Jesuiten 2014-2

deckt Moltke. Es ist nicht mehr die Aufgabe, Deutschland nach dem Krieg wieder aufzubauen, sondern die noch größere, die Konfessionsgrenzen durch das Martyrium zu überschreiten, letztlich also: Die Kirche neu aufzubauen. Dazu sieht er sich rückblickend „ausersehen“. Das ist biblischer Sprachstil, „passivum divinum“. Moltke, der mit seinen Gefährten in der Gefangenschaft intensiv die Bibel gelesen hat, kennt die Sprache der Bibel. Er deutet sein Todesurteil geschichtstheologisch: Gott handelt in diesem Prozess selbst. Er hat Moltke „ausersehen“. Er gibt den ganzen Jahren vorher bis hin zum Prozess „nachträglich einen Sinn, der verborgen war.“ Und dieser Sinn heißt: Ökumene. Für Moltke „lohnt“ es sich, dafür zu sterben. Das ist der innere Friede, die „ignatianische“ Tröstung im Heiligen Geist, welche die theologische Erkenntnis Moltkes bestätigt. Glauben wir als Katholiken und Protestanten heute das, was Moltke da sagt? Wenn wir es glauben, dann hat das Konsequenzen. Dann ist das, was am 31.10.1517 in Wittenberg seinen sichtbaren Ausgang nahm, am 10.1.1945 in Berlin schon von Gott her überwunden worden. Wie kann man dann stehen bleiben und nicht eilends Schritte auf die volle Communio hin machen wollen? Die Ökumene der Märtyrer jedenfalls ist die eigentliche theologische Herausforderung an die Christenheit heute. Klaus Mertes SJ 19 Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther © SJ-Bild © Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz Helmuth James Graf von Moltke und Alfred Delp SJ vor dem Volksgerichtshof, Berlin 10.1.1945

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