Jesuiten 2015-4

Junger Glaube 2015/4 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Das Titelbild sowie die Fotos auf den Seiten 2 bis 21 zeigen Mitglieder der KSJ-Hamburg sowie Schülerinnen und Schüler der Sankt-Ansgar-Schule, dem katholischen Gymnasium in jesuitischer Tradition in Hamburg. Die Fotos wurden nach Zustimmung der Eltern gegenüber der Schule bzw. der KSJ zusammengestellt von Björn Mrosko SJ. Ausgabe November/2015 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Religiöse Erfahrungen von Jugendlichen 4 Einfach da sein 6 Leib & Seele 8 Entdeckungen auf dem Glaubensweg 10 Sehnsucht und Bedürfnisse junger Menschen 12 Nightfever 13 Mein Freiwilligenjahr: Was bleibt? 14 Mystik und Politik 16 Gebrochener Glaube 18 Glauben Sie an Gott, Herr Bischof? 20 Ein Blick zurück nach vorn Geistlicher Impuls 22 Augen des Glaubens Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare Medien 29 CD Hörbuch/Buch Nachrufe 2015 30 Unsere Verstorbenen 33 Autoren dieser Ausgabe Die besondere Bitte 34 Dank für Ihr Gebet und Ihre Treue 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Virtualität – Anwesenheit des Abwesenden 6 Virtualität aus der Schulperspektive 8 Mailgewitter & Twitterstürme 10 In die Computerzeit hineinleben 11 Erreichbarkeit 2.0: Facebook ohne Ende 14 Online-Exerzitien 16 Pastorale Projekte 17 Warum ich (noch) nicht bei Facebook bin 18 Warum ich bei Facebook bin 20 blog.radiovatikan.de 21 Jesuiten in Facebook Geistlicher Impuls 22 Von der Versuchung, virtuell zu leben Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Vorgestellt 29 Gebetsapostolat Nachrufe 2012 30 Unsere Verstorbenen Medien 32 DVD: Die Schrittweisen. Zu Fuß nach Jerusalem 33 Autoren dieser Ausgabe 34 Die besondere Bitte 34 Ein Abonnement „Stimmen der Zeit“ 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland Inhalt Ausgabe 2012/4 2012/4 Titelbild: @ Fotolia „Virtualität ist die Eigenschaft einer Sache, nicht in der Form zu existieren, in der sie zu existieren scheint, aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache zu gleichen.“ Diese Definition aus „Wikipedia“ auf vielfältige Weise umzusetzen, nahm sich Simon Lochbrunner SJ mit seinen Bildern im Schwerpunktteil dieser Ausgabe vor.

Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, wie die Kinder sollen wir werden, denn ihnen gehört das Himmelreich. Dieses Wort Jesu kennen wir, aber was bedeutet es, wie ein Kind zu glauben? Was können Erwachsene von Kindern für ihren Glauben und für ihr Leben lernen? Wenn Kindermund Wahrheit spricht, so sollten wir Erwachsene viel öfters Kindern zuhören, um zu uns selbst und zu Gott zu finden. In dieser Ausgabe von „Jesuiten“ schauen wir auf den kindlichen Glauben: In der Sankt-Ansgar-Schule in Hamburg haben Fünft-Klässler ihre Psalmen und Gebete selbst formuliert; sie drücken damit ihren Glauben aus – einige der Gebete wollen unseren Glauben anregen. Außerdem werden Jugendliche und junge Erwachsene aus ihrem Glaubensleben erzählen, und Erwachsene, die sich in der Jugendarbeit engagieren, berichten darüber, wie sie Kinder und Jugendliche zum Glauben hinzuführen versuchen. Holger Adler SJ und Björn Mrosko SJ haben die verschiedenen Beiträge redaktionell koordiniert. Im Rahmen unserer feierlichen Gelübde versprechen wir Jesuiten, dass wir uns besonders um die „rudes“ kümmern: Dieses lateinische Wort meint die Ungebildeten oder Unmündigen, also vor allem Kinder und Jugendliche, aber auch einfache und arme Menschen, die wenig Zugang zu spiritueller Bildung haben. Ihnen sollen wir den Glauben verkünden, und das meint nicht nur eine intellektuelle, sondern mehr noch eine Herzensbildung: dass wir Christen uns von Gott beschenken lassen und uns ihm zurückschenken, mit aller Hingabe und aller Freude, die ein gläubiges Leben dem Menschen bereiten. An Weihnachten feiern wir, dass Gott ein Kind wurde. Der Blick auf das Kind in der Krippe rührt unseren Glauben an, er erneuert und vertieft ihn: dass unser Glaube einfach sei, unverstellt, spontan, mit großen Gefühlen aus einem weiten Herzen, auch ein wenig naiv, freudig, liebevoll. Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen ein gesegnetes und ein friedvolles Weihnachtsfest und ein erfülltes Jahr 2016. Stefan Kiechle SJ Provinzial 1 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Religiöse Erfahrungen von Jugendlichen In der Vorbereitung auf diesen Artikel habe ich Studenten und ehemalige Schüler befragt, wie sie ihre eigene Religion sehen. Die Antworten sind so vielgestaltig und unterschiedlich ausgefallen, wie die Jugendlichen selbst. Da gibt es solche, die Religion als „rein kulturelle oder konservative Erziehung“ verstehen, solche, die noch nach ihrem Glauben suchen und wieder andere, die „einfach glauben“. Vielen gemeinsam ist die Feststellung, dass es im Alltag wenig Muße gibt, sich auf Geistliches zu besinnen. Die normalen Gottesdienste in der Gemeinde sind jedenfalls kaum Orte, wo ihnen das gelingt. Manche erwähnen schöne Jugendgottesdienste, bei denen auch eine Gemeinschaft spürbar wird: „Am nahesten kam ich ihm immer, wenn der ganze Chorraum unseres riesigen Doms sang und Sonnenstrahlen zu den Fenstern hereinfielen, da stellten sich mir jedes Mal aufs Neue die Nackenhaare auf und ich bekam eine Gänsehaut. Gerade dann dachte ich: Jetzt ist er da, jetzt ist er mitten unter uns.“ Für einige sind deshalb Taizé-Treffen oder Weltjugendtage wie kleine Inseln, auf denen sie sich vom Segeln auf offener, religionsneutraler See ausruhen können: „Ich war hellauf begeistert, ich liebte die Lieder in verschiedenen Sprachen, die Vielfalt der Glaubenszeugnisse und das Gefühl, Teil einer weltweiten Jugendgemeinde zu sein.“ Andere kommen nach Hause und die Suche geht erst richtig los: „Ich habe Besinnungsfahrten nach Assisi und Taizé gemacht und nach und nach immer wieder neue Fragen im Glauben gehabt, aber auch Erlebnisse, die mich darin bestärkten, weiter zu suchen und zu fragen.“ Das Vertrauen in die Institution Kirche ist nicht sehr ausgeprägt. Für viele ist wichtig, ihren eigenen Weg zu gehen – auch in Glaubens- und Sittenfragen: „Im Laufe der Jahre hat sich jedoch mein christlicher Glauben immer mehr zu meiner ‚eigenen Religion‘ beziehungsweise 2 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Gott, du schaust vom Himmel auf mich herunter. Du bist immer für mich da. Du erhörst meine Bitten, auch wenn ich nicht immer gerecht bin. Du hilfst in größter Not, wenn ich von ungläubigen Menschen bedrängt bin, die den Hass suchen, und ich keinen Ausweg finde. Du lässt mich nie in Einsamkeit. Du bist wie ein Baum, unter dem ich Ruhe finden kann und in mich hineindenke. Dann weiß ich, dass ich Zuflucht im Schatten deiner Äste finde bis alles vorüber ist. Gott, du hast einen besonderen Platz in meinem Herzen, weil du mich nie im Stich lässt. Danke, oh Herr, für dein Dasein. Halleluja!

