Jesuiten 2014-1

„Darum lief er voraus und stieg auf einen Maulbeerfeigenbaum, um Jesus zu sehen, der dort vorbeikommen musste.“ (Lukas 19,4) Eigentlich möchte Zachäus Jesus ganz genau sehen. Vielleicht ist auch für ihn etwas dabei. Aber so mitten unter den anderen „frommen“ Menschen, das ist ihm zu viel. Nur ein wenig gucken. Außerdem: Was könnten die anderen von ihm denken, wenn sie ihn entdeckten? Lieber auf Distanz bleiben, um gegebenenfalls noch rechtzeitig den Absprung zu schaffen. Gottsucher auf Distanz Der reiche Zollpächter Zachäus steigt auf einen Baum, um den vorbeikommenden Jesus sehen zu können. Dieses Bild hat mehrere Ähnlichkeiten mit dem modernen, religiös suchenden Menschen. Einerseits ist Zachäus vom religiösen Boden abgeschnitten. Die religiösen Menschen und Jesus sind ja unten. Mit denen hat er keine Gemeinschaft. Er kann sie zwar aus der Ferne beobachten, weiß aber nicht, wie sich die Gemeinschaft mit Jesus in der Menschenmenge anfühlt. So ist die Situation der meisten in Schweden, eines der säkularisiertesten Länder der Welt. Der durchschnittliche Schwede kennt das Christentum nur vom Schulunterricht oder durch die Medien, eine religiöse Praxis gibt es aber kaum. Die meisten Schweden waren noch nie im Leben in einem Gottesdienst außer bei Taufen, Hochzeiten oder Beerdigungen. Religion ist etwas Fremdes. Man hat nicht die nötigen sprachlichen und geistigen Mittel, um ins Gespräch mit den Religiösen am Boden zu treten, sondern bleibt im Baum stecken. Andererseits ist der Baum ein Symbol der Suche nach Gott. Man klettert auf den Baum hinauf, um den Himmel zu erreichen. Dies entspricht dem in den letzten Jahren gestiegenen Interesse vieler Schweden für Zen, Mindfulness, Yoga und geistliche Literatur im Allgemeinen. Zugleich will man aber nicht mit konventioneller Religiosität verknüpft werden. Man will keine religiösen Verpflichtungen übernehmen oder Wahrheitsansprüche erheben, sondern man bleibt – in diesem Sinn ähnlich dem Zachäus – auf Distanz. Wie im biblischen Bericht spielen scheinbare Zufälle eine Rolle bei der Bekehrung der meisten Menschen. Jesus kommt am Baum vorbei und spricht Zachäus an. Er hätte ihn jedoch nicht ansprechen müssen. An die meisten Menschen in Jericho hat er sich nicht direkt gewandt. Durch ähnliche Zufälle kommen viele zum Glauben. Aus Zufall begegnet man einem Katholiken, geht in die Kirche hinein oder liest einen Artikel. Zum Teil besteht die Mission der Jesuiten in einem Land wie Schweden darin, solche Zufälle zu vermehren. Mikael Schink SJ 8 Schwerpunkt Jesuiten n März 2014 n Zachäus

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