Jesuiten 2014-2

Luther aus der Sicht eines Jesuiten heute Martin Luther (1483–1546) und Ignatius von Loyola (1491–1556) waren sich einerseits recht ähnlich und waren andererseits auch recht verschieden. Das eröffnet für einen Jesuiten heute die Möglichkeit, eine differenzierte Sicht auf den Wittenberger Reformator zu wagen. Leitend wird dabei sein, Luther einerseits in seiner menschlichen Suche nach Gott zu würdigen, andererseits aber auch seine Version des Fühlens mit der Kirche zu thematisieren. Wie finde ich einen gnädigen Gott? Martin Luther lebte als Augustinermönch und Priester ein strenges Leben gemäß den Ordenssatzungen. Er unterstützte die Bewegung innerhalb seines Ordens zu größerer Regeltreue. Er meinte es ehrlich. Dennoch kam seine Seele nicht zur Ruhe und zum inneren Frieden. Martin Luther litt immer mehr an der Frage: „Wie finde ich einen gnädigen Gott?“ Die Rede von der iustitia Dei (z.B. Röm 1,17) in den biblischen Schriften machte ihm große Angst. Der Augustinermönch verstand darunter die strenge richterliche Gerechtigkeit Gottes, vor der kaum ein Mensch bestehen kann. Erst als ihm nach langem Ringen im sogenannten „Turmerlebnis“ aufging, dass die Gerechtigkeit Gottes in der Bibel Gottes eigene Gerechtigkeit ist, die er dem Menschen durch Christus im Glauben schenkt, fand er Frieden für sein Leben. Als Jesuit erinnert mich dieses Ringen Luthers an das verzweifelte Suchen des heiligen Ignatius nach Gottes Barmherzigkeit in seinem Leben, als er in Manresa weilte. Auch im Blick auf mein eigenes Leben wird mir Martin Luther hier zum Bruder. Und schließlich bestätigen mir viele Begegnungen, wie sehr bis heute diese Frage die Menschen umtreibt. Das Fühlen mit der Kirche Der Augustinermönch Martin Luther lebte und arbeitete als Priester in der Kirche. Als Theologieprofessor war er geübt, zu beobachten und zu reflektieren. Dabei wurden ihm die Missstände in der Kirche fast unerträglich. Beim Ablasshandel nahm Luthers Kritik schließlich ihren Ausgangspunkt. Ursprünglich dachte er ganz kirchlich und wollte eine Reform innerhalb der Kirche. Was mit notwendiger und berechtigter Reformforderung begann, führte ihn später zur Alternative zwischen Evangelium (Wort Gottes) und Kirche: Die Kirche predige und lebe nicht mehr das Wort Gottes. Martin Luther folgte aus seiner Sicht dem Evangelium und verursachte die bekannten Folgen bis heute. Dass aber nicht allein Luther für die Spaltung verantwortlich ist, sondern auch die damalige Kirche, macht das Ökumenismusdekret „Unitatis redintegratio“ des Zweiten Vatikanischen Konzils deutlich: Diese und andere Trennungen geschahen „oft nicht ohne Schuld der Menschen auf beiden Seiten“ (UR 3). Die Entgegensetzung von Kirche und Evangelium mag menschlich nachvollziehbar sein, schmerzt aber aus theologischer Sicht. Entscheidend ist hier die 2 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther

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