Jesuiten 2015-3

Wie predigen? Eine Predigt machen bedeutet Ärger. Oder es bedeutet Fragen. Zumindest beginnt es dann erst spannend zu werden, wenn ich an den Punkt komme, an dem die biblische Lesung mir nicht glatt runtergeht und wenn mir nicht sofort der eine tolle Gedanke kommt, über den ich predigen möchte. Vielmehr sind mir zumeist die Texte wichtig geworden, die es mir nicht leicht gemacht haben, vor denen ich ratlos oder zornig oder sonst heftig berührt stehe – und darum ringe, was Gott mir und unserer Gemeinde da wohl sagen will. Die Predigt in der Messe soll deswegen zunächst einmal über die Lesungen gehen, weil die Bibel das Ereignis der Kommunikation Gottes mit uns ist. Deswegen vermute ich, dass eine Predigt dann mehr „Gott“ ist, wenn nicht gar so viel von mir darin vorkommt. Deswegen auch frustriert es mich nicht so sehr wie es mich freut, wenn sich Leute freudig für eine Predigt bedanken und dabei einen Gedanken zitieren, den so gesagt zu haben ich mich wirklich nicht erinnere, der aber irgendwie rübergekommen ist und sie berührt hat. Eine Predigt zu machen ist für mich immer Arbeit. Für einen normalen Sonntag rechne ich sechs bis acht Stunden. Es beginnt mit dem Lesen der biblischen und liturgischen Texte, geht über das Studium exegetischer (bibelwissenschaftlicher) Literatur, über das Gebet mit diesen Gedanken und das (buchstäbliche) Ausschwitzen beim Sport. Es geht, indem ich von Montag an die Fragen und die Verwunderung über die Bibel mitnehme in Gespräche und Literatur, in Beobachtungen und ins Kino. Und irgendwie wird daraus bis Donnerstag eine Predigt, die ich ganz schnell runter tippe, um dann zu sehen, ob mich das ansprechen würde, was ich da zusammengeschrieben habe. Wie sehr bei mir eine Predigt der Situation und Zeit geschuldet ist, in der sie entstanden ist, merke ich, wenn ich das Manuskript drei Jahre später wieder sehe. Dann passiert es nicht selten, dass ich mich darüber wundere, was ich da damals zusammengeschrieben habe. Das bewahrt mich auch vor der Versuchung, einfach alte Manuskripte hervorzuholen. Es funktioniert schlichtweg nicht. Extrem erlebe ich am Karfreitag, wo ich jedes Jahr neu darum ringen muss, was all das soll mit Christi Leid und Kreuz. Ich dachte, letztes Jahr hätte ich etwas verstanden, und den10 Schwerpunkt Jesuiten n September 2015 n Messe feiern Die Bibel ist das Ereignis der Kommunikation Gottes mit uns.

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