Jesuiten 2014-2

Gelebte Ökumene „Religion“ am Canisius-Kolleg Berlin „Hallo Chef“, so wurde ich einmal von Pater Mertes angesprochen, als er ins Lehrerzimmer kam. War nicht er als damaliger Rektor der „Chef“ des Canisius-Kollegs? Im Jahr 2007 war die Fachleiterin für Religion am CK erkrankt und hatte darum gebeten, mich als kommissarischen Fachleiter einzusetzen – obwohl ich Protestant bin! Der Rektor stimmte dem zu, und so war ich in dieser Funktion ihm als Religionslehrer sozusagen vorgesetzt. Vier Jahre lang übte ich dieses Amt kommissarisch aus, legte die entsprechenden Prüfungen ab, bewarb mich offiziell um die Stelle und bin seit Januar 2012 der wohl erste protestantische Fachleiter Religion an einer katholischen Schule. Bei anderen konfessionellen Schulen Berlins sieht das ganz anders aus. Selbstverständlich hat hier der Fachleiter Religion die Konfession des Trägers. In der Regel wird der Religionsunterricht auch ausschließlich in der Konfession erteilt, in deren Trägerschaft die Schule ist. Auch hier geht das CK seinen besonderen Weg. Der Religionsunterricht wird als katholischer und als evangelischer Unterricht angeboten. Nicht konfessionell gebundene Schülerinnen und Schüler nehmen in der Regel am katholischen Religionsunterricht teil. Immer wieder, z.B. bei gemeinsamen Projekten, werden die Gruppen zusammengeführt und von den beiden Religionslehrkräften gemeinsam unterrichtet. Mit den 8. Klassen führen wir alljährlich eine Exkursion zum „Hort der Reformation“ nach Wittenberg durch. Die wöchentlichen Gottesdienste der Sexten und Quinten werden konfessionsübergreifend gefeiert, in der Regel als Wortgottesdienst, aber auch als Heilige Messe. Das „Gottesdienstteam“, das diese Gottesdienste durchführt, vor- und nachbereitet, besteht aus Lehrerinnen und Lehrern beider Konfessionen – gelebte Ökumene. Mehr noch: Nicht zum ersten Mal feierte unsere Schule am Reformationstag 2013 in der evangelischen Kaiser-WilhelmGedächtniskirche im Zentrum Berlins einen Gottesdienst. Weshalb feiern wir als katholische Schule ein Ereignis, das zur Spaltung der Kirchen führte? Wir wollten damit nicht diese Frage einseitig beantworten. Entscheidend ist, dass wir uns als Protestanten ernst genommen fühlen. Ja, ich kann sogar konkret sagen: Ich fühle mich als Protestant von der katholischen Schulgemeinde, von den Jesuiten angenommen. Diese Wahrnehmung vermittelt sich auch den Schülerinnen und Schülern während ihrer Zeit am CK. Zu Beginn ihrer „Schullaufbahn“ erfahre ich immer wieder Ressentiments und Unsicherheit gegenüber der anderen Konfession. Bei den Katholiken kann eine vermeintliche Selbstgewissheit als „Rechtgläubige“ hin- 20 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther

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