Jesuiten 2015-3

menschliches Leben offenbar dünnhäutiger und durchlässiger wird, wenn es Gott mit seiner Wahrheit begegnet. Wie kann das heute gehen, nachdem Christen schon 2000 Jahre aus der Bibel lesen? Und zugegeben: Allzu oft gehen die Lesungen in der Messfeier an mir vorüber, und ich weiß schon bei der Gabenbereitung nicht mehr, was ich gehört habe. Zwei Punkte mögen helfen, der erste ist eine alte geistliche Regel: (1) Ich bemühe mich so auf die biblischen Lesungen zu achten, als wenn ich sie das erste Mal höre. Wenn ich mich vorher löse von all den Vorstellungen, mit denen ich Gott schon lange einen festen Platz in meinem Alltagsgetriebe zugewiesen habe, dann kann sein Wort mich befreien. (2) Eine zweite Hilfe ist das dreifache Kreuzzeichen vor dem Evangelium: auf die Stirn, den Mund und das Herz. Es ist eine kleine Aufmerksamkeitsübung für das Hören der Schrift. Schon Plato hat zwischen Kopf, Herz und Bauch unterschieden, diese drei sind verschiedene kognitiv-psychologische Bereiche, mit denen wir Menschen reagieren. So wie das Zeichen des Kreuzes soll auch das Wort Gottes nicht im Kopf bleiben, auch nicht nur auf den Lippen, sondern es soll in den Tiefen des Bewusstseins wirken, in Herz und Bauch, und von dort aus mein ganzes Leben, Denken und Sprechen verwandeln. Ansgar Wucherpfennig SJ 9 Jesuiten n September 2015 n Messe feiern © SJ-Bild/Ender Alfons Höfer SJ beim Bibelgespräch

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