Jesuiten 2014-1

oder Unsicherheiten in der persönlichen und geschlechtlichen Identität spielen eine größere Rolle als der meist nebensächliche Faktor der physischen Körpergröße. Und es untergräbt ständig das Selbstwertgefühl, wenn Menschen, ob klein oder groß gewachsen, ihren Wert von der Anerkennung anderer und der Gesellschaft abhängig machen. Sie sind außenorientiert und vergleichen sich häufig mit anderen. Im Blick ist das Optimale. Im Vergleich sehen sie sich meist als Verlierer. Zachäus war physisch klein. Entscheidend wäre, ob er sich auch psychisch klein fühlte. Von scheinbaren Auswegen und Sackgassen Nehmen wir einmal an, Zachäus würde sich auch klein fühlen. Vielleicht kommt er sich vor wie eine Maus, getrieben von römischen Machthabern. Dann wieder wie ein Wurm im Staub, verachtet von Menschen und Gott, moralisch im Abseits. Tief unten ist er traurig und hat Angst. Darum sucht er den Rückzug von der Menge, in der Baumkrone will er sich verstecken. Da regt sich auch Wut: „Ich werd’s euch zeigen!“ denkt er bei sich. „Beim Zoll bin ich der Herr, und ihr bettelt um Nachsicht.“ Zachäus fühlt sich minderwertig vor Gott und den Menschen, und vielleicht verachtet er sich selbst. Negative Gefühle kommen auf: Trauer, Angst, Wut. Aus der drückenden Minderwertigkeit wählt er den Ausweg der Macht. Das ist die aggressive Reaktion. Er könnte auch Leistung und menschlichen Erfolg anstreben oder gesellschaftlich geschätzten Reichtum und akzeptierten Einfluss. Das wäre die defensive Reaktion. Hier wird scheinbar Gutes zur Abwehr negativer Gefühle und zur Befriedigung von Bedürfnissen verzweckt (und macht deshalb nicht froh). Zachäus könnte sich auch an einen mächtigen, bewundernswerten Verbündeten anlehnen (großer Bruder, toller Freund). Das wäre die abhängige Reaktion. Oder, wozu starke und lang gehegte Minderwertigkeitskomplexe manchmal führen, er könnte sich traurig verkriechen, sich in Selbstmitleid hängen lassen und schließlich ganz aufgeben. Das wäre die depressive Reaktion. Vier Reaktionen auf das Erleben von Minderwertigkeit, die zu Haltungen und Lebensweisen werden können. Zachäus verirrt sich in jene der Macht (aggressiv) und des Rückzugs aus der Gemeinschaft (depressiv). Du zeigst mir den Pfad zum Leben Als Jesus zu Zachäus aufblickt und ihn anspricht, fühlt er sich beachtet und angenommen. Und als Jesus sich zu ihm einlädt, fühlt er sich neu wertgeschätzt. Er entdeckt seine innere, gute Seite, seine Liebesfähigkeit. Das befreit ihn zur Gemeinschaft und zum Teilen mit anderen. Manchmal haben Menschen ein Handicap, das Minderwertigkeitsgefühle wecken kann. Der Weg zum Leben gelingt, wenn jemand auch seine guten inneren Werte entdecken und sich von Gott bedingungslos geliebt erfahren kann. Josef Maureder SJ 7 Jesuiten n März 2014 n Zachäus

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