Jesuiten 2014-2

Stolz und Vorurteil Wie sehen Protestanten heute Ignatius? Mit Heiligenverehrung haben wir Protestanten wenig am Hut – auch wenn wir in der Lutherdekade schon mal bereit sind, die entsprechenden reformatorischen Prinzipien über Bord zu werfen. Was geht mich also Ignatius an? Viel wichtiger ist die Frage: Wie sehen Protestanten heute die Jesuiten? Mein erster Eindruck stammt kurioserweise aus Rom. Es war allerdings kein Geistesblitz an Ignatius Grab in der Kirche Il Gesù, sondern die abfällige Bemerkung eines Waldenserpfarrers: „Puzza di gesuita!“, sagte Giorgio Tourn in einer Diskussion an der evangelischen Facoltà Valdese. Ich hatte es gewagt, in Sachen Ökumene den Namen Hans Küng ins Gespräch zu bringen. „Der stinkt nach Jesuit!“ Dass Küng gar kein Jesuit ist, tut wenig zur Sache. Wer intelligent ist und trotzdem katholisch, der muss Jesuit sein. Trauen sollte man ihm lieber nicht. Für uns Protestanten sind die Jesuiten heute tatsächlich in erster Linie die „Schlauen Jungs“: qualifizierte Wissenschaftler, hervorragende Theologen, gewandte Diskussionspartner und gute Lehrer. Zu verdanken haben sie das auch ihrem Ordensgründer. Erstaunlich, dass Ignatius als Denker, Bildungstheoretiker und Universitätsreformator im Unterschied zu Philipp Melanchthon fast vergessen ist. Spirituell suchende Zeitgenossen kennen Ignatius als Verfasser der Exerzitien. Der Renaissancemensch Ignatius betonte – protestantisch durchaus anschlussfähig – die Verantwortung des freien Individuums für die eigene Frömmigkeit. Er verband das mit Disziplin und methodischer Strenge. Das hat bis heute eine hohe Attraktivität, wirkt aber auch technisch und kühl. Kühl wirken auf einen Protestanten auch die Baudenkmäler: Das Jesuitenkolleg, das im 17. Jahrhundert ins oberpfälzische Amberg geklotzt wurde, ist eine der schlimmen Bausünden der Architekturgeschichte. Die Kirchen der Jesuiten sind Monumente der Einschüchterung und des Triumphalismus. Besonders weh tut das in Neuburg an der Donau, wo Jesuiten eine evangelische Hofkirche verschandelt haben. In Loyola habe ich mit Tucholskys Pyrenäenbuch unter dem Arm eine Landschaft glorios verfallender Kirchen, Institute und Kollegien erkundet: zu groß gewordene Gehäuse der Macht, die sich selbst im frommen Spanien nicht mehr füllen lassen. Nur versteckt in der kleinen Bekehrungskapelle im Geburtshaus des Ignatius haben ein paar italienische Priester konzentriert Eucharistie gefeiert. Hat dieser Kontrast etwas mit Ignatius selbst zu tun? Auf der einen Seite der empfindsame, gebildete Christ, gereift in 4 Schwerpunkt Jesuiten n Juni 2014 n Ignatius und Luther

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