Jesuiten 2015-1

Die Angst vorm Sterben Erfahrungen eines Krankenhausseelsorgers Das Gemälde „Der Schrei“ des norwegischen Malers Edvard Munch kommt mir in den Sinn, wenn ich an Angst und Sterben denke. Eine Person schaut uns erschrocken an und schreit mit weit geöffnetem Mund und ebenso weit geöffneten Augen. Im Hintergrund stehen zwei Personen, die in eine andere Richtung schauen, scheinbar unbeteiligt. Die Sterbeforscherin Dr. Elisabeth Kübler-Ross befragte Menschen mit „Nahtoderfahrung“. In ihren Büchern beschrieb sie Tröstliches und Hoffnungsvolles. Wie durch einen Tunnel geht es dem Licht entgegen. Als Frau Dr. Kübler-Ross selbst 2004 starb, hieß es von ihr, dass sie ein schweres Sterben hatte. Sind also Erschrecken und Angst angebracht, „weil ja noch niemand je von dort zurückgekehrt ist“? Die letzte große Aufgabe des Menschen in dieser Welt wird das Sterben sein. Aber gerade dafür gibt es keine Handlungsanweisung. Einmal kam mir die Frau eines Patienten ganz verzweifelt auf dem Gang entgegen. Sie erzählte mir, dass ihr Mann bald sterben müsse, aber seit Tagen nur noch fernsehe und nichts mehr sage. Er durchlebte die Phase des „Nichtwahrhabenwollens“. Ob ich nicht mal mit ihm reden könne? Ich bat sie, doch selbst mit ihrem Ehemann zu sprechen. Zwei Tage später haben wir dann zu dritt das Sakrament der Krankensalbung gefeiert: eine sehr tiefe, ernste und bewegte Angelegenheit, die Tränen in unsere Augen brachte. Gott schenkt seinen Frieden, „so, wie die Welt ihn nicht geben kann“. Oft ist das Sterben ein Prozess, der sich über Tage hinzieht. Ganz langsam erlischt das Leben und versagen einzelne Organe. Eine gute Palliativmedizin nimmt dem Sterbenden weitgehend die Schmerzen; der Besuch von nahen Menschen kann den Abschied erleichtern (oder erschweren). Als Krankenhausseelsorger bin ich privilegiert, am Bett eines Sterbenden da zu sein, ein Ansprechpartner für Fragen, Ängste und Nöte. Da gibt es Unversöhntes in der Biographie, das Zerbrechen von Beziehungen, lange währende Zerwürfnisse in der Familie und Sorge und Angst auch um den kranken Ehepartner, der dann allein zurückbleiben wird. Die Aussprache kann es dem Kranken leichter machen. Persönliche Worte des Gebetes helfen, in Gottes Liebe zu übergeben, was unvollendet bleibt. Oft sind es ganz einfache Mittel, die helfen, beim Sterbenden zu sein: das Halten der Hände, ein Handschmeichler-Kreuz aus Olivenholz. Die Verwandten ermutige ich oft, von zu Hause zu erzählen. 6 Schwerpunkt Jesuiten n März 2015 n Vom guten Tod

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