meinen eigenen Vorstellungen verschoben. Ich habe mich seither ziemlich von der Kirche distanziert. Häufig habe ich das Gefühl, dass sich das christliche Leben darin erschöpft, dass man sich unreflektiert an die äußeren Regeln der Kirche hält, zum Beispiel, dass man keinen Sex vor der Ehe hat und jeden Sonntag in die Kirche geht. In solchen Punkten bin ich anderer Meinung.“ Wichtiger als institutionalisierte Religion und Glauben ist für viele Jugendliche, Menschen zu begegnen, die menschlich überzeugen: „Ich lernte eine besonders charismatische alte Dame in Dresden kennen. Sie hatte ihr ganzes Leben in Gottes Namen gestellt und engagierte sich bis in ihr hohes Alter in der Drogen- und Partyszene in Dresden, um den jungen Menschen dort Halt zu geben. Als ehemalige Millionärin hatte sie alles aufgegeben, um dieses Leben zu führen, das berührte mich sehr.“ Mich berührt das auch! Vielen Dank liebe Bernadette, Christian, Dominik, Fabian, Hannah, Jonathan, Miriam, Niclas, Stefan und Victoria für Euer Zeugnis. Ludger Joos SJ 3 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg

Einfach da sein Ich frage mich, ob es möglich ist, eine schöne Landschaft zu betrachten und dabei eben diese prachtvolle Natur zu bewundern, ohne zu denken. Ganz ohne auch nur ein einziges Wort zu kennen und jemals eine Sprache wahrgenommen zu haben. Es gibt im Leben eines Menschen Momente, die ihm sehr nahe gehen. Der Tod der Mutter. Der Tod des Vaters. Die Geburt eines Sohnes. Die Geburt einer Tochter. Das Erreichen eines lang ersehnten Zieles. Die Besteigung eines Gipfels. Der erste Kuss. Für jeden und jede sind es andere Momente, die für immer hängen bleiben. In solchen Augenblicken, so scheint es, denken wir nicht in Sprache, denken überhaupt nicht. Wir sind einfach da und fühlen, nehmen wahr, was ist, und werden einzig und allein von unserem Gefühl gesteuert. Jegliche Rationalität und Logik verschwindet. In solchen Momenten fühlen wir ursprünglich und natürlich, wie ein neugeborenes Kind. Wir fühlen bloß eine der Basisemotionen oder eine Mischung davon. Freude, Angst, Trauer, Wut ... 4 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg

In solchen Momenten können wir sagen: „Wir sind einfach da.“ Da jeder Mensch irgendwie anders ist und die Welt anders wahrnimmt als ein anderer, gibt es für jeden auch andere Momente, die hängen bleiben, und andere Momente, die einem wichtig sind. Für den einen ist es die tiefe Meditation, Tanz und ein langer Lauf. Eine andere Person verspürt vielleicht ein besonderes Gefühl, wenn sie sich der gewünschten Musik hingeben und einfach nur hinhören kann. Für jeden etwas Anderes. Ich denke, dass diese Momente etwas Göttliches haben. Die Momente, in denen wir einfach das tun, was wir tun, um der Sache willen und nicht, um etwas damit zu erreichen. Nicht als einen Zwischenschritt irgendwo hin, sondern als einen Weg, den man geht, um auf dem Weg zu sein, und nicht, um ein Ziel zu erreichen. In jenen Momenten sind wir einfach wir selbst und erleben damit auch eine tiefe Verbindung zu uns. In den Momenten in denen wir uns selber vergessen, da erleben wir etwas sehr Besonderes. Vielleicht etwas Göttliches. Martin Brüschke, 20 Jahre Gebet für Flüchtlinge Lieber Gott, wir bitten für alle Flüchtlinge, die den weiten und gefährlichen Weg auf sich nehmen – Alte, Junge, Eltern und Kinder. Die Leute, die in Ungarn sind und sich denken: bald haben wir es geschafft. Die den gefährlichen Weg über den Ozean auf sich nehmen und für eine sichere Heimat ihr Leben riskieren. Der tote Junge vor Griechenland ist nur einer von vielen Tausenden, die ihr Leben verloren haben. Die auf überfüllten Booten von Schleppern verharren und sich denken: warum machen wir das? Die meisten Kinder sind geschockt und traumatisiert. Diese Leute sind stark und riskieren so viel. Die Politiker sagen, dass Flüchtlinge auch nur Menschen sind, die ein Recht auf die gleichen Sachen haben, die wir auch haben. So viele, die sich für die Leute einsetzen, applaudieren, wenn die Flüchtlinge am Bahnhof ankommen, und sich freuen, dass sie es geschafft haben. Die Leute, die viele Klamotten gespendet haben und die den Flüchtlingen Mut machen. Dass der Krieg in ihren Ländern bald zu Ende ist. Auch wenn die meisten hier bleiben, da ihr Zuhause komplett zerstört ist, wird unsere Gemeinschaft bestehen bleiben – zusammen mit den Flüchtlingen. Amen Sören Kröger, 12 Jahre 5 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Leib & Seele Zusammen mit den Fächern Biologie, Sport und wahlweise Philosophie oder Latein bildet das 5-stündig unterrichtete Fach Religion an der Sankt-Ansgar-Schule eines von insgesamt sechs zur Wahl stehenden Oberstufen-Profilen: das sogenannte „Leib & Seele“-Profil. In einem „Leib & Seele“-Interview, um das uns die Redaktion dieser Zeitschrift gebeten hatte, durften die Schüler ihren Lehrer zu Beginn des Schuljahres persönlich befragen. Hier ein Auszug aus meinen Antworten: Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie uns Schülern etwas über Religion erzählen? Religion betrifft die ganze Person – das, was sie denkt und fühlt. Zunächst bin ich immer etwas angespannt, weil ich eine Atmosphäre schaffen möchte, in der wir offen und zugleich geschützt auch über Gefühle und Erfahrungen reden können. Ich will euch nichts über Religion „erzählen“, was für mich selbst keine Bedeutung hat, sondern euch einladen mit mir zusammen die Auseinandersetzung zu suchen – mit modernen Theologen, Kirchenvätern, Philosophen, Vertretern anderer Religionen, Religionskritikern und mit neuesten Erkenntnissen der Naturwissenschaft. Mir geht es gut, wenn ich merke, dass das ansatzweise gelingt. Wie wollen Sie uns bewerten, wenn wir nicht Ihrer Meinung sind? Nicht eure Meinung oder gar euer Glauben stehen zur Bewertung an. Wenn mir hier jemand im Raum beispielsweise sagt, er glaube nicht an Gott, dann ist das so. Ich erwarte allerdings, dass sich dieser Schüler gegenüber Erfahrungen und Argumenten von Menschen öffnet, die in ihrem Leben zu anderen Schlüssen gekommen sind. Die Fähigkeit zum kritischen Dialog ist schon bewertbar. Auch von einem Schüler, der sich als gläubig versteht, 6 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Schwerpunkt Manchmal fühle ich mich wie ein zusammengeknülltes, weggeworfenes Papier im Papierkorb. Aber du, Gott, holst mich heraus, faltest mich auf und gibst mir neuen Mut für das gemeine, kalte Spiel des Lebens. Manchmal fühle ich mich wie ein Regenwurm im riesigen Erdreich. Wenn es einmal regnet, führst du mich heraus an die frische Luft. Auch wenn mein Kopf abgetreten wurde, schenkst du mir einen neuen Kopf und neue Lebenslust. Wenn ich auf engen Wegen wandere, kommt es mir so vor, als ob deine unsichtbare Hand sie breiter macht. Wenn ich eine Reise antrete und den Weg nicht kenne, führst du mich heil zum Ziel. Amen.

erwarte ich, dass er genau zuhört, was ein Atheist ihm entgegenhält. Werden wir viel in der Bibel lesen (Hinweis auf das mit Bibeln gefüllte Bücherregal im Fachraum Religion) – und glauben Sie eigentlich an Gott, wie er in der Bibel steht? Etwa keine Lust auf Bibel? Das wäre schade: Ich finde die Bibel faszinierend, weil in ihr so viele unterschiedliche Erfahrungen mit Gott versammelt sind: Dank, Hoffnung, aber auch Klage, Wut und Verzweiflung. Ich tauche gerne in die alten Texte ein – und würde euch gerne mitnehmen. Als ich einmal in einer sehr belastenden Situation war und nachts nicht schlafen konnte, habe ich mir einen längeren Psalm auswendig aufgesagt. Weder vorher noch danach war mir das je wieder möglich. Irgendwie habe ich noch heute das merkwürdige Gefühl: Dieser Text ist für mich für diese besondere Situation geschrieben worden! Der Bibel entnehme ich als roten Faden das Bild eines Gottes, der uns die Freiheit zumutet, eigene Entscheidungen zu treffen, der uns durch Höhen und Tiefen begleitet und selbst im Scheitern nicht fallen lässt. Daran mag ich glauben – weil es mir einleuchtet und weil es meiner bisherigen Lebenserfahrung, so wie ich sie deute, entspricht. Jürgen Brinkmann 7 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg

Entdeckungen auf dem Glaubensweg Jugendliche erzählen von ihren Begegnungen mit Religion, Glaube und Kirche. Taizé Als ich vor zwei Jahren das erste Mal den Reisebus-Parkplatz von Taizé betrat, merkte ich sofort, dass dieser Ort irgendwie anders war. Die Leute, die ihren Weg durch dieses kleine Dorf machten, begegneten mir mit einer solchen Offenheit, wie ich sie zuvor nirgendwo erlebt hatte. Aber was genau diese Leute dort so „anders“ machte, wusste ich auf Anhieb nicht. Schnell jedoch wurde mir klar, warum Taizé diese Menschen (mich mittlerweile eingeschlossen) so glücklich machte. Der Titel eines Taizé-Liedes beschreibt dies meiner Meinung nach perfekt: „Gott ist nur Liebe“. Diesen Satz haben dort alle auf eine so tolle Art verinnerlicht, dass die genannte Liebe Gottes sich in der Nächstenliebe der Menschen dort widerspiegelte. Wildfremde Leute wurden in Minuten zu sehr guten Freunden. Taizé ist nicht einfach nur ein Ort oder ein Ereignis. Taizé ist eine einzigartige Erfahrung, die ich nie vergessen werde. Oliver Büttner (16 Jahre, Sankt-Ansgar-Schule) KSJ-Sommerlager In der Zeit eines Sommerlagers der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) Hamburg halten sich viele schöne Momente verborgen. Viele offenbaren sich in den zwar eher seltenen, jedoch umso schöneren, ruhigen Momenten. Jeden Tag wird einem die Möglichkeit gegeben, solch einen Moment mitzuerleben: Als Tagesabschluss wird ein sogenanntes Output angeboten, in dem die „Grumis“ (Gruppenmitglieder) in Selbstreflexion an verschiedenen Übungen den Tag Revue passieren lassen und angestoßen werden, über grundlegende Fragen des Lebens nachzudenken. Ein weiterer wichtiger Moment auf einem Sommerlager ist der Gottesdienst. Diesen bereiten die „Grumis“ zusammen mit den Leitern und unserem Pater vor. Den hohen Stellenwert dieser Einheiten sieht man, wenn die Kinder und Jugendliche bedächtig, aufmerksam und überlegt wirken, wo sie doch tagsüber oft die Kehrseite zur Schau stellen. In diesen stillen Momenten können KSJ‘lerInnen entdecken, was Gott und Glaube bedeuten können. Benedikt Brandt (18 Jahre, KSJ Hamburg, Abitur 2015) 8 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Weltjugendtag Eigentlich gehe ich während des Semesters zu keiner Messe mehr. Trotzdem ist mein Glaube mir wichtig. Den Urlaub verbringe ich oft mit Wandern. Wenn ich den ganzen Tag unterwegs bin, habe ich Zeit, über meine Beziehung zu anderen Menschen und zu Gott nachzudenken. Ich genieße es dann, ein paar Minuten in einer Kapelle oder Kirche zu sitzen und ein Gebet zu sprechen. An sich hat sich mein Band zum Christentum in den letzten Jahren nur verstärkt und nicht weiter abgeschwächt. Als mir angeboten wurde, 2013 zum Weltjugendtag nach Rio de Janeiro mitzukommen, war das für mich zuerst eine preiswerte Möglichkeit, ein Land kennen zu lernen. Nach der Rückkehr jedoch war ich von der Stimmung und den Erfahrungen so begeistert, dass ich mich bereits jetzt auf den Weltjugendtag 2016 in Polen freue. Was mich so begeistert hat? Ich glaube, es war die Gemeinschaft, die man spüren durfte, die Kommunikation und das Treffen anderer Leute, die eine komplett andere Kultur haben, aber doch an das Gleiche glauben wie du selbst. Immer wieder muss ich mich mit meiner Verbindung zu Gott befassen und tue das auch gerne. Es hilft mir jedes Mal, mich selbst zu finden, und dient zur Reflexion, was aus meinem Leben bis jetzt geworden ist. Es gibt mir Halt. Ein Leben ohne Religion kann ich mir heute nicht mehr vorstellen. Christian Wendler (20 Jahre, Kolleg St. Blasien) Taufe Meine Eltern hatten sich dazu entschlossen, mich nicht taufen zu lassen. Sie wollten mir die freie Wahl lassen, damit ich mich leichter für „meine“ Religion entscheiden kann. Ich bekam den Raum, meine Spiritualität zu entwickeln. Besonders prägte mich die Gemeinschaft in der Katholischen Studierenden Jugend. Bei der KSJ wurden mir die christlichen Werte und der Glaube gut vermittelt, sodass ich in den letzten Jahren des Öfteren mit dem Gedanken spielte, mich taufen zu lassen. Am eindrucksvollsten dabei war die bundesweite SummerConnection letztes Jahr, ein Treffen für alle KSJ‘lerInnen in Deutschland. Insgesamt nahmen 400 Kinder und Jugendliche teil. In den 10 Tagen, die ich auf dieser Freizeit war, hatte ich durchgehend das Gefühl, von einer göttlichen Kraft umgeben zu sein, die das Beste für mich und mein Leben geplant hat und mich ständig begleitet. Jedoch hatte ich den Gedanken der Taufe wieder verworfen, da ich der Institution der katholischen Kirche eher kritisch gegenüber stehe. Erst dieses Frühjahr wurde mir klar, dass meine Meinung kein Hindernis ist, sondern – ganz im Gegenteil – ich bin doch eine Bereicherung für die katholische Welt. Weil diese enorme Verbindung zur KSJ zu dieser Entscheidung geführt hat, möchte ich meine Taufe verbandsintern begehen. Mein liebster Ort dafür wäre die Bundeskonferenz der KSJ, damit die „ganze Familie“ dabei sein kann. Nadia Schnabel (22 Jahre, KSJ-Diözesanleiterin, Köln) 9 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Sehnsucht und Bedürfnisse junger Menschen Als Jugendlicher hat mich ein Satz aus Goethes Faust gepackt, der mich lange, im Grunde bis heute, nicht mehr loslassen sollte. Vielleicht, weil er präzise das trifft, was ich selber so oft empfunden habe. Die Szene spielt im Studierzimmer des Faust, und er ist im Begriff, diese so berühmte Wette gegen den Mephistopheles zu schließen, bevor er sagt: „Werde ich zum Augenblicke sagen ‚Verweile doch, du bist so, schön‘, dann magst Du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen.“ Könnte ich den schönen Augenblick doch zum Verweilen bewegen, ihn festhalten. Aber dann ist schon wieder das Nächste im Anmarsch, der Alltag, die Hast. Ist es das, wonach die Jugend sich sehnt: Den Augenblick festhalten zu können? Zu verallgemeinern ist dies nicht und jede/r einzelne hat seine und ihre Sehnsüchte, die an die Biografie und die lebensweltliche Wirklichkeit gebunden und mit den persönlichen Erfahrungen in Beziehung zu setzen sind – in Abhängigkeit zu diesen stehen. Gleichwohl kann der Blick in die Jugendliteratur oder zeitgenössische Pop-Musik vielleicht auf einen gemeinsamen Nenner hinsichtlich der Sehnsucht im Menschen hinweisen. Viele Jugendliche lassen sich fesseln von Büchern, die von Liebe, Partnerschaft und einem Begehren handeln, dessen geliebtes Gegenüber zuweilen diffus und in unerreichbarer Ferne bleibt. Alleine diese Reaktion auf den Inhalt dieser Literatur mag den vorsichtigen Schluss zulassen, dass es im Seelenleben der jungen Leserinnen und Leser ein tiefes Sehnen, ein Begehren geben mag. Erfährt dieses Begehren keine Erwiderung, tut sich eine unruhige Leere in der Seele auf, die gefüllt werden will. In der Klinik bin ich jungen Menschen begegnet, die wirklich süchtig waren, ganz egal, um welche Sucht es sich handelte: Alkoholsucht, Sucht nach illegalen Drogen, Sexsucht, Spielsucht am Computer, Fresssucht, Sucht nach Anerkennung. In der direkten Begegnung war für mich so schmerzlich erfahrbar: Da war eine Leere in der Seele, die danach suchte, gefüllt zu werden. Womit? Vor einigen Tagen hörte ich einige Reihen hinter mir im Bus, wie vier oder fünf jugendliche Schülerinnen leise, jedoch deutlich vernehmbar, das Lied vom „Lieblingsmenschen“ sangen, bei dem man ich sein kann, verträumt und verrückt. Der Lieblingsmensch, bei dem die Last des Alltags aufgehoben und leicht wird, mit dem Streit möglich ist und der dennoch bleibt, ein Mensch, der den Augenblick ausweitet und ihn mit Bedeutung füllt. Bei allem Respekt vor den individuellen Sehnsüchten könnte hier der gemeinsame Nenner oder das Gemeinsame in den Sehnsüchten liegen. Es könnte die Sehnsucht nach „Jemandem“, einem konkreten 10 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

