Jesuiten 2013-4

Ich glaube, indem ich handle In einer unterfränkischen Stadt war ich zu einem Vortrag eingeladen, der den Titel trug: „Der Finanzkapitalismus unter dem Anspruch der Gerechtigkeit und Solidarität“. Ich hatte über die Ursachen der Bankenkrise referiert, wie sie in eine Krise der Verschuldung von Staaten der Eurozone umgedeutet wird, und darüber, dass eine Währungsunion nur funktioniert, wenn die leistungsstarken Länder für die leistungsschwachen Länder solidarisch einstehen. Am Ende fragte mich eine junge Frau, was dies alles mit Jesus und seiner Botschaft zu tun habe. Eine solche Frage traf mich ziemlich unvorbereitet. Ein wenig stotternd habe ich nach einer Antwort gesucht. Besteht der christliche Glaube in einem Bündel exotischer Sätze, die wir aufsagen, wenn uns Fremde danach fragen? Ich finde, dass Glaube zuerst Handeln ist. Denn auch unsere Einsichten gewinnen wir durch die gemeinsame Praxis. Folglich sind die Orte unseres Glaubens nicht so genannte Gotteshäuser als Kulträume, sondern die alltäglichen Lebenswelten, in der Familie, im Betrieb oder Büro oder beim Fußballspiel. Glaubensgeschichten sind dann Liebesgeschichten, wie sie in der Bibel beschrieben werden: Abraham und Sarah, Isaak und Rebekka, Jakob und Rahel, David und Batseba, Zacharias und Elisabeth, Josef und Maria. Oder es sind Erzählungen, die vom Einsatz für Gerechtigkeit berichten. Wenn unser Glaube sich nicht beispielsweise in der Hinwendung zum notleidenden Menschen oder in der Friedensarbeit verkörpert, dann ist er wohl überhaupt nicht vorhanden. Und was ist der Bezugspunkt unseres Glaubens? Wohl nicht eine konfessionell abgegrenzte Kirche, in der wir getauft und gefirmt wurden, oder in der wir uns trauen. Die war nicht der Inhalt der Botschaft Jesu, sondern die Gottesherrschaft, dass Gott selbst sich schöpferisch und heilsam auf alle Menschen hin bewegt. Gottes Ankommen haben die Menschen wahrgenommen, indem er Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige rein werden ließ und auf die Seite der Armen wechselte. Bereits während der babylonischen Gefangenschaft hatte Gott dem Volk Israel eine umwälzende Glaubensschule erschlossen. Die stützenden Pfeiler des herkömmlichen Glaubens waren eingerissen – nämlich ein militärisch erfolgreicher König, eine blühende Heimat und der geheiligte Tempel in Jerusalem. Die Lieder, die sie gesungen hatten, waren verstummt, ihre Harfen hingen an den Weiden in der Fremde. Jahwe schien versagt zu haben angesichts der überlegenen Besatzungsmacht. In dieser bedrückenden Epoche traten Propheten auf, die das Volk aufrichteten: Gott ist euch nahe, mitten unter und in euch. In eurem persönlichen Handeln strahlt der Glanz göttlicher Barmherzigkeit auf. Glauben im Exil heißt: Gottes Gebote halten und den Sabbat befolgen, barmherzig sein gegenüber den Schwes- 22 Jesuiten n November 2013 n Glauben Geistlicher Impuls

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