Jesuiten 2015-1

Zur politischen Debatte um assistierten Suizid Wie kann die Rechts- und Gesundheitspolitik eines demokratischen Rechtsstaates Einfluss auf ein öffentliches Meinungsklima nehmen, das den Sterbenden die Annahme ihres Schicksals ermöglicht? Der Rückzug auf eine liberale Position nach dem Motto: Jeder soll in der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes frei entscheiden, wann und wie er sterben möchte, stärkt nicht die Autonomie Sterbender, sondern setzt sie subtilen Zwängen aus. Durch das Wissen darum, dass es jederzeit die Möglichkeit gibt, die zum Tode führende Wegstrecke des Lebens durch die Bitte um Suizidbeihilfe oder die Tötung auf Verlangen abzukürzen, setzt Sterbende dem Zwang zur Rechtfertigung ihres Daseins aus. Wie ein Mensch über sich und sein Leben urteilt, ist immer auch eine Reaktion darauf, welche Wertschätzung ihm von anderen entgegengebracht oder nicht mehr entgegengebracht wird. Der Gedanke, anderen durch die Pflegebedürftigkeit zur Last zu fallen, das Wissen um die dadurch entstehenden, teilweise sehr hohen Kosten sowie das Gefühl der Nutzlosigkeit in einer leistungsorientierten Gesellschaft schränken die Möglichkeit einer unabhängigen Beurteilung des eigenen Lebenswertes stark ein. Denn gerade in der letzten Phase des Sterbens kann die mögliche Erfahrung eines eigenen Lebenssinnes nur dann gelingen, wenn sie von der Solidarität und Nähe anderer Menschen mitgetragen wird. Der Rückzug auf eine Position der Autonomie, die es dem Sterbenden selbst überlässt, für die Umstände seines Sterbens aufzukommen, kann schnell in die faktische Verweigerung der Hilfe umschlagen, die dieser in seiner Gebrechlichkeit benötigt. Die geforderte Zulassung der ärztlichen Suizidbeihilfe steht vor demselben Widerspruch, der sich bei der Tötung auf Verlangen zeigt: Ihre Befürworter werden nicht müde, zu betonen, dass es beim ärztlich assistierten Suizid nur um eine ultima ratio geht, die nicht empfohlen, sondern nur enttabuisiert und als Gewissensentscheidung von Patienten und ihren Ärzten anerkannt werden soll. Warum aber soll diese legale Möglichkeit nur in Extremfällen gewählt werden, wo sie sich doch auch im Normalfall als humane Alternative, als Abkürzung eines langen, mühsamen und kostspieligen Weges empfiehlt? Die moralische Billigung der ärztlichen Suizidbeihilfe oder die empfehlende Feststellung, dass sie dem ärztlichen Ethos nicht widerspricht, erweitern das Handlungsspektrum des Arztes und die Wahlmöglichkeiten des Patienten nicht einfach nur um eine weitere Option, son8 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

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