiligungsrechte, wirtschaftlich-sozial-kulturelle Anspruchsrechte und freiheitliche Abwehrrechte. Mit dieser gemeinsamen Grundlage wird eine Gegenseitigkeit bejaht, die asymmetrisch ist: Die reichen und mächtigen Länder sind verpflichtet, Beiträge zu entrichten, die ihrem Leistungsvermögen entsprechen. Die benachteiligten und schwächeren Länder sind berechtigt, Hilfen zu beanspruchen, die ihrer Notlage entsprechen. Eine solche Asymmetrie von Pflichten und Rechten macht das „Geheimnis“ der Solidarität aus, die der Markt und eine marktförmige Demokratie nicht kennen. Eine solche Steuerung braucht Europa: das Herabsteigen der großen und mächtigen Völker nach unten zu den Schwestern und Brüdern, die in Not sind und leiden. Friedhelm Hengsbach SJ ©DaPix/photcase.com

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