Jesuiten 2015-4

Gebrochener Glaube Das erste Mal ist es mir mit 18 passiert: In der Gebetsgruppe, wo ich kurz zuvor zum Glauben gefunden hatte, sagte ich, dass Gott ein Tyrann ist, ein Diktator, der unbedingten Gehorsam verlangt. Ich wäre fast aus der Gruppe geflogen. Dass mein Gottesbild weniger mit Erfahrungen mit Gott zu tun hatte und mehr mit dem, was ich in meiner Familie erlebte, hat niemand von uns gesehen. Viele Jahre später, in der Kapelle einer psychiatrischen Klinik, habe ich Gott gedanklich zweigeteilt: Der Vater wurde zu demjenigen, der verantwortlich war für das, was ich erleben musste, der mir Misshandlungen zugemutet hatte, die mich mit einer Traumafolge- und einer BorderlineStörung hierher gebracht hatten. Ein Gott, mit dem ich nichts zu tun haben wollte. Jesus dagegen war mein Helfer. Der auf meiner Seite steht und ganz sicher nicht wollte, was ich erleben musste. Der Mitleid hat und retten kann. Dass das theologisch nicht sauber ist, war mir bewusst – aber auch, dass ich elend angewiesen war auf einen helfenden Gott und den nicht in meinem Gott-Vater-Bild finden konnte. Diese Zweiteilung Gottes habe ich zu einem gewissen Grad bis heute beibehalten: Dass mich mein Vater geschädigt hat, hatte zur Konsequenz, dass ich mit Gott als Vater Positives kaum verbinden kann, damit müssen Gott und ich leben. Mehr zu schaffen machen mir die Folgen der Rolle, die meine Mutter eingenommen hat: Hilflos und überfordert hat sie zugesehen, mich physisch und emotional verwahrlosen lassen, oft denke ich, sie konnte nichts tun. Das ist heute meine größte Angst, wenn ich mit Jesus ins Gespräch komme: Dass er mir vielleicht nicht helfen kann. Dass er vielleicht so weit gegangen ist in seinem Gleich-Werden mit den Leidenden, dass er jetzt außerstande ist, noch irgendetwas zu tun. Wenn ich das glaube, bleibt mir als Ausweg nur noch der Suizid, um mit Jesus zu sein, der mich liebt. Es ist mir ungeheuer wichtig, dass Jesus mit-leidet mit mir. Aber auch, dass er derjenige ist, der alles zulässt, was mir geschieht – und der nicht erlauben wird, dass ich völlig verzweifeln muss. Da fühle ich mich verbunden mit vielen Menschen, die leiden – wir brauchen einen starken Gott, vielleicht mehr als Menschen, die ihr Leben gut bewältigen. Auf der anderen Seite, da wo Gott nicht ist, steht eine innere Stimme, die aus denen hervorgegangen ist, die mich geschädigt haben. Die mir sagt, dass ich unerträglich bin und Strafe verdient habe, mich zum Suizid drängt, weil die Welt ein besserer Ort wäre ohne mich. Der „Feind der menschlichen Natur“, der Teufel, jemand, den es zu bekämpfen gilt. Ich tue mich schwer mit Versuchen, negative 16 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

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