Jesuiten 2014-3

Radikal als Familie mit Kind Eigentlich fühlen wir uns als ganz normale Familie. Ist unser Lebensentwurf „radikal“, bloß weil wir versuchen, das zu leben, was Generationen vor uns gelebt haben: kirchliche Eheschließung – Bindung – Verantwortung für ein Kind? Zugegebenermaßen ist das heute nicht mehr selbstverständlich. Befreundete Paare heiraten erst nach der Geburt eines Kindes standesamtlich, oder sie heiraten gar nicht. Manche trennen sich wieder, auch kurz nach der Hochzeit. Wir werden angefragt: Warum denn heiraten? Es ist nicht mehr selbstverständlich Verantwortung füreinander zu übernehmen, unbedingt von Eventualitäten und unbegrenzt im Risiko. „Ich will Dich lieben, achten und ehren alle Tage meines Lebens“ widerspricht der permanenten Evaluationslogik unserer Tage, die gepaart ist mit einem Verständnis von Freiheit, das die potenziellen Entscheidungsmöglichkeiten wägt, nicht die Qualität der getroffenen Entscheidungen. Aber sind wir als kleine dreiköpfige Familie schon deshalb „radikal“, weil wir gesamtgesellschaftlich gesehen zu einer Minderheit gehören? „Radikal“ kann nicht die Oberfläche meinen, die Strukturen unserer Lebensform, die nur so lange halten, wie der nächste Entwicklungsschritt des jüngsten Familienmitgliedes dauert. Das sind bei einem Dreijährigen manchmal nur wenige Wochen. Radikal ist das, was tiefer geht, was Halt gibt, wenn der Säugling über Monate nachts im Zwei-Stunden-Takt an die Brust will und die Eltern trotz schlafloser Nächte zur Arbeit gehen; was es aushalten lässt, wenn ein Kleinkind ohne erkennbaren Grund eine gefühlte Ewigkeit brüllt. Das Radikale ist die Liebe. Es wäre zu einfach, hier den Kreis zu schließen und zu sagen, Gott ist diese Liebe, und deshalb ist unser Leben radikal – in ihm verwurzelt. Die Liebe ist keine utopische Idee. Ihr Ort ist bei uns der Familienalltag. Sie findet Ausdruck im Kuscheln und Gute-Nacht-Lieder Singen, im gegenseitigen Unterstützen, im Verzeihen. Radikal ist unsere Entscheidung. Wir vertrauen darauf, dass das Ja zueinander trägt, auch durch Krisen hindurch, und wir glauben, dass wir in unserem Alltag und in unseren Sorgen nicht allein sind. „Christ sein heute heißt bedingungsloser Radikalismus mit der Liebe als Fundament“ (Mario von Galli SJ). Dieses Festmachen in etwas, das wir selbst nicht machen können, trägt – ganz konkret: Es lässt uns der latenten Unsicherheit begegnen, die uns in Form von befristeten Arbeitsverträgen, räumlicher Distanz zu 10 Schwerpunkt Jesuiten n September 2014 n Radikal Wir vertrauen darauf, dass das Ja zueinander trägt.

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