11 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Gegenüber sein, der den Augenblick zum Besonderen macht. Für uns alle gilt und im besonderen Maße für das Kinder- und Jugendalter: „Zonen der Verlässlichkeit“ sind unabdingbare Marker zu einem erfüllten, glückenden Leben. Diese „Zonen der Verlässlichkeit“ erfüllen die Funktion, all die Sorgen der Seele, die Ängste und dunklen Aspekte des Lebens aufzunehmen, zu halten und ihnen eine Bedeutung zu verleihen. Gleichzeitig erfüllen sie die Funktion, Sinn, Glück, Zufriedenheit und Liebe zu stiften und erleben zu können. Nun, was ist „die Sehnsucht“ der Jugend? Ist es die Sehnsucht nach Freundschaft, nach Liebe, nach Erfolg, die Sehnsucht nach Anerkennung? Der Repräsentant dieser „Zone der Verlässlichkeit“, auf die sich die Sehnsucht im Menschen richtet, bleibt nicht im Diffusen oder Abstrakten. Diese Sehnsucht richtet sich auf einen „Jemand“, ein Gegenüber, der eine verlässliche Größe ist und auch dann bleibt, wenn alle anderen schon längst gegangen sind. Vielleicht ist diese Sehnsucht der Jugend der besungene „Lieblingsmensch“. Vielleicht ist diese Sehnsucht auch die nach einem Augenblick in der Gegenwart eines „Jemand“, der letztlich der ganz Andere bleibt. Marco Mohr SJ Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg

Nightfever Um 17 Uhr geht es samstags mit einem Gottesdienst los. Nach der Messe wird das Allerheiligste ausgesetzt und von Lampen angestrahlt, was für mich jedes Mal sehr anrührend ist, dazu die blau-roten Leuchten im Altarraum, die die Kirche in ein stimmungsvolles Licht tauchen, die Musik, die abwechselnd von verschiedenen Bands gespielt wird, mit Beschallung des Marktplatzes. Ebenso haben wir Nightfever-Fahnen, die dazu einladen, doch näher zu kommen. Diese tragen auch zur Stimmung bei, jedenfalls bei mir. Am Wichtigsten ist mir das Einladen, denn ohne Menschen, die nach draußen gehen und Passanten ansprechen, bliebe die Kirche leer. Wir gehen über den Marktplatz, verteilen Kerzen und laden ein, diese beim Allerheiligsten anzuzünden und hinzustellen. Vor der Kirche werden sie am Teestand begrüßt. Das ist der Anlaufpunkt für Menschen, die sich noch nicht in die Kirche trauen. Sie können Fragen stellen und ankommen. Hier bin ich schon in tiefe Gespräche verwickelt worden. Freundliche Helfer begrüßen die Eintretenden. Wer sich nicht traut, nach vorne zu gehen, wird gerne begleitet, um die Schwellenangst zu mindern. Viele schaffen es auch so, die Musik trägt förmlich nach vorne. Hier kann die Kerze entzündet werden. Einige haben vor dem Allerheiligsten gekniet oder gelegen, um zu beten. Das bewegt mich selbst auch immer wieder und regt mich ständig zum Nachdenken an über mein eigenes Leben: Was möchte ich, wo führt mich mein Schicksal hin? Man kann still werden, Gott finden, mit ihm reden und seine aufgeschriebenen Anliegen in ein Körbchen legen, die im Gebet vor Gott getragen werden. Aus einem weiteren Körbchen gibt es ein Wort Gottes als Zitat aus der Bibel. Ich habe erfahren, dass die Textstellen immer exakt auf meine aktuelle Lebenssituation passen. Es gab noch keinen Spruch, bei dem ich gesagt hätte, der passt überhaupt nicht auf mich. Wer sich auf die Atmosphäre eingelassen hat, geht umher, beichtet, lässt sich segnen, betet oder sucht ein geistliches Gespräch. Mit großer Freude sehen wir viele Menschen noch lange bleiben, sich setzen, still werden, beten, der Musik lauschen und Gottes Stimme hören. Auch ich versuche das. Um 21.45 Uhr schließt der Nightfever Abend mit der Komplet, dem Gebet zur Nacht. Durch meinen Dienst bei Nightfever habe ich Antworten auf knifflige Fragen gefunden, das möchte ich anderen Menschen ebenfalls ermöglichen. Deshalb bin ich immer wieder dabei. Robert Baro, 24 Jahre 12 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Mein Freiwilligenjahr: Was bleibt? „Ich habe noch nie so viel vom Leben verstanden. Ich wollte noch nie so sehr die Zeit anhalten. Ich habe ein Stückchen Himmel kennengelernt.“ Mit diesen Gedanken endete mein Freiwilligenjahr über den Einsatz bei Jesuit Volunteers im Hilfszentrum für arbeitende Kinder und Jugendliche „CANAT“ in Piura, im Norden Perus. Nach dem Abitur träumte ich davon, mit einem Koffer voll Neugier und Tatendrang aufzubrechen. Der Sendegedanke der Jesuiten gefiel mir sehr gut. Er bedeutet: „Wer helfen möchte, kann dies überall tun.“ Oder: „Gott weiß schon, was das Beste für Dich ist, er hat einen Plan für Dein Leben.“ Ich vertraute darauf, an einen Ort gesandt zu werden, an dem man mich braucht. In „CANAT“ konnte ich Englisch und Blockflöte unterrichten und die Kinder bei ihren Schulaufgaben und Problemen unterstützen. Ziel des Hilfszentrums ist es, den arbeitenden Kindern und Jugendlichen Piuras eine bessere Zukunft zu ermöglichen und an einer verantwortungsvollen Gesellschaft mitzuwirken. Peru ist ein Teil von mir geworden und oft vermisse ich mein Leben dort. Natürlich war es nicht immer leicht: Es gab Tage, an denen ich vor Wut über die himmelschreiende Ungerechtigkeit beinah verzweifelte und manchmal hinter „Gott“ ein riesengroßes Fragezeichen setzte. Aber ich habe dennoch einen Sinn in meinem Tun gesehen und war jeden Tag zumindest für einige Augenblicke sehr glücklich. Ich sehe meine Verantwortung nun, da ich nicht mehr in Peru bin, in meinem Leben in Deutschland. Auch hier gibt es soziale Ungerechtigkeit, die man nicht verdrängen sollte. „Niemand kann sich seiner Verantwortung entziehen. Niemand kann sich die Augen oder Ohren bedecken, verstummen oder sich die Hände abschneiden. Wir alle haben eine Pflicht, zu lieben.“ So denke ich heute. Ich habe offene Augen, mit denen ich seit Peru noch viel intensiver sehe, Ohren, die weit mehr verstehen gelernt haben, als bloß eine weitere Sprache und Hände, die zu so vielem fähig sind. Und ich habe ein Herz, das seit Peru gewachsen ist. Peru war erst der Anfang. Sophia Gebhard 13 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: privat

