Jesuiten 2013-4

Der Glaube befreit den Menschen zu sich selbst. Freiheit Freiheit! Das ist ein großes Wort, das so viele einzelne Schicksale, aber auch das Leben der Völker und Gemeinschaften bewegt. Es gibt verschiedene Formen der Freiheit: Einmal die äußere Freiheit, dass mir niemand sagt, was ich zu tun habe, dass ich nicht Sklave äußerer Umstände bin. Aber dann gibt es auch die innere Freiheit. Ein Mensch, der innerlich unfrei ist, ist zerrissen. Wie der Alkoholiker, der in demselben Moment, in dem er das Glas eingießt und zum Munde führt, zu sich sagt: „Trink das nicht, das macht dich fertig, das bringt dich um!“ Aber er kann dieser Einsicht nicht folgen und trinkt das Glas aus. Dieser Mensch ist unfrei, weil er innerlich gespalten ist. Er kann nicht tun, was er wirklich will. Viele Menschen denken sich nun, dass der Glaube an Gott eine weitere Quelle der Unfreiheit sei, dass derjenige, der an Gott glaubt, sich unterjochen ließe. Aber ist das wirklich so? Ersetzen Sie doch das Wort „Gebote“ einmal durch „Angebote“. Die Gebote Gottes sind seine Angebote. Wer sie freiwillig ergreift und freiwillig lebt, der wird eine große innere Freiheit gewinnen. Innere Freiheit, das ist ja auch die Freiheit von allem, was uns zu Getriebenen macht, die Freiheit von allem, was uns zu Sklaven unserer Begierden macht. Um eine solche innere Freiheit geht es im Glauben. Um eine solche innere Freiheit kämpft Jesus, indem er in die Wüste geht und sich dort vor Gottes Angesicht stellt. Die Wüste, das ist der Ort der scharfen Konturen: der blaue Himmel oben, die trockene Luft, unten der Sand. Dorthin geht Jesus, um Klarheit über sich selbst zu finden. Heraus aus der Getriebenheit und den Umtrieben des Alltags. Wir kennen das heute nur zu gut: Gejagt sein von Terminen, Anrufen, E-Mails, Verpflichtungen. Der Glaube lädt mich ein, in eine innere Wüste zu gehen, um Klarheit zu gewinnen über mich selbst. Das Erschreckende ist, dass oft gerade in dem Moment, wo ich auf mich schaue, ich in mir selbst die Kräfte der Getriebenheit entdecke, die mich unfrei machen. Das ungezügelte Verlangen nach Macht, nach Einfluss, nach Geld, nach Schönheit und nach sexueller Selbstbestätigung. Aber dies alles, jedenfalls wenn es eine große Kraft über mich gewinnt, macht mich zu einem Objekt, macht mich zu einem Getriebenen, der sich eigentlich nicht mehr aus sich selbst heraus bestimmt, sondern der dadurch bestimmt wird, was andere über mich denken. Im Grunde lasse ich mich doch wieder von anderen beherrschen, von ihrer Meinung über mich, welchen Status sie mir zugestehen, ob sie mich achten. Es gibt einen Be- 8 Schwerpunkt Jesuiten n November 2013 n Glauben

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