Jesuiten 2014-2

Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, bis heute gelten Martin Luther und Ignatius von Loyola als Symbole von Reformation und Gegenreformation. Bereits Jerónimo Nadal, der nach dem Tod des Ignatius im Jahre 1556 das Ordensideal der Jesuiten wie kein anderer prägte, porträtierte Ignatius als den neuen David, der gegen den Goliath Luther antritt. Bald breiteten sich Gegenüberstellungen wie die folgenden aus: Als in Deutschland die Reformation Fahrt aufnimmt und 1521 über Luther die Reichsacht verhängt wird, weil er sich seine Thesen zu widerrufen weigert, da wirkt Gott im spanischen Loyola die Konversion des Ignatius. Er entfacht apostolischen Eifer in ihm und seinen Gefährten, sich ganz für die Verteidigung des Glaubens einzusetzen. Denn während die Protestanten die „Irrlehrer“ vorziehen, folgen die Jesuiten den Lehrern der Kirche und den Konzilien; während die Protestanten neue Glaubenssätze lehren, die alten entstellen und den Papst hassen, zeichnet die Jesuiten ein spezielles Gelübde des Papstgehorsams aus; während jene die Beichte abschaffen, fördern die Jesuiten den häufigen Empfang dieses Sakraments. Diese parallelisierende Kontrastierung wurde bei Historikern und noch mehr bei Polemikern zu einem beliebten Sujet. Doch war die Akzentverschiebung gegenüber der Gründungsidee des Ordens verhängnisvoll. Die ersten Gefährten beabsichtigten keineswegs, ihn zur Gegenreformation zu gründen, waren sie selbst doch auf ihre Weise Teil der Reformbewe- gungen innerhalb der Kirche. Nicht wenige ihrer geistlichen Anliegen waren denen der Reformatoren ähnlich: Predigt und ein persönlicher Glaube aus der Hinwendung zur Person Christi und zur Heiligen Schrift, die Reform des eigenen Lebens gegen ein unmoralisches Verhalten im Klerus, das große Vertrauen auf die Gnade statt einer einseitigen Betonung der guten Werke. So konnten sie leicht den Ruf, Neuerer zu sein, auf sich ziehen – als „reformierte Priester“ galten sie ohnehin. Luther und Ignatius sind sich nie begegnet und lasen die Schriften voneinander nicht. Doch trafen sich Jesuiten der ersten Generation und Lutheraner auf Religionsgesprächen. Der erste deutsche Jesuit, Petrus Canisius, war einer der ersten Jesuiten, der reformatorische Schriften im Original las und daraus zitierte – freilich in kontroverstheologischer Absicht. Zur Vorbereitung auf das Reformationsgedächtnis 2017 stellen wir uns die Frage, wie Ignatius von Loyola und Martin Luther heute zueinander stehen: Wie sehen wir sie in ihrer Geschichte? Was bedeutet diese ambivalente Geschichte für den Orden heute? Wie engagieren sich Jesuiten in der Ökumene mit evangelischen Christen? Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre mit vielen Entdeckungen! Bernhard Knorn SJ Johann Spermann SJ 1 Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther

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