Jesuiten 2013-3

Das Herzensgebet Das zentrale Moment dieses kontemplativen Weges ist das Mühen um Hesychia, jener wachen und schöpferischen Herzensruhe, jener Qualität des Schweigens und der Stille, in der das geschehen kann, was der Täufer über Christus sagt: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh 3,30). In dieses Schweigen des Herzens führt das Bemühen, während der Übung des Herzensgebetes die Gedanken und Begriffe beiseite zu legen, die Phantasien ruhen zu lassen, vor allem die Erinnerung an Wunden, die das Leben uns geschlagen hat, die das Herz verschließen und uns nicht zur Ruhe kommen lassen vor Gott; ferner das Bemühen, sich von allen Wünschen, Plänen und Empfindungen zu lösen, die sich auf Geschöpfliches richten, z.B. alles, womit wir Eindruck machen wollen. Die wichtigste Grundlage der Hesychia ist ein inneres Wissen um die eigene Gebrochenheit und Schwäche. Aus diesem Bodenkontakt mit der eigenen Wirklichkeit resultiert die Ehrfurcht vor jedem Geschöpf und die Barmherzigkeit gegenüber jedem Menschen, auch Trauer und Schmerz über die Erfahrung von Versagen im eigenen Leben, und von daher das Bemühen, im Kampf mit den eigenen Leidenschaften und in Auseinandersetzung mit seinen Bedürfnissen und Gefühlen zu einem freien, geläuterten und erlösten Umgang mit ihnen zu finden. Hesychia hat also einen Menschen zum Ziel, der mit Leib, Seele und Geist Gebet geworden ist. Sie bezeichnet die Haltung eines Menschen, der in seinem Herzen vor Gott steht. Diesen Weg des inneren Schweigens können Verheiratete mit Familie, die eingebunden sind in ein berufliches Leben, ebenso gehen wie Mönche und Einsiedler. Denn in der altchristlichen Tradition gibt es nur eine Spiritualität. Die Übung des Jesusgebetes ist sehr einfach: Man wiederholt mündlich oder im Innern unaufhörlich das Gebet: „Herr Jesus Christus, erbarme dich meiner“. In der Ostkirche ist die gebräuchlichste Form: „Herr Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme dich meiner, des Sünders“. Welche Gebetsformel man auch immer verwendet, Herzstück der Anrufung ist der Name selbst, das Wort „Jesus“. In ihm liegt die ganze Kraft der Anrufung. Das ruhige, unablässige Wiederholen dieser Gebetsworte kann man auch mit dem Rhythmus des Atems in Einklang bringen. Beim Einatmen: „Herr Jesus Christus“, beim Ausatmen: „erbarme dich meiner“. Im Rhythmus dieser konzentrierenden Gebetsübung löst sich die Aufmerksamkeit unseres Bewusstseins allmählich von dem, was die Stille und das Schweigen des Herzens stört, und sammelt sich auf Anbetung hin. Am Anfang soll man das Jesusgebet langsam, sanft und ruhig sprechen. Jedes Wort soll mit Sammlung und ohne Hast gesagt werden und ganz natürlich fließen. Wir beten mit einer inneren Aufmerksamkeit, aber gleichzeitig soll keine Anstrengung damit verbunden sein. 16 Schwerpunkt Jesuiten n September 2013 n Ein Herz grösser als die Welt © Creative Commons

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