Jesuiten 2015-1

Vom guten Tod 2015/1 ISSN 1613-3889

Das Titelbild sowie die weiteren Illustrationen zum Schwerpunktthema „Vom guten Tod“ sind Motive aus einem Glasfenster von Sieger Köder in der Friedhofskapelle der Jesuiten in Pullach bei München. Thema des Fensters ist „Leiden und Sterben“. Das Motiv auf Seite 18 symbolisiert die Hoffnung auf Auferstehung. Der den Jesuiten zeit Lebens nahe stehende Künstler Sieger Köder ist am 9. Februar 2015 gestorben. © SJ-Bild/Franke Ausgabe März/2015 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Der „gute Tod“ – früher und heute 4 Autonomie – Selbstbestimmung angesichts des Todes 6 Die Angst vorm Sterben 8 Zur politischen Debatte um assistierten Suizid 10 Ihr Tod lehrt mich: leben 11 Was bedeutet einem jungen Arzt der Tod? 12 Kann es eine Kunst des Sterbens geben? 14 Ein leiser Abschied – nicht ohne Kampf 15 Begegnung mit einer Angehörigen 16 Alle Menschen müssen sterben – Jesuiten auch 17 Das Leben ist ein kostbares Geschenk, seine Fülle aber misst sich nicht in der Zeit. 20 Jesu Tod – ein guter Tod? Geistlicher Impuls 22 Liebensbriefe Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Medien 28 Barry/Doherty: Gott in allen Dingen finden Personalien 28 Jubilare / Verstorbene Vorgestellt 30 Das Archiv der Deutschen Provinz 33 Autoren dieser Ausgabe Die besondere Bitte 34 Aus der Geschichte lernen 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Virtualität – Anwesenheit des Abwesenden 6 Virtualität aus der Schulperspektive 8 Mailgewitter & Twitterstürme 10 In die Computerzeit hineinleben 11 Erreichbarkeit 2.0: Facebook ohne Ende 14 Online-Exerzitien 16 Pastorale Projekte 17 Warum ich (noch) nicht bei Facebook bin 18 Warum ich bei Facebook bin 20 blog.radiovatikan.de 21 Jesuiten in Facebook Geistlicher Impuls 22 Von der Versuchung, virtuell zu leben Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Vorgestellt 29 Gebetsapostolat Nachrufe 2012 30 Unsere Verstorbenen Medien 32 DVD: Die Schrittweisen. Zu Fuß nach Jerusalem 33 Autoren dieser Ausgabe 34 Die besondere Bitte 34 Ein Abonnement „Stimmen der Zeit“ 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland Inhalt Ausgabe 2012/4 2012/4 Titelbild: @ Fotolia „Virtualität ist die Eigenschaft einer Sache, nicht in der Form zu existieren, in der sie zu existieren scheint, aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache zu gleichen.“ Diese Definition aus „Wikipedia“ auf vielfältige Weise umzusetzen, nahm sich Simon Lochbrunner SJ mit seinen Bildern im Schwerpunktteil dieser Ausgabe vor.

Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Frage nach dem Sterben – dem Sterben-Müssen und dem Sterben-Dürfen – erscheint heute vielleicht ambivalenter denn je: Obwohl uns der Tod tagtäglich vor Augen steht (in den Medien, in Kinofilmen, Krimiserien usw.), spielt er im alltäglichen Leben der meisten von uns keine Rolle: Im Leben ist der Tod oft nicht präsent. Der Tod einer geschätzten Bekannten oder eines geliebten Menschen aus Verwandtschaft oder gar Familie kann uns manchmal wie ein Blitz aus heiterem Himmel treffen. Andererseits stellen sich angesichts der Möglichkeiten der modernen Medizin immer neue Fragen: Wie lange sind lebensverlängernde Maßnahmen bei schwer kranken Menschen sinnvoll? Wie können wir – für Angehörige und für uns selbst – ein Sterben in Würde möglich machen? Gibt es genügend Hospize oder Hospizstationen? Auch die Debatte um den Suizid und eine mögliche ärztliche Assistenz, die 2014 im Bundestag begonnen hat, wäre hier zu nennen. Die Frage nach einem gelungenen Sterben, nach dem „guten Tod“, ist gesellschaftspolitisch höchst aktuell. Und sie betrifft jede einzelne und jeden einzelnen von uns existentiell: Was ist für mich ein guter Tod? Wie möchte ich selbst sterben können? Es gibt immer mehr Anlässe, die uns diese Fragen stellen lassen: Organspendeausweis, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht – wer aufmerksam und weitsichtig leben möchte, stößt bereits in jungen Jahren darauf. Zugleich ist die Frage nach dem „guten Tod“ ein sehr sensibles Thema: Kommt der Tod nicht oft zur Unzeit? Kann man angesichts eines verfrühten Todes, angesichts von langer Demenz oder eines Krebsleidens von einem „guten Tod“ sprechen? Vor diesem Hintergrund kann die Rede über gelingendes Sterben und den „guten Tod“ auch unerträglich werden und provozieren. Das Schwerpunktthema „Vom guten Tod“ sucht nicht nach letzten Antworten. Es will eine Vielfalt von Perspektiven aufzeigen und persönlichen Zeugnissen und Erfahrungen von Krankheit, Sterben und Tod das Wort geben. Die christliche Tradition kannte lange Zeit eine ars moriendi, eine Kunst des Sterbens. Auch diesen Fragen nach einer guten Vorbereitung auf den Tod soll nachgegangen werden. Was hieße eine solche in unserer schnelllebigen Zeit? Kann der Blick auf den Tod und die Tatsache, dass er unausweichlich zu unserem eigenen Leben gehören wird, einen neuen Blick auf das Leben ermöglichen? Sicher erfahren wir im Angesicht des Todes Angst, Schmerzhaftes, Trauer. Es wäre gewiss hilfreich, den Tod zu beschönigen. Aber vielleicht hat uns der Tod gerade in seiner Härte und Spröde viel zu sagen? Die einzelnen Beiträge zu diesem Schwerpunkt berichten von beidem, von Schmerz und Trost und Hoffnung. Eine gute Zeit der Lektüre und ein gutes Zugehen auf die Passions- und Osterzeit! Stefan Hofmann SJ Claus Pfuff SJ 1 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

Der „gute Tod“ – früher und heute „Wie möchten Sie einmal sterben?“ Diese Frage würden wohl die meisten Zeitgenossen mit „möglichst schnell und im Schlaf“ beantworten; denn auf diese Weise, so kalkulieren wir, bleiben uns Pflegebedürftigkeit und Schmerzen erspart. Ganz anders die Menschen früherer Jahrhunderte: Sie wollten auf keinen Fall unvorbereitet sterben. Im Mittelalter und in der Barockzeit galt der „gute Tod“ als wichtiges Ziel: das Sterben im Kreis der Familie oder Ordensgemeinschaft, im Vertrauen, zu Gott „heimzukehren“; im „Stand der Gnade“, nicht in Angst vor den Strafen eines langen Fegfeuers oder gar der Hölle, sondern in der Hoffnung, ja Vorfreude auf die Vollendung in Gott. „Selig die Toten, die im Herrn sterben“ (Off 14,13). Das motivierte dazu, sich nicht erst im hohen Alter, sondern schon mitten im aktiven Leben auf das Sterben vorzubereiten. Zu diesem Zweck gründete im Jahr 1648 der Generalobere des Jesuitenordens Vincenzo Caraffa in Rom eine „Bruderschaft vom guten Tod“, die in Italien und anderen Ländern zahlreiche Mitglieder gewann und mancherorts auch „Bruderschaft von der Todesangst Christi“ hieß. In Graz gehörten ihr bald 7.000, in Köln über 13.000 Frauen und Männer an. Ziel war die Erlangung einer seligen Sterbestunde, und um sich rechtzeitig darauf vorzubereiten, verpflichteten sich die Mitglieder zu einem intensiven christlichen Leben mit häufiger (nicht nur jährlicher) Beichte und Kommunion und regelmäßiger Andacht sowie gegenseitiger Hilfe. Vor allem sollten sie dafür sorgen, dass keiner ohne die Sterbesakramente sterben muss. Manche Bruderschaften trafen sich jede Woche, andere jeden Monat zur Andacht mit Lied, Gebet, Predigt und Generalkommunion. Die Predigten und Gebete handelten vorwiegend von der Todesangst und dem Leiden Jesu. Hat das die Gläubigen nicht belastet? Es hat wohl eher dazu beigetragen, die natürliche Angst vor dem Sterben zu verarbeiten und den Tod zu akzeptieren, indem man sich in das Gebetsringen Jesu versenkte. Jesu Leiden sollte als Zeichen seiner Liebe zu uns wahrgenommen werden, wie ein Barockprediger sagte: „Durch Dein süßestes Herz, geliebter Jesu, träufle meinem Herzen, wenn es dereinst bricht, nur ein Tröpflein Deiner Liebe ein.“ Heute gibt es nur noch wenige Gut-TodBruderschaften. Eine stark diesseitsorientierte Mentalität neigt dazu, das Sterben zu tabuisieren oder überlässt das Thema den Ärzten und ausgebildeten Sterbebegleitern. Letztere zeigen im Geist der Hospizbewegung meistens wieder Verständnis für den Gedanken, dass zu einem „guten Tod“ auch die Verwurzelung im Glauben gehören kann. Bernhard Grom SJ 2 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

3 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Autonomie – Selbstbestimmung angesichts des Todes Für immer mehr Menschen in unserer Gesellschaft ist der Begriff des „guten Todes“ eng mit der Vorstellung eines autonomen, selbstbestimmten Sterbens verbunden, die sich nicht nur gegen die Zwänge einer inhumanen Apparatemedizin und eines übertriebenen ärztlichen Paternalismus richtet, sondern auch die Idee einer souveränen Bestimmung des eigenen Todeszeitpunktes einschließt. Im Gegensatz zur umgangssprachlichen Gleichsetzung der Ausdrücke „Autonomie“ und „Selbstbestimmung“ versteht man – vor allem unter dem Einfluss der Kantischen Ethik – unter einem autonomen Willen im Wesentlichen einen vernunftförmigen Willen, der sich nicht von rein subjektiven Faktoren, sondern von rationalen Gründen bestimmen lässt. Schaut man aus dieser aufklärerischen Perspektive auf die Debatte um die Sterbehilfe, dann zeigen sich zwei unterschiedliche Entwicklungen: Zum einen die Bemühungen derer, die im Namen einer recht verstandenen Patientenautonomie darauf abzielen, die medizinischen und pflegerischen Leistungen stärker als bisher am Respekt vor der legitimen vernünftigen Selbstbestimmung des Patienten zu orientieren. Die Maßnahmen reichen von einer Verbesserung der ärztlichen Aufklärung des noch entscheidungsfähigen Patienten zur Ermöglichung einer „informierten Zustimmung“ vor operativen Eingriffen über die Entwicklung innovativer Konzepte „assistierter Selbstbestimmung“, die z.B. bei neurologischen Erkrankungen die gezielte Einbeziehung emotionaler und affektiver Persönlichkeitsressourcen ermöglichen, bis hin zur rechtzeitigen Umstellung der Behandlung auf palliative Versorgung des Patienten, um die noch verbleibende Lebensqualität zu verbessern. Auf der anderen Seite stehen radikal individualistische Vorstellungen eines grenzenlosen Selbstbestimmungsrechtes, die ärztliches Handeln als wertneutrale Dienstleistung verstehen, dessen Aufgabe einzig darin besteht, die Wünsche der Patienten möglichst effizient zu erfüllen. Anhänger dieser Richtung, die bereits einen Zustand wachsender krankheitsbedingter Abhängigkeit als ‚würdelos‘ betrachten und daher dazu tendieren, Autonomie mit Autarkie zu verwechseln, sehen auch 4 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Dem Menschen kommt in allen Phasen seiner Existenz eine absolute Würde zu.

eine ärztliche Suizidbeihilfe oder sogar die Tötung auf Verlangen (aktive Euthanasie) vom Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen gedeckt. Die katholische Kirche hat diesbezüglich stets betont, dass Selbstbestimmung nicht isoliert zu betrachten ist: Der Einzelne ist von seiner sozialen Umgebung nicht unabhängig. Da dem Menschen in allen Phasen seiner Existenz als Ebenbild Gottes eine unbedingte Würde zukomme, sei die Ausübung des Grundrechts der Selbstbestimmung an objektive Grenzen gebunden, die jede Totalverfügung über das eigene Leben im Sinne der Selbsttötung ausschließen. Der Gesetzgeber steht angesichts dieser Gemengelage vor einer schwierigen Herausforderung: Zum einen muss er das Gesundheitssystem so weiterentwickeln, dass bisherige unnötige Beschränkungen der freiheitlichen Selbstbestimmung der Patienten – etwa durch eine einseitige Förderung rein technikbasierter Behandlungsformen – korrigiert werden. In diesem Zusammenhang kommt dem rechtlichen Schutz von Vorsorgeinstrumenten (wie z.B. Patientenverfügung) sowie dem flächendeckenden Ausbau der Palliativmedizin große Bedeutung zu. Zum anderen muss er in einer zunehmend pluralistischen Gesellschaft einen möglichst schonenden Ausgleich zwischen der Selbstbestimmung des Einzelnen und den Schutzbedürfnissen besonders verletzlicher Personengruppen (Alte, Kranke und Behinderte) herbeiführen. Es ist zu wünschen, dass in der Debatte um die organisierte Suizidbeihilfe ein Verständnis von Autonomie an Boden gewinnt, das um die Grenzen der Selbstbestimmung weiß und ein katastrophisches Todesverständnis durch die Bereitstellung erreichbarer und bezahlbarer pflegerischer Unterstützung vor Ort überwindet. Prof. Franz-Josef Bormann 5 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Die Angst vorm Sterben Erfahrungen eines Krankenhausseelsorgers Das Gemälde „Der Schrei“ des norwegischen Malers Edvard Munch kommt mir in den Sinn, wenn ich an Angst und Sterben denke. Eine Person schaut uns erschrocken an und schreit mit weit geöffnetem Mund und ebenso weit geöffneten Augen. Im Hintergrund stehen zwei Personen, die in eine andere Richtung schauen, scheinbar unbeteiligt. Die Sterbeforscherin Dr. Elisabeth Kübler-Ross befragte Menschen mit „Nahtoderfahrung“. In ihren Büchern beschrieb sie Tröstliches und Hoffnungsvolles. Wie durch einen Tunnel geht es dem Licht entgegen. Als Frau Dr. Kübler-Ross selbst 2004 starb, hieß es von ihr, dass sie ein schweres Sterben hatte. Sind also Erschrecken und Angst angebracht, „weil ja noch niemand je von dort zurückgekehrt ist“? Die letzte große Aufgabe des Menschen in dieser Welt wird das Sterben sein. Aber gerade dafür gibt es keine Handlungsanweisung. Einmal kam mir die Frau eines Patienten ganz verzweifelt auf dem Gang entgegen. Sie erzählte mir, dass ihr Mann bald sterben müsse, aber seit Tagen nur noch fernsehe und nichts mehr sage. Er durchlebte die Phase des „Nichtwahrhabenwollens“. Ob ich nicht mal mit ihm reden könne? Ich bat sie, doch selbst mit ihrem Ehemann zu sprechen. Zwei Tage später haben wir dann zu dritt das Sakrament der Krankensalbung gefeiert: eine sehr tiefe, ernste und bewegte Angelegenheit, die Tränen in unsere Augen brachte. Gott schenkt seinen Frieden, „so, wie die Welt ihn nicht geben kann“. Oft ist das Sterben ein Prozess, der sich über Tage hinzieht. Ganz langsam erlischt das Leben und versagen einzelne Organe. Eine gute Palliativmedizin nimmt dem Sterbenden weitgehend die Schmerzen; der Besuch von nahen Menschen kann den Abschied erleichtern (oder erschweren). Als Krankenhausseelsorger bin ich privilegiert, am Bett eines Sterbenden da zu sein, ein Ansprechpartner für Fragen, Ängste und Nöte. Da gibt es Unversöhntes in der Biographie, das Zerbrechen von Beziehungen, lange währende Zerwürfnisse in der Familie und Sorge und Angst auch um den kranken Ehepartner, der dann allein zurückbleiben wird. Die Aussprache kann es dem Kranken leichter machen. Persönliche Worte des Gebetes helfen, in Gottes Liebe zu übergeben, was unvollendet bleibt. Oft sind es ganz einfache Mittel, die helfen, beim Sterbenden zu sein: das Halten der Hände, ein Handschmeichler-Kreuz aus Olivenholz. Die Verwandten ermutige ich oft, von zu Hause zu erzählen. 6 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

Als ganz großen Segen erfahre ich es, wenn der Patient oder die Familie das Sakrament der Krankensalbung erbitten. Der Zuspruch der liebenden Zuwendung Jesu zu den Kranken schenkt ihnen und den Angehörigen einen großen inneren Frieden und Trost. Wolf Z. Schmidt SJ 7 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Zur politischen Debatte um assistierten Suizid Wie kann die Rechts- und Gesundheitspolitik eines demokratischen Rechtsstaates Einfluss auf ein öffentliches Meinungsklima nehmen, das den Sterbenden die Annahme ihres Schicksals ermöglicht? Der Rückzug auf eine liberale Position nach dem Motto: Jeder soll in der Ausübung seines Selbstbestimmungsrechtes frei entscheiden, wann und wie er sterben möchte, stärkt nicht die Autonomie Sterbender, sondern setzt sie subtilen Zwängen aus. Durch das Wissen darum, dass es jederzeit die Möglichkeit gibt, die zum Tode führende Wegstrecke des Lebens durch die Bitte um Suizidbeihilfe oder die Tötung auf Verlangen abzukürzen, setzt Sterbende dem Zwang zur Rechtfertigung ihres Daseins aus. Wie ein Mensch über sich und sein Leben urteilt, ist immer auch eine Reaktion darauf, welche Wertschätzung ihm von anderen entgegengebracht oder nicht mehr entgegengebracht wird. Der Gedanke, anderen durch die Pflegebedürftigkeit zur Last zu fallen, das Wissen um die dadurch entstehenden, teilweise sehr hohen Kosten sowie das Gefühl der Nutzlosigkeit in einer leistungsorientierten Gesellschaft schränken die Möglichkeit einer unabhängigen Beurteilung des eigenen Lebenswertes stark ein. Denn gerade in der letzten Phase des Sterbens kann die mögliche Erfahrung eines eigenen Lebenssinnes nur dann gelingen, wenn sie von der Solidarität und Nähe anderer Menschen mitgetragen wird. Der Rückzug auf eine Position der Autonomie, die es dem Sterbenden selbst überlässt, für die Umstände seines Sterbens aufzukommen, kann schnell in die faktische Verweigerung der Hilfe umschlagen, die dieser in seiner Gebrechlichkeit benötigt. Die geforderte Zulassung der ärztlichen Suizidbeihilfe steht vor demselben Widerspruch, der sich bei der Tötung auf Verlangen zeigt: Ihre Befürworter werden nicht müde, zu betonen, dass es beim ärztlich assistierten Suizid nur um eine ultima ratio geht, die nicht empfohlen, sondern nur enttabuisiert und als Gewissensentscheidung von Patienten und ihren Ärzten anerkannt werden soll. Warum aber soll diese legale Möglichkeit nur in Extremfällen gewählt werden, wo sie sich doch auch im Normalfall als humane Alternative, als Abkürzung eines langen, mühsamen und kostspieligen Weges empfiehlt? Die moralische Billigung der ärztlichen Suizidbeihilfe oder die empfehlende Feststellung, dass sie dem ärztlichen Ethos nicht widerspricht, erweitern das Handlungsspektrum des Arztes und die Wahlmöglichkeiten des Patienten nicht einfach nur um eine weitere Option, son8 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

dern sie verändert die Entscheidungsbasis von Grund auf: Allein das Wissen um diese Möglichkeit, die von vielen als naheliegend und wünschenswert betrachtet wird, führt dazu, dass sie auch in Fällen gewählt wird, die mit der ursprünglich als Ausnahme gedachten Extremlage nicht mehr vergleichbar sind. Erst recht würde ein öffentliches Angebot organisierter Suizidhilfe Handlungen, die auf die Auslöschung der eigenen Existenz gerichtet sind, den Anschein von Normalität und allgemeiner Akzeptanz verleihen. Um dies zu vermeiden, kann eine Rechtsordnung, die auf die Hochschätzung vor dem Leben jedes einzelnen ihrer Bürger gegründet ist, die Beihilfe zur Selbsttötung nur als individuelle Gewissensentscheidung eines dem Suizidwilligen nahestehenden Menschen, nicht aber als unterstützendes Angebot von SterbehilfeVereinen tolerieren. Jede darüber hinausgehende Bereitstellung, Erleichterung und Förderung von Möglichkeiten der Suizidbeihilfe würde das fatale Signal an Schwerkranke und Sterbende aussenden, die Gesellschaft lege ihnen ein freiwilliges, lautloses Abschiednehmen aus der Mitte der Lebenden nahe, bevor sie diesen zur Last zu fallen drohen. Ein solches Signal sollte ein demokratischer Rechtsstaat, der auf die Achtung des Lebens aller seiner Bürgerinnen und Bürger gegründet ist, nicht geben. Prof. Eberhard Schockenhoff 9 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke © SJ-Bild/Franke

Ihr Tod lehrt mich: leben Erfahrungen eines Hospizseelsorgers „Im Mittelpunkt steht der ganze Mensch.“ Dieser Selbstanspruch der Hospizidee erweist sich mit dem Selbstverständnis jesuitischer Seelsorge, iuvare animas („den Seelen helfen“), als gut kompatibel. In einem Brief zählt Juan Polanco, der Sekretär des Ignatius von Loyola, verschiedene Seelsorgstätigkeiten der Jesuiten auf. Einige davon, so schreibt er, sollen helfen „gut zu leben, andere, gut zu sterben“. In die Lebenswelt der Hospize übersetzt, bedeutet iuvare animas: Menschen zu helfen, gut zu leben, bis zuletzt. Im Folgenden stehen Frauen, Männer und Kinder im Mittelpunkt, die mir als Lehrende begegnet sind. Die meisten davon sind schon verstorben. Von ihnen allen aber gilt, was Hilde Domin, die große, so achtsame Lyrikerin in ihrem Text „Unterricht“ schreibt: „Jeder der geht, belehrt uns ein wenig über uns selber. Kostbarster Unterricht an Sterbebetten.“ Die, die mir „kostbarsten Unterricht“ erteilen, sind sterbende Menschen, die daran sind, ihr Leben zu vollenden. Sie lehren uns vieles „über uns selber“. Nicht zuletzt aber, dass wir alle Lernende bleiben. Viele dieser geschenkhaften Begegnungen berühren zutiefst und hinterlassen Spuren. In allen aber wird mir vor Augen geführt: Einmal werde auch ich gelebt haben. Denn auch ich werde dem Tod nicht entkommen. Unausweichlich wird er mir eines Tages begegnen, als mein Tod. Die Begegnungen mit dem Tod anderer Menschen haben nicht dazu geführt, mich an ihn zu gewöhnen. Sie fordern mich immer wieder heraus, mich der Frage zu stellen, wie ich selbst angesichts des Todes lebe und wie ich leben möchte. Ich habe lernen müssen und bin noch dabei zu lernen, diese Fragen auszuhalten, Tag für Tag neu. Dem Tod aber begegne ich nach wie vor mit Furcht und argwöhnischer Scheu. Denn das Erleben des Sterbens anderer lässt mich die Macht des Todes spüren und, dass auch ich ihm ohnmächtig ausgeliefert bin. Denn er zwingt uns, unser ganzes Leben lang mit ihm zu leben. Doch in vielen Begegnungen und Begleitungen haben mich die sterbenden Menschen gelehrt, durch ihr Sterben gelehrt, nicht am Feindbild „Tod“ festzuhalten, sondern den Tod selbst als Lehrer des Lebens zu begreifen. Das Sterben dieser Menschen – „kostbarster Unterricht“: Ihr Tod lehrt mich zu leben, „einfach so“, wie es die Lyrikerin Christine Busta ins Wort bringt: „Einfach so sich in die Hingabe bergen, ins große Wagnis der Liebe. Sich keine Sicherheit errechnen, nur eine Gewissheit haben: den Tod. Vielleicht kann man so das Leben erfüllen.“ Klaus M. Schweiggl SJ 10 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

11 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Was bedeutet einem jungen Arzt der Tod? Der Umgang mit dem Tod ist in den ersten Semestern des Medizinstudiums eher ein Randthema. Schon die ersten Präparationsversuche setzen voraus, Körperspender eher als Objekte statt als Menschen anzusehen. Dies ist wichtig, um ohne Beklemmungen lernen zu können, aber der Tod wird dadurch in den Hintergrund gedrängt. Beim Stichwort Tod denke ich sofort an den Tod zukünftiger Patienten und daran, dass ich dann wohl versagt habe. Bei genauerer Betrachtung muss Tod jedoch nicht automatisch eine Niederlage bedeuten. Er kann auch als unausweichliches Ende des Lebens oder einer als unerträglich erlebten Situation angesehen werden. Wenn der Tod eines Patienten naht, stellen sich auch bei den Angehörigen Fragen und Ängste ein. Wie können wir ihm einen würdigen Tod ermöglichen? Wie soll also vorgegangen werden? Eher passiv oder maximal-intensiv? Im Prinzip entscheiden das der Patient und die Angehörigen, oder es wurde vorher durch den Patienten festgelegt. Diese Festlegung bietet aber oft nur eine scheinbare Erleichterung, denn nicht bedachte Möglichkeiten können im Raum stehen, oder es ist eben doch nicht so „leicht“, das Leben bzw. den Angehörigen loszulassen. Während meines Freiwilligen Sozialen Jahres im Rettungsdienst habe ich erlebt, dass viele Menschen erwarten, dass der Arzt die richtige Entscheidung treffen kann und ihm dahingehend vertrauen. Die eine richtige Entscheidung gibt es meines Erachtens jedoch nicht. Zwar können einerseits „objektive“ Kriterien die Entscheidungsfindung unterstützen, anderseits dienen sie nur ihrer Vorbereitung. In die letztendliche Entscheidung fließen Emotionen, Intuition und Patientenbeziehung wesentlich mit ein. Wichtige Fragen wollen bedacht und beantwortet werden: Was ist eigentlich ein guter Tod? Wie lange ist ein Leben lebenswert? Wer beurteilt das? Wie sind die Chancen des Patienten und wie geht er mit seiner Situation um? Nicht jede Vorstellung oder Einschätzung der Situation wird vom Patienten laut ausgesprochen. Manches wird nur schwer und zwischen den Zeilen erkennbar sein oder unklar bleiben. Als Arzt bin ich gefordert, eine gute Beziehung zum Patienten aufzubauen. So kann ich vielleicht erspüren, was mein Gesprächspartner sagen will und wie er die Situation beurteilt. Das Dilemma scheint mir zu sein, nach außen hin den Anschein der Sicherheit wahren zu müssen, obwohl ich unter Umständen keine sichere Entscheidung treffen kann. Die Verantwortung für ein Leben zu haben, ist ein zwiespältiges Gefühl. Einerseits kann mein Engagement wirkliche Verbesserungen für den Patienten bringen, andererseits riskiere ich eventuell seinen Tod. Deshalb müssen Entscheidungen auch mir selbst gegenüber gut begründet sein. David Hundertmark

Kann es eine Kunst des Sterbens geben? Mehrmals in meinem Leben rückten schwere Erkrankungen, nach dem Urteil der Ärzte, meinen Körper in die Nähe des Todes. Aber einmal klopfte er gewissermaßen bei mir selbst an. Ich war etwa 54 Jahre alt, als die Leistung meiner Nieren so abnahm, dass ich mich ab da einer regelmäßigen Dialysebehandlung unterziehen musste. Während einer solchen geschah es nun plötzlich, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich mich so zusammenkrampfte, dass ich den Alarmknopf nicht mehr erreichen konnte. Ich versuchte zwar noch, die Schwester, die gerade im Raum war, zu rufen. Aber sie hörte mich nicht … Das nächste, was ich dann wieder mitbekam, war, dass sie an der Maschine hantierte, um die Blutwäsche abzubrechen. Als ich sagte „Ich glaube, jetzt war ich eine Zeitlang weg“, antwortete sie: „Ich habe ihnen gerade das Leben gerettet“. Da dachte ich: So wäre ich also sonst aus dem Leben geglitten, ohne es überhaupt zu merken? Nein, so banal möchte ich nicht gestorben sein, ohne meine Beteiligung, ohne Bewusstsein. Die überlieferte Gebetsbitte fiel mir ein: Vor einem plötzlichen Tod bewahre mich! Zwar wünschen sich heute, wenn man den Umfragen glauben darf, viele Leute einen plötzlichen Tod. Wenn schon gestorben sein müsse, dann möglichst schnell und unmerklich. Für eine „Kunst des Sterbens“ bleibt da kein Platz. Welchen Sinn sollte diese auch haben, wenn ihre Voraussetzungen nicht mehr geglaubt werden, dass nämlich der Tod nicht nur ein Ende, sondern auch und vor allem ein Übergang ist, zur Konfrontation mit der Wahrheit meines Lebens und zur Begegnung mit Gott, meinem Schöpfer selbst. Sich darauf soweit möglich vorzubereiten durch eine Beichte und den Empfang der hl. Kommunion als letzte „Wegzehrung“ (viaticum), und dann, soweit es geht, begleitet zu werden durch das Gebet der umstehenden Nächsten – das galt und gilt teilweise immer noch als die Kunst des Sterbens für katholische Christen. Dadurch unterscheidet sich das Sterben eines Menschen vom Verenden eines Tieres, dem es ansonsten zu gleichen scheint. Aber tiefer gesehen stellt sich die Frage: Kann ein Mensch überhaupt lernen, richtig zu sterben? Lernen setzt Übung und diese Wiederholung voraus. Beides trifft hier nicht zu, denn man stirbt nur einmal. Es gibt kein Probieren, weil der erste Versuch schon der letzte ist. Vor allem aber gilt: Sterben ist ganz pas- 12 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Das Leben ist in jedem Augenblick vom Tod umfangen.

siv, kein Tun. Wenn man etwas lernen kann, dann nur dies, dass das Leben jeden Augenblick vom Tod umfangen ist, weil es wesentlich sterblich ist. Was man lernen kann, ist, dass das Leben auf der Erde keine Selbstverständlichkeit oder gar ein Recht ist, sondern nur für eine bestimmte Zeit gegeben ist und immer ein Geschenk des Schöpfers bleibt. Was man einüben kann, ist die Haltung in den Glauben, der sich so ausspricht: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn“ (Röm 14,8). So kann sich eine Dankbarkeit ergeben und auch eine Zuversicht angesichts des kommenden Todes. Das ist eine Zwillings-Stimmung, die sich unterscheidet von der ambivalenten Stimmung des Menschen ohne Glaube, der den Tod einmal als Ende des geliebten Lebens fürchtet und ein andermal als Ausweg aus allen Übeln und aller Verantwortung ersehnt. Denn einen solchen Ausweg gibt es nicht, so wenig, wie wir uns selbst ins Dasein gerufen haben. Wir sind zwar sterblich geschaffen, aber nicht wie Tiere, sondern als Wesen, die, vom ewigen Gott her und auf ihn hin, im Innersten unvergänglich sind. Sich diese Wahrheit anzueignen, ist die Arbeit eines ganzen Lebens. Zu ihr gehört die Aneignung einer Haltung, die in sehr schlichter Weise in dem überlieferten Lied Ausdruck findet „Jesus, dir leb‘ ich. Jesus, dir sterb‘ ich. Jesus, dein bin ich im Leben und im Tod.“ Gerd Haeffner SJ 13 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Ein leiser Abschied – nicht ohne Kampf Wie stark ist der Blick auf unsere Lieben geprägt von eigenen Wünschen, Ängsten und Horizonten? Würden mein Vater oder meine Geschwister über den Tod meiner Mutter dieselbe Geschichte schreiben? Wir sind jedenfalls eine Generation, die am liebsten ewig leben würde, aber ohne zu altern. Tod ja, Abschied nein. Deshalb das Schreckgespenst schlechthin – „Demenz“. Meine Geschichte mit der Demenz von Mutter begann bei einem Spaziergang in den Voralpen, nur dass ich es damals noch nicht wusste. Sie stürzte ohne Anlass und Vorwarnung. Begann es da, dass sie langsam die Kontrolle über ihren Körper verlor? Es häuften sich Gebrechen und Stürze. Irgendwann wurde sie stiller. Sie überließ meinem Vater immer mehr Aufgaben, die zuvor ihr Reich gewesen waren, und die Initiative auf fast allen Gebieten. Oft denke ich, dass eine der Herausforderungen in der Ungleichzeitigkeit bestand. Für sie begann wohl alles so: Merken, dass irgendwas nicht stimmt, ohne es ins Wort zu bringen. Damit allein sein und sich ins sichere Schweigen zurückziehen. Als wir anfingen mit der Krankheit zu kämpfen, lag das schon hinter ihr. Nun waren wir es, die sie verwirrten. Wir wollten es nicht glauben und testeten sie: „Erinnerst Du Dich nicht?“ Meine Mutter lernte perfekt die Ungemütlichkeit zu überspielen mit dem unverwechselbaren Witz der Orientierungslosen: “Mamma, warum hängst Du denn so schief im Rollstuhl?“ Ratloses Schweigen. „Mamma, wie fühlst Du Dich?“ Strahlendes, freches Grinsen: „Abgehängt halt!“ Uns fiel der Kontakt schwer, als die Unterhaltungen nicht mehr gingen. Ihr reichte, da zu sein, stundenlang am Fenster den Vögeln zuzusehen oder Bildern aus der Vergangenheit oder … Aber da schienen Friede und Einwilligung durch, ganz nüchtern auch in den klaren Momenten. Morgens in der Dusche sang sie mit einer Pflegerin oder sagte Gedichte auf, die, Gott weiß wie, dem Vergessen entgangen waren. Es war hart für meinen Vater, körperlich und seelisch. Und doch waren sie sich, wie er sagte, besonders nahe in dieser Zeit. Wie gern würde ich ihr die quälende Angst und die Einsamkeit in den Phasen der Orientierungslosigkeit und den Schmerz der letzten Stunde ersparen. Aber da waren eben auch das Aufblitzen von frohem Lachen, Wärme und geteilte Lebensfreude. Mir kommt der Tod meiner Mutter wie ein leises Weggehen vor, ein Verwehen, nicht ohne Momente des Schmerzes und doch sanft und gewaltlos. Das hat meinen Blick auf die Krankheit Demenz jedenfalls verändert: Es war – das mag paradox klingen – ein bewusster Abschied, der alle mitkommen ließ, und ich möchte keine Stunde missen. Tobias Zimmermann SJ 14 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

15 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Begegnung mit einer Angehörigen Der Tod eines geliebten Menschen bedeutet Schmerz und Verlust, nicht zuletzt für die Angehörigen. Kann es für sie einen „guten“ Tod geben? Ich bin Frau Maria Oppold an der Uni Tübingen begegnet. Nach einer Diskussion über ethische Fragen am Lebensende erzählte Frau Oppold von ihrem Mann und deutete an, dass sie beide das erlebt hätten: einen guten Tod. Interessiert fragte ich nach – und wenige Tage später war ich zu Gast in Frau Oppolds Wohnung. Sie hatten die Wohnung vor gut sechs Jahren bezogen, erzählt sie dann bei Kaffee und Tee. Und das gemeinsame Ausräumen des Hauses, das sie zuvor lange Zeit gemietet hatten, sei ihr und ihrem Mann eine große Hilfe gewesen: eine erste Übung des Loslassens. Wer ein Haus von drei Etagen leerräumen muss, der müsse von vielem Abschied nehmen. Dass nur eineinhalb Jahre nach dem Einzug in die Wohnung auch ihr Mann gehen musste, das hätten sie damals freilich noch nicht geahnt. Bauchspeicheldrüsenkrebs war die Diagnose. „Jetzt ist es bei uns.“ – „Kannst du so mit mir gehen?“ hatte ihr Mann gefragt. – „Ja“, war ihre Antwort. Und dieses Ja hatte beide getragen bis zum Tod. Ihr Mann hatte die Kraft, die Diagnose anzunehmen – obwohl die Palliativmedizin nicht alle Schmerzen nehmen konnte. Bekannte meinten, sie sollten kämpfen. Aber der Krebs war zu weit fortgeschritten. „Wie haben Sie die langen Wochen der Krankheit durchgestanden?“ frage ich. „Gespräche, viele offene Gespräche“ ist die Antwort. „Wir haben unser ganzes Leben durchgekaut. Auch die Reibungen. Wir konnten sehr offen über alles reden. So war es gut.“ Ich bin überrascht. Nicht zuletzt, weil Frau Oppold zuvor auch über ihre eigene lange Krankheitsgeschichte berichtet hat. Tagebuch-Schreiben seit dem Tag der Diagnose, das wäre auch hilfreich gewesen. Und sicher auch eine Nahtodeserfahrung, die Frau Oppold vor Jahren selbst erlebt hatte. Von der hat sie ihrem Mann dann neu erzählt. Das Vertrauen auf Gott war ihnen wichtig, aber einen fremden Pfarrer hätten sie nicht gewollt. „Wir sind ja getaufte und gefirmte Christen. Wir können uns vergeben.“ Für den Gedenkgottesdienst nach Herrn Oppolds Tod wählten sie gemeinsam noch das Credo und ein Osterlied. Ich staunte. Der Weg zu einer so versöhnten Sicht kann nicht leicht gewesen sein. Haben Schmerz und Verlust erst im Nachhinein ihre Härte verloren? Jedenfalls war und bin ich sehr dankbar dafür, Frau Oppold begegnet zu sein. Ein solcher Weg und ein solches Zeugnis gelebten Glaubens muss sicher erst errungen werden; aber es ist, so scheint mir, vor allem ein Geschenk. Stefan Hofmann SJ Der Weg zu einer versöhnten Sicht ist ein Geschenk.

Alle Menschen müssen sterben – Jesuiten auch „Wie im ganzen Leben, so soll auch und noch viel mehr im Tod ein jeder aus der Gesellschaft sich bemühen und Sorge tragen, dass Gott unserem Herrn in ihm Ehre und Dienst erwiesen und die Nächsten erbaut werden, wenigstens durch das Beispiel seiner Geduld und Tapferkeit, zugleich mit lebendigem Glauben, Hoffnung und Liebe zu den ewigen Gütern, die uns Christus unser Herr durch die so unvergleichlichen Mühen seines zeitlichen Lebens und Sterbens verdient und erworben hat”, so Ignatius in den Satzungen. Viele Menschen haben Angst, in ein Altersheim zu kommen. Jesuiten sind davon nicht ausgeschlossen. Dazu gehört der Wechsel von der vertrauten Umgebung, das nicht mehr Apostolisch-Tätig-SeinKönnen, die Einstellung auf das Sterben. Oft aber ist es so, dass manche Mitbrüder noch jahrelang im Altenheim leben. Ein an Alzheimer erkrankter Mitbruder 68 Jahre, war nur anderthalb Jahre bei uns. Er war noch sehr beweglich, ahnte aber, was ihm bevorstand. Eines Tages sagt er zu mir. „Weißt du, dass ich todkrank bin?“ Er lebte mit diesem Wissen, er konnte sich auch nicht mehr groß äußern, die täglichen Spaziergänge, die noch möglich waren, liebte er, auch wenn er kaum etwas sagen konnte. An der hl. Messe konnte er noch teilnehmen. Sein Gesicht drückte oft Trauer aus, manchmal konnte er noch lächeln. Eines Tages kam eine Starre über ihn, er konnte sich kaum noch bewegen, kam ins Krankenhaus und starb dort auch nach ein paar Tagen. Regelmäßig hatte er Besuche empfangen, die manchmal zwei Tage blieben. Viele können bei uns im Haus sterben. In der letzten Phase liegen sie meist im Bett und warten auf den Tod. Mitbrüder oder auch die Angestellten in der Krankenabteilung wachen und beten dann bei ihnen, nicht dauernd, aber stundenweise. Soweit es noch möglich ist, empfangen sie die Krankensalbung zur Stärkung auf ihrem Weg und die Eucharistie. Da ergibt sich leicht die Möglichkeit, noch persönlich miteinander zu beten. Von solchen Begegnungen bin auch ich immer wieder gestärkt aus dem Zimmer gegangen. Nach dem Tod geschieht eine Aussegnung bei uns, eine kleine Andacht im Eingangsbereich, wozu alle Hausbewohner und Angestellten kommen, und sich um den Sarg versammeln, der kurz danach abgeholt wird. Und jeden Abend bis zum Beerdigungstag betet die Kommunität gemeinsam den Rosenkranz für den Verstorbenen. Am Beerdigungstag versammeln sich viele Jesuitenmitbrüder und andere auf unserem Jesuitenfriedhof und erweisen nach dem Requiem dem Toten die letzte Ehre. Gundikar Hock SJ 16 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

17 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Das Leben ist ein kostbares Geschenk, seine Fülle aber misst sich nicht in der Zeit Sechs Jahre würde er dieses Jahr im August. Doch unser Sohn Simon wird für immer ein Baby bleiben – und auch das nur in unseren Herzen. Gut drei Wochen alt ist Simon, als wir mit seinen harmlos erscheinenden Hautflecken zum Kinderarzt gehen und die Verschreibung einer Salbe erwarten. Aber der Arzt schickt uns geradewegs in die Universitätsklinik. Am Abend die Diagnose Leukämie. Es folgen dramatische Stunden: Die Krebszellzahl in Simons Blut ist so hoch, dass die Ärzte nicht wissen, ob er die Nacht überlebt. Nach ein paar Tagen ist klar: Simon ist Hochrisiko-Patient. Wie groß die Heilungs-Chance ist, mag kein Arzt uns sagen. Wir spüren, dass sie eher klein sein muss, doch das blenden wir aus. Halt gibt uns, dass es einen Behandlungsplan gibt. Mit anfänglichen Erfolgen wird die Chemotherapie abgearbeitet. Lange Krankenhausaufenthalte ohne Einzelzimmer führen uns an den Rand der Erschöpfung. Zum Glück können wir uns öffnen und Freunde, Verwandte und Bekannte regelmäßig per Email informieren, auch über unsere Zweifel. Viele folgen der Bitte, uns zu schreiben – die tägliche Post gibt viel Kraft. Die Ärztin rät, Simon bald taufen zu lassen. Es ist eine schöne, intensive Feier zu Hause. Doch das alles hilft nichts. Am Tag, bevor Simon sechs Monate alt wird, ist endgültig klar, dass er nicht geheilt werden kann – Lebenserwartung „eher Wochen als Monate“. Die Hiobsbotschaft bringt zunächst auch Segen: Die palliative Therapie ist ambulant und viel sanfter. Auch wenn wir mehrmals wöchentlich in die Ambulanz müssen, gibt es endlich Platz zur Gestaltung eines Privatlebens. Wir können beide Elternzeiten nehmen. Es ist Simons beste Zeit, er entwickelt sich. Wir feiern Krankensalbung – und Ostern. Wie ist die fehlende Perspektive für das eigene Kind auszuhalten? Wir leben von Tag zu Tag, hoffen, dass die Zeit uns hindurch trägt. Um nicht nur auf den Tod zu warten, wagen wir nach zwei Monaten ein Wochenende am Meer und genießen so etwas wie Normalität als junge Familie. Kurz danach kippt die Situation. Simon bekommt Schmerzen. Warum haben die Ärzte sich nicht vorher Gedanken darüber gemacht, dass die Morphinpflaster für einen Säugling zu groß sind? Als die Schmerzen endlich im Griff sind, ent- 18 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Einen „guten Tod” kann es für ein Kind nicht geben.

scheiden wir bald nach ärztlichem Rat, Simon keine Bluttransfusion mehr zu geben. So wird er müde, aber weniger schmerzanfällig. Freunde und Familie besuchen uns, um Simon noch einmal zu sehen. Im Alter von fast neun Monaten hört Simon auf zu atmen. Ein Freund, der bei ihm wacht, ruft uns vom Frühstückstisch, so dass wir Simons letzten Regungen beiwohnen. Die Zeit steht still, Tränen, Gebet. Erleichterung, dass Simon „es geschafft hat”. Wie selbstverständlich waschen wir ihn, machen auch Fotos des toten Körpers, die uns heute befremden. Simon wird im Wohnzimmer aufgebahrt, viele verabschieden sich von ihm, der so tot doch schon ein ganz anderer ist. Noch viel mehr gehen mit uns Simons letzten Weg auf den Friedhof nebenan. Wir fühlen uns beschenkt und beraubt zugleich. Heute schauen wir aus dem Küchenfenster, können den Baum sehen, unter dem Simons Grab liegt, und denken: Wir haben vieles richtig gemacht im Umgang mit Simons Krankheit, Sterben und Tod. Wir durften erleben, dass so viele für ihn gebetet und noch mehr gehofft haben. In seinem kurzen Leben lagen Freude und Leid eng beieinander. Wir können nicht wissen, was er – als Säugling – darüber dachte. Er hatte ein fröhliches Naturell und wirkte trotz aller Strapazen meist zufrieden. Ein „guter Tod” also? Wir sträuben uns gegen dieses Wort, es ist falsch hier. Das eigene Kind soll sich entwickeln dürfen, nicht sterben, das stellt das Leben auf den Kopf. Einen „guten Tod” kann es für ein Kind nicht geben. Ulrike Schmidt und Gero Flucke 19 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Foto: Flucke / Schmidt

Jesu Tod – ein guter Tod? Ein Tod ist gut, wenn er am Ende eines langen und erfüllten Lebens kommt. Zu dieser Überzeugung gelangt, wer die Berichte der Bibel über das Lebensende der Patriarchen des Volkes Israel liest. Über den Tod Abrahams heißt es nach Auflistung der Namen all seiner Kinder: „Er starb in hohem Alter, betagt und lebenssatt, und wurde mit seinen Vorfahren vereint“ (Gen 25,8). Dem Tod Jakobs geht der Segen für seine Söhne voraus (Gen 49). Langes Leben und zahlreiche Nachkommenschaft sind Zeichen für den besonderen Segen Gottes. Wer das erreicht hat, blickt auf ein erfülltes Leben zurück und kann einen guten Tod sterben. Es versteht sich von selbst, dass Jesus diese Kriterien für einen guten Tod nicht erfüllt hat. Schon die Art und Weise seines Todes ist schrecklich. Dazu kommt, dass er jung stirbt, auf der Höhe seiner Lebenskraft, und dass er kinderlos stirbt. Das ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was sich ein Jude unter einem guten Tod vorstellt. Wagen wir einen Blick in die Tradition der Kirche. Bei der Bitte um einen guten Tod wird der heilige Josef angerufen. Er gilt als „patronus agonizantium“, Patron der sich im Todeskampf Befindenden. Die Evangelien schweigen zwar über den Tod des Nährvaters Jesu. Weil er aber nur zu Beginn erwähnt wird, in den Kindheitserzählungen bei Matthäus und Lukas, später aber nicht mehr vorkommt, hat sich eine feinfühlige Volksfrömmigkeit seine Todesstunde ausgemalt: Als alter Mann liegt Josef im Bett, umgeben von seiner lieben Frau Maria und seinem Adoptivsohn Jesus, die weinend von ihm Abschied nehmen. Wer den Tod in der tröstenden Gegenwart Jesu und Marias erleben darf, der stirbt wahrhaft einen guten Tod. Darum dürfen wir auf die Fürbitte des heiligen Josef vertrauen, wenn sich unsere eigene Todesstunde nähert, auf dass auch wir dereinst die Liebe Christi und seiner Mutter nicht entbehren müssen. Die Gegenwart geliebter Menschen in der Sterbestunde spielt bereits bei den Patriarchen Israels eine Rolle. Bei ihnen sind vor allem die eigenen Söhne wichtig. Isaak und Ismael sind zugegen, als Abraham stirbt. „Nach dem Tod Abrahams segnete Gott seinen Sohn Isaak“ (Gen 25,11). Auch die zwölf Söhne Jakobs sind da und trauern um ihren Vater. Stets ist der Tod des Vaters mit dem Segen für die nächste Generation verbunden. Der Tod beendet zwar das Leben des einen, aber er ist zugleich auch Anlass zum Segen für die Nachkommen. Wer war zugegen, als Jesus am Kreuz starb? Johannes berichtet: „Bei dem Kreuz standen 20 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Der Tod Jesu sprengt alles, was vorher galt.

seine Mutter und die Schwester seiner Mutter, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala“ (Joh 19,25). Es sind Frauen, die Jesus schätzten und liebten. Wahrscheinlich weinten sie um ihn (vgl. Lk 23,27). Beim Kreuz Jesu stand aber auch der Jünger, den er liebte (Joh 19,26). Inmitten der Kälte des Hasses und der Gewalt leuchtet ein Funke der menschlichen Wärme auf, ein Funke des Trostes und der liebenden Anteilnahme. Langes Leben und zahlreiche Nachkommenschaft sind Zeichen für ein von Gott gesegnetes Leben und Voraussetzungen für einen guten Tod. Jesus hingegen stirbt jung und kinderlos, vom Volk verachtet, scheinbar als ein von Gott Verfluchter. Doch im Glauben erkennen wir: Der Tod Jesu sprengt alles, was vorher galt. Der Tod Jesu ist nicht das Ende seines Lebens, sondern ein Durchgang zu einem neuen, bis dahin unvorstellbaren Leben. Als erster verwirklicht er, was er allen verheißen hat: „in Ewigkeit leben“ (Joh 6,51). Jetzt ist alles anders: Ein erfülltes Leben ist nicht mehr Voraussetzung für einen guten Tod, sondern umgekehrt der Tod Jesu ermöglicht erst das wahre „Leben in Fülle“ (Joh 10,10). Und auch die Zahl der Nachkommenschaft ist nun nicht mehr entscheidend. Denn Jesus hat allen Menschen den Zugang zu diesem neuen, erfüllten und ewigen Leben eröffnet. Mauritius Honegger OSB 21 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod © SJ-Bild/Franke

Liebensbriefe Ende Oktober 2014 haben Kinder in St. Michael „Liebensbriefe“ geschrieben und gemalt. An langen Tischen wurde kurz erklärt, was ein Liebensbrief ist: eine Botschaft an verstorbene Menschen und Tiere. Auf einer Spezialfolie, für Blinde entwickelt, wird mit weißem Stift gezeichnet. Die Spuren sind eingeprägt. Weiße Zeichnungen auf einem weißen Hintergrund lassen das Licht durchscheinen. Die Kinder durften ihre Liebensbriefe vor den Gittern der Seitenaltäre aufhängen und dahinter ein Liebenslicht aufstellen. Das Projekt wurde von der Kunstpädagogin Marielle Seitz entwickelt. Es soll die Auseinandersetzung mit dem Tod auf eine neue, lichte Weise in die Gesellschaft bringen. Mehr als viertausend Kinder haben in Kindertagesstätten oder Schulen teilgenommen. Auf einem Friedhof und in der Münchner Fußgängerzone waren rund um Allerheiligen die Botschaften der Kinder als soziale Plastik ausgestellt. Die transparenten Folien hingen wind- und wetterfest wie an einer Wäscheleine. Als Marielle Seitz 2013 das Projekt startete, fragte sie sich: Wie werden Kinder aus unterschiedlichen Religionen und Kulturen reagieren, Kinder von Atheisten, von Christen und Muslimen? Die Initiatorin stellte danach fest: „Die meisten Kinder gehen davon aus, dass es nach dem Tod ein Leben gibt. Sie bezeichnen es als Himmel und glauben, dass es dort schön ist.“ Anrührende Geschichten sind passiert. Eine Gruppenleiterin fragte sich: „Kann ich das meiner Gruppe zumuten, wo wir ein Mädchen haben, dessen Mutter vor kurzem gestorben ist? Aber es war eine Befreiung“, sagte sie später. Die Kinder hatten einfühlsame Fragen gestellt und das Mädchen getröstet. Viele Pädagogen und Eltern waren überrascht, wie mitfühlend kleine Kinder mit dem Thema umgingen. Alle berichteten, dass sie trotz der traurigen Augenblicke viel mit den Kindern gelacht haben. Ein Mädchen hat zu weinen angefangen, als sie vor der Folie saß; weil sie froh war, sagte sie. Ihr Opa war ganz plötzlich gestorben, kurz zuvor hatte er ihr noch etwas geschenkt, aber sie konnte sich nicht mehr bedanken. In ihrem Liebensbrief hat sie das nachgeholt. Opa und Oma waren die häufigsten Adressaten. Was mich überraschte: Viele schrieben an ihre Großeltern, obwohl sie die gar nicht gekannt hatten. Da meldet sich offenbar ein Gespür für die eigenen Wurzeln. Die am meisten gebrauchten Worte waren alle Spielarten von „Liebe und lieb haben“, das Verb „vermissen“ und das Substantiv und Adjektiv „Tod/t“. Der Tod und die Liebe, die großen Themen des Lebens – für Kinder und Erwachsene. Im Allerseelengottesdienst regte ich an: Lassen wir uns von den Kindern zu einem tieferen Glaubens- und Lebenswissen führen. 22 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Geistlicher Impuls

23 Ich möchte auch Sie, liebe Leserinnen und Leser, zur Meditation einiger Liebensbriefe einladen: • Da und doch nicht da ... Wo bist du? Du fehlst mir! Valentina • Diese Schmerzen sind so schrecklich. Ich vermiss dich so, Oma Erika. Ich liebe dich. • Für bestimmt viele ist der Tod sehr traurig. Ich habe ihn erlebt. Meine Tante ist gestorben. Mein Opa kannte ich nie und sehr viele Tiere sind gestorben, aber wenn sie die Augen schließen, dann sehen sie alle, die tot sind, und das ist ein wunderbares Gefühl. • Liebe Oma, ich hätte dich gerne kennen gelernt. Papa hat gesagt, dass du lustig bist. In Papas Kinderalbum siehst du auch sehr nett und lustig aus. Ich hätte gerne noch viel mit dir gemacht – viele Herzen – Ich liebe dich. • Lieber kleiner Vogel. Leider bist du gegen unsere Fensterscheibe geflogen. Ich vermisse dein Zwitschern. Meditations-Bilder • Ein Großer Engel schwebt in der Höhe, nimmt ein Mädchen bei der Hand, das seinen kleinen Bruder an der Hand hält. Darüber das Auge Gottes. • Ein großes Zifferblatt, das zur Hälfte in der Erde steckt – darüber eine leicht geneigte Sanduhr – darüber Sonnenstrahlen. • Immer wieder gemalt: Kleine Menschen, Kinder in einem großen Herzen. „Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei, doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“ (1 Kor 13,13) Karl Kern SJ © Liebensbriefe

Nachrichten Neues aus dem Jesuitenorden Thema Missbrauch: Wo steht der Orden heute? Fünf Jahre nach dem ersten Bekanntwerden von Fällen systematischen Missbrauchs an Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen des Jesuitenordens in Deutschland ist das öffentliche Interesse unvermindert hoch: Klaus Mertes SJ war neben zahlreichen Interviews am 26. Januar zur Bundespressekonferenz des Missbrauchsbeauftragen der Bundesregierung in Berlin eingeladen, Johannes Siebner SJ war Gesprächspartner verschiedener Veranstaltungen in Bonn und Bad Godesberg, und Tobias Zimmermann SJ war präsent in den Berliner Medien. Für die Ordensleitung fasste Provinzial Stefan Kiechle SJ den aktuellen Stand der Dinge zusammen: „Der Prozess der Aufklärung ist, soweit wir das heute sehen, weit voran gekommen und mit insgesamt vier Untersuchungsberichten umfassend dokumentiert. Seit 2010 hat es zahlreiche direkte persönliche Kontakte zwischen Betroffenen, Vertretern der Betroffenen und Verantwortlichen des Ordens gegeben. Das Gesprächsangebot der Ordensleitung besteht auch weiterhin. Etwa die Hälfte der dem Orden bekannt gewordenen Opfer aus Einrichtungen des Jesuitenordens haben die von uns angebotene Zahlung von 5.000 Euro als Zeichen der Anerkennung des Leids angenommen. Darüber hinaus haben wir in Einzelfällen Therapiekosten übernommen und weitere Hilfe und Unterstützung finanziert. Parallel dazu haben wir – in Abstimmung mit der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK) – weitreichende „Leitlinien für den Umgang mit sexuellem Missbrauch Minderjähriger und erwachsener Schutzbefoh24 Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Die Teilnehmer der Bundespressekonferenz am 26.1. in Berlin (v.l.n.r.): Johannes-Wilhelm Rörig (Missbrauchsbeauftragter der Bundesregierung), Matthias Katsch (Eckiger Tisch e.V.), Anselm Kohn (Missbrauch in Ahrensburg e.V.), Adrian Koerfer (Glasbrechen e.V. ), Prof. Sabine Andresen (Goethe-Universität Frankfurt/M.) und Klaus Mertes SJ. Foto: Christine Fenzl

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