Mystik und Politik Ignatianische Pädagogik in der Jugendverbandsarbeit der KSJ Es liegt im Ideal der jesuitischen Jugendverbandsarbeit, dass Jugendliche nicht nur fromme Christen werden sollen, sondern befähigt werden, aus ihrem Glauben heraus aktiv Gesellschaft und Kirche zu prägen. Aus dem Bund Neudeutschland (ND) ist die Katholische Studierende Jugend (KSJ) hervorgegangen, die heute natürlich anders Jugendarbeit betreibt als vor 80 Jahren – als sich die NDer aus religiöser Überzeugung weigerten, der Hitlerjugend beizutreten und verboten wurden. Jedoch mit derselben Ausrichtung: Raum zu geben für die Entwicklung mündiger und verantwortungsbewusster Jugendlicher, die versuchen, aus ihrer religiösen Prägung heraus, Welt und Gesellschaft gerechter und menschlicher zu machen; in anderen Worten: das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen. Ohne gewisse Grundsätze ist dies nicht möglich. Durch den Verband und die ignatianische Pädagogik werden den Jugendlichen Struktur, Rahmen und Ordnung gegeben, die nicht als Einengung empfunden werden, sondern Freiräume eröffnen, in denen das Glaubenserlebnis seinen Raum findet und praktizierte Demokratie verwirklicht werden kann. Unabdingbar ist hier das Reflektieren: sowohl des Gemeinschaftserlebens in der Gruppe als auch das individuelle Suchen und Finden der Spuren Gottes im eigenen Leben. Eröffnen sich hierdurch vielleicht auch für uns Erwachsene in der Jugendarbeit neue Sichtweisen auf Glauben, Gemeinschaft und Gotteserfahrung? Neben katholischen kommen auch protestantische Jugendliche in unsere Jugendzentren – auch wenige Muslime. Einen Bekenntniszwang gibt es bei uns nicht. Jedoch feste Orte, wie religiöse Morgenanfänge und Abendabschlüsse, Gottesdienste und fest verankerte Gebete vor Mahlzeiten und besonderen Ereignissen wie Wahlen zu unseren Gremien. Dabei bin nicht ich es, als Geistlicher Leiter, der all dies durchführt. Es sind die Jugendlichen, die dieses gestalten. So kommt ihre Sprache, ihre Lebens14 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Herr, du bist für uns wie eine Brücke im Leben. Du bringst uns sicher an das andere Ufer. Denn die Flut ist die Angst, die Brücke sagt uns: „Hier kommst du sicher hinüber, hier bist du geschützt!“ Die Brücke verbindet das Leid und die Angst mit dem Glück und der Freude. Aber ich weiß, dass du immer bei mir bist, mich schützt und mir Geborgenheit gibst.

15 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube welt in die Gottesbegegnung, und sie sitzen nicht passiv dabei. Hier geschieht Befähigung zur aktiven Teilnahme an liturgischen Feiern. Diese Dimension hat heute eine große Dringlichkeit, da der Priestermangel verstärkt nach engagierten Christen in den Gemeinden verlangt, die sich trauen, liturgische Feiern zu gestalten und durchzuführen. Unsere Jugendverbände haben sich dem Prinzip „Jugend leitet Jugend“ verschrieben. Verantwortungsübernahme muss geübt werden. Die Erfahrung lehrt, dass Wachsen und Reifen insbesondere durch Herausforderungen geschieht. Schon mit 14 Jahren bekommen Jugendliche bei uns die Gelegenheit, Verantwortung für Gruppenkinder zu übernehmen. Dabei helfen sie in ihrem ehrenamtlichen Engagement Kindern, Gemeinschaft zu erleben, in der sie nicht nur spielen, sondern auch ihr Leben teilen – mit allen Höhen und Tiefen. Sie lernen Empathie für das Befinden des Anderen, genauso ein Gefühl für aufbauende und mahnende Worte. Fehlerfreundlichkeit wird hierbei großgeschrieben. Zugleich lernen sie mit Widersprüchlichkeiten und Kritik umzugehen. Hierdurch werden sie zu verantwortungsvollen und reifen Persönlichkeiten, die in der Lage sind, ihre Zukunft und die der Gesellschaft zu gestalten. Felix Schaich SJ Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg

Gebrochener Glaube Das erste Mal ist es mir mit 18 passiert: In der Gebetsgruppe, wo ich kurz zuvor zum Glauben gefunden hatte, sagte ich, dass Gott ein Tyrann ist, ein Diktator, der unbedingten Gehorsam verlangt. Ich wäre fast aus der Gruppe geflogen. Dass mein Gottesbild weniger mit Erfahrungen mit Gott zu tun hatte und mehr mit dem, was ich in meiner Familie erlebte, hat niemand von uns gesehen. Viele Jahre später, in der Kapelle einer psychiatrischen Klinik, habe ich Gott gedanklich zweigeteilt: Der Vater wurde zu demjenigen, der verantwortlich war für das, was ich erleben musste, der mir Misshandlungen zugemutet hatte, die mich mit einer Traumafolge- und einer BorderlineStörung hierher gebracht hatten. Ein Gott, mit dem ich nichts zu tun haben wollte. Jesus dagegen war mein Helfer. Der auf meiner Seite steht und ganz sicher nicht wollte, was ich erleben musste. Der Mitleid hat und retten kann. Dass das theologisch nicht sauber ist, war mir bewusst – aber auch, dass ich elend angewiesen war auf einen helfenden Gott und den nicht in meinem Gott-Vater-Bild finden konnte. Diese Zweiteilung Gottes habe ich zu einem gewissen Grad bis heute beibehalten: Dass mich mein Vater geschädigt hat, hatte zur Konsequenz, dass ich mit Gott als Vater Positives kaum verbinden kann, damit müssen Gott und ich leben. Mehr zu schaffen machen mir die Folgen der Rolle, die meine Mutter eingenommen hat: Hilflos und überfordert hat sie zugesehen, mich physisch und emotional verwahrlosen lassen, oft denke ich, sie konnte nichts tun. Das ist heute meine größte Angst, wenn ich mit Jesus ins Gespräch komme: Dass er mir vielleicht nicht helfen kann. Dass er vielleicht so weit gegangen ist in seinem Gleich-Werden mit den Leidenden, dass er jetzt außerstande ist, noch irgendetwas zu tun. Wenn ich das glaube, bleibt mir als Ausweg nur noch der Suizid, um mit Jesus zu sein, der mich liebt. Es ist mir ungeheuer wichtig, dass Jesus mit-leidet mit mir. Aber auch, dass er derjenige ist, der alles zulässt, was mir geschieht – und der nicht erlauben wird, dass ich völlig verzweifeln muss. Da fühle ich mich verbunden mit vielen Menschen, die leiden – wir brauchen einen starken Gott, vielleicht mehr als Menschen, die ihr Leben gut bewältigen. Auf der anderen Seite, da wo Gott nicht ist, steht eine innere Stimme, die aus denen hervorgegangen ist, die mich geschädigt haben. Die mir sagt, dass ich unerträglich bin und Strafe verdient habe, mich zum Suizid drängt, weil die Welt ein besserer Ort wäre ohne mich. Der „Feind der menschlichen Natur“, der Teufel, jemand, den es zu bekämpfen gilt. Ich tue mich schwer mit Versuchen, negative 16 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Persönlichkeitsanteile zu integrieren, weil meine so unbedingt lebensfeindlich sind. Als mein geistlicher Begleiter erkannt hat, dass ich ihm und Gott tatsächlich nicht vertrauen kann, war das eine große Erleichterung für mich. Das ist eine Folge meiner Verletzungen, vieles davon kann heilen, einiges wird mein Leben lang so bleiben. Meine massive Bindungsstörung wird mir nahe Kontakte immer schwer machen. Meine Beziehung zu Gott ist für Menschen, die nichts von meinen Erfahrungen teilen, fremd – und ich wünsche mir, dass sie so sein darf. Dass ich so sein darf, wie ich geworden bin. Ich glaube an einen Gott, der selbst gebrochen worden ist und trotzdem Retter. Der Menschen, die gebrochen sind, seine Nachfolge zutraut – auch wenn sie unter Folgen leiden. Aber ich erfahre immer wieder Unverständnis, auch von Menschen, die sich als progressiv und offen erleben. Das zwingt mich, zu überlegen, wie viel ich anderen von mir zeigen kann, ohne Ablehnung zu riskieren. Ich meine doch, dass meine Erfahrungen und meine Gottesbilder, so wie ich geworden bin, wertvoll sein könnten für Menschen, die sie nicht teilen mussten. Die Autorin dieses Textes ist heute 47 Jahre alt und möchte, aus Angst vor ihrem Vater, von dem sie weiß, dass er sie von ihrem dritten Lebensjahr an misshandelt hat, anonym bleiben. Der Name ist der Redaktion bekannt. 17 © long8614/shutterstock.com Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Glauben Sie an Gott, Herr Bischof? 1977 bin ich zum Bischof geweiht worden. Seither firme ich jedes Jahr einige hundert junge Leute. Ich sollte mit ihnen vor der Firmung Kontakt aufnehmen. Da kam mir der Gedanke, sie zu bitten, mir Briefe zu schreiben, und das tun sie seither auch. Ich habe viele Tausend davon in meinem Archiv. Eine Auslese habe ich in meinem Buch „Glauben Sie an Gott, Herr Bischof“ (Tyrolia-Verlag, Innsbruck-Wien) veröffentlicht. Die Qualität der Briefe ist sehr unterschiedlich, von kurz und jugendlich salopp bis zu mehreren Seiten, in denen sie mir ihre ganze Lebensgeschichte anvertrauen. Sehr tief berührt die Jugendlichen die Frage nach Gott. Vor allem, ob es wirklich einen guten Gott geben kann, der so viel Katastrophen, Elend, Krieg und Terror zulässt. Der Kirche als Institution stehen sie oft sehr reserviert gegenüber. Sie schätzen erlebte Gemeinschaft da und dort, vor allem bei großen Events. Dennoch haben sie das Empfinden, die Kirche sei rückständig, gehe nicht mit der Zeit, redet zu viel über Gebote und Verbote als über das Glück im Leben. Die Form der Firmvorbereitung, die mindestens ein Jahr dauert, schätzen sie meist. Bei der Predigt zitiere ich immer aus den Briefen, ohne Namen zu nennen. So bin ich immer „aktuell“, die Firmlinge aber hören neugierig und konzentriert zu. Kevin: Ich spüre Gott im Frühling, wenn alles blüht und wächst, im Sommer die Sonne scheint und die Leute lachen und fröhlich sind. Im Herbst, wenn die Ernte ist, und im Winter, wenn alles einschläft und neue Kraft sammelt für den Frühling. Ich bin mir sicher, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Elisabeth: Ich nütze die Zeit während der Messe meistens zur stillen Besinnung, zum Nachdenken über mein eigenes Wesen. Sehr häufig gehen mir auch Fragen über ein Leben nach dem Tod durch den Kopf. Mich würde z.B. interessieren, ob Tote noch an etwas denken oder ob in der Minute, in der ihr Herz stehen bleibt, auch ihr Gedächtnis zusammenfällt. Würden Sie dieses Verhalten während einer Messe als „geistesabwesend“ bezeichnen? 15jähriger Firmling: Als Kind bin ich gern in die Kirche gegangen. Ich habe geglaubt, an Gott, an Jesus und ich hatte ein Kreuz über meinem Bett hängen. Als ich älter wurde, habe ich allmählich begriffen, dass 18 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Die Frage nach Gott berührt Jugendliche sehr tief

Gott anscheinend manchmal nicht da ist oder einfach nicht zuhört. Mit 12 Jahren fing ich an, Nachrichten zu schauen und habe erfahren, dass Kinder in Afrika verhungern und Säuglinge sterben, bevor sie lernen zu lachen. Darauf habe ich aufgehört zu beten, und ich habe das Kreuz über meinem Bett meiner Schwester geschenkt. Hätte ich die Möglichkeit gehabt, ich wäre damals wohl aus der Kirche ausgetreten. Sarah: Der Glaube gibt ein Gefühl an Wärme und an Vertrauen, genauso wie Liebe und er gibt mir Sicherheit im weiteren Leben. Roman: Ich habe einen sehr starken Glauben. Ich habe trotzdem Zweifel an der Dreifaltigkeit. Wie kann ein Mensch drei Personen gleichzeitig sein? Zum Beispiel bei der Kreuzigung Jesu. Bevor er gestorben ist, rief er: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Ich verstehe nicht, warum er so rief, wenn er Gottes Sohn ist. Oder ist er Gott? Oder sind es drei verschiedene Personen? Ich hoffe, Sie können mir helfen. René: Ich bete schon fast immer mindestens einmal am Tag, denn es gehört dazu, wenn man an Gott glaubt, dass man auch mit ihm redet, denn wenn man nicht betet, wäre das so, wie wenn ich mit meiner Mutter noch nie geredet hätte. Cornelia: Ich werde als Christ nicht anders leben als ein Nichtchrist. Ich werde am Sonntag nicht in die Kirche gehen und jeden Abend beten. Ich werde mich einfach um meine Mitmenschen bemühen und schauen, dass sie es mit mir nicht ganz so schwer haben. Das heißt für mich Christsein: Menschen zu helfen. Ich bitte Sie, mich trotzdem zu firmen. David: Ich wollte Sie noch fragen, ob Sie an Gott glauben, und wenn ja, warum? Weihbischof Helmut Krätzl 19 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: privat Weihbischof Helmut Krätzl, Wien

Ein Blick zurück nach vorn Die Welt scheint sich nur noch als ein LiveTicker zu ereignen. Zumindest kann man in der Arbeit mit Jugendlichen diesen Eindruck gewinnen. Denn der immer wieder gerichtete Blick auf das Smartphone gibt den Lebensrhythmus vor, und der lautet: Jetzt ist der Moment, in dem das Leben stattfindet und in dem alles irgendwie im Fluss ist. Diesen Blick der Jugendlichen vom Display immer wieder neu auf die sie tatsächlich live umgebende Welt zu richten, ist ein Element der ignatianisch geprägten Jugendarbeit, zum Beispiel im Jugendverband der Katholischen Studierenden Jugend (KSJ) in Hamburg und Berlin. Ignatius hat den Jesuiten aufgetragen, dass sie in der Mitte und am Ende des Tages für eine Viertelstunde im Gebet innehalten sollen, um Rückblick auf das zu halten, was an diesem Tag um sie herum passiert ist – das Examen. Für die Jugendarbeit könnte man diesen Blick zurück gut mit dem Versuch eines tieferen Blickes hinter die Kulissen übersetzen. Das Fundament unserer Jugendverbandsarbeit ist die Überzeugung, dass Jugendliche vor allem dadurch wachsen, dass ihnen größtmögliche Verantwortung übertragen und ihnen die Freiheit zur Gestaltung eingeräumt wird. Nur wenn Jugendliche sich ernst genommen fühlen, dann sind sie auch bereit einen großen Teil ihrer Freizeit u.a. in wöchentlichen Gruppenstunden und zweiwöchigen Som- merlagern über mehrere Jahre hinweg in den Dienst für andere Kinder und Jugendliche zu stellen. Diese Verantwortung und Freiheit brauchen allerdings auch einen Rahmen, der die Jugendlichen schützt und stützt. Ein wichtiger Baustein dafür sind verschiedene Elemente der Reflexion, die in unter20 Schwerpunkt Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Foto: Sankt-Ansgar/KSJ, Hamburg Mein Gott, mein Leben ohne dich ist wie ein Zug ohne Schienen, Lokführer und Strom. Du gibst mir ein Ziel und weist mir die Schienen für den richtigen Weg. Gott, du bist wie ein Fahrplan, mit dir gehe ich jede Meile. Mein Gott, mein Leben ohne dich ist wie ein Buch ohne Seiten. Du füllst mein Leben mit Inhalt und Wahrheit. Du bist der Verfasser meines Lebens. Die Zeilen meiner Vergangenheit lässt du hinter dir und meiner Zukunft schenkst du Glück. Mein Gott, mein Leben ohne dich, ist wie ein Baum ohne Wurzeln. Du setzt mir eine Baumkrone auf, damit ich mich wie ein König fühle. Du gibst meinen Zweigen Kraft und Festigkeit. Mein Gott, ohne dich hätte ich das alles nicht. Dank sei dir, dass es dich gibt.

schiedlicher Form zum Standard unserer Veranstaltungen gehören: neben eigenen „Reflex“-Wochenenden nach Sommerlagern und größeren Events mit den jugendlichen Leitern sind allabendliche Zeltrunden mit den Gruppenmitgliedern und die Befindlichkeitsrunden am Beginn einer Leiterrunde nicht wegzudenkende Institutionen. Auch in Gottesdiensten findet diese Reflexion Raum in persönlichen Gebeten, Dank