Jesuiten 2015-2

Am Anfang, in der Mitte und auf Dauer gut Die Geister zu unterscheiden habe ich gelernt, als mich vor dem Abitur die Frage bewegte: Welchen Beruf soll ich ergreifen? Mir kamen Vorbilder in den Sinn: Jurist werden wie mein Vater? Oder Arzt wie ein Onkel? Meine Gefühle blieben stumpf; ich verspürte keinen Antrieb. Windstille. Dann aber drängte sich mir eine Frage auf: „Wenn du am Ende deines Lebens zurückblickst, was möchtest du getan oder besser nicht getan haben, um in Frieden sterben zu können?“ Das war eine neue Perspektive. Die Windstille war vorbei. Eine weitere Frage stellte sich ein: „Was ist für dich so wichtig, dass du am Ende deines Lebens bereuen würdest, es nicht getan zu haben?“ Mit einem Schlag war ich hellwach. Eine erste Antwort stieg in mir auf, zögerlich und doch klar: „Wichtig ist dir Jesus Christus, wichtig für alle Menschen.“ Wieder Windstille, aber anders als zuvor. Ich spürte: Hinter diese Antwort kannst du nicht mehr zurück. Aber was hieß das konkret? Es dauerte nicht lange, bis eine weitere, noch fragende Antwort in mir aufstieg: „Sollst du vielleicht helfen, dass Jesus Christus für die Menschen von heute und morgen erreichbar bleibt?“ Ich spürte ein Zögern und eine Unruhe, doch ich konnte sie nicht abweisen. Sie wies in eine Richtung, mit der ich im Grunde einverstanden war. Aber noch war nicht klar, was ich konkret tun sollte. Die Klarheit kam dann wiederum in Form einer Frage, die meine Antwort schon enthielt. „Könnte es sein, dass du Priester werden sollst?“ Ich konnte nicht mehr nein sagen, selbst wenn ich gewollt hätte. Ein frischer Wind erfasste mich: Es ging in die richtige Richtung. So willigte ich ein, Priester zu werden. Derselbe frische Wind wehte mich dann in die Arme der Gesellschaft Jesu. Damals kannte ich die Regeln zur Unterscheidung der Geister noch nicht. Heute weiß ich, dass ich damals einen Klärungsprozess durchlebt habe, der in seinem Anfang, in seiner Mitte und in seinem Ende, also bis zu meinem „Ja“ zum Priesterwerden, stimmig war. Das Stimmige habe ich (mit einem Wort des Exerzitienbuches) als „Trost“ empfunden. Aus dem Klärungsprozess wurde ein Bewährungsprozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Zwar war der Anfang stimmig, aber das Ende ist noch nicht erreicht. Die Mitte zieht sich hin. Ich bin noch unterwegs. Ich blicke zurück auf Zeiten lähmender Windstille und auf gefährliche Wirbelwinde; ich erlebte erfrischende Brisen, die mich jedoch vom Ziele ablenkten. Sie passten nicht zu der tröstenden Stimmigkeit des Klärungsprozesses. Dass ich den Unterschied manchmal nicht bemerken wollte, beschämt mich, dass ich ihn aber überhaupt bemerkt habe, macht mich dankbar. Wendelin Köster SJ 7 Jesuiten n Juni 2015 n Gott will es? Unterscheiden!

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