Jesuiten 2015-1

Das Leben ist ein kostbares Geschenk, seine Fülle aber misst sich nicht in der Zeit Sechs Jahre würde er dieses Jahr im August. Doch unser Sohn Simon wird für immer ein Baby bleiben – und auch das nur in unseren Herzen. Gut drei Wochen alt ist Simon, als wir mit seinen harmlos erscheinenden Hautflecken zum Kinderarzt gehen und die Verschreibung einer Salbe erwarten. Aber der Arzt schickt uns geradewegs in die Universitätsklinik. Am Abend die Diagnose Leukämie. Es folgen dramatische Stunden: Die Krebszellzahl in Simons Blut ist so hoch, dass die Ärzte nicht wissen, ob er die Nacht überlebt. Nach ein paar Tagen ist klar: Simon ist Hochrisiko-Patient. Wie groß die Heilungs-Chance ist, mag kein Arzt uns sagen. Wir spüren, dass sie eher klein sein muss, doch das blenden wir aus. Halt gibt uns, dass es einen Behandlungsplan gibt. Mit anfänglichen Erfolgen wird die Chemotherapie abgearbeitet. Lange Krankenhausaufenthalte ohne Einzelzimmer führen uns an den Rand der Erschöpfung. Zum Glück können wir uns öffnen und Freunde, Verwandte und Bekannte regelmäßig per Email informieren, auch über unsere Zweifel. Viele folgen der Bitte, uns zu schreiben – die tägliche Post gibt viel Kraft. Die Ärztin rät, Simon bald taufen zu lassen. Es ist eine schöne, intensive Feier zu Hause. Doch das alles hilft nichts. Am Tag, bevor Simon sechs Monate alt wird, ist endgültig klar, dass er nicht geheilt werden kann – Lebenserwartung „eher Wochen als Monate“. Die Hiobsbotschaft bringt zunächst auch Segen: Die palliative Therapie ist ambulant und viel sanfter. Auch wenn wir mehrmals wöchentlich in die Ambulanz müssen, gibt es endlich Platz zur Gestaltung eines Privatlebens. Wir können beide Elternzeiten nehmen. Es ist Simons beste Zeit, er entwickelt sich. Wir feiern Krankensalbung – und Ostern. Wie ist die fehlende Perspektive für das eigene Kind auszuhalten? Wir leben von Tag zu Tag, hoffen, dass die Zeit uns hindurch trägt. Um nicht nur auf den Tod zu warten, wagen wir nach zwei Monaten ein Wochenende am Meer und genießen so etwas wie Normalität als junge Familie. Kurz danach kippt die Situation. Simon bekommt Schmerzen. Warum haben die Ärzte sich nicht vorher Gedanken darüber gemacht, dass die Morphinpflaster für einen Säugling zu groß sind? Als die Schmerzen endlich im Griff sind, ent- 18 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod Einen „guten Tod” kann es für ein Kind nicht geben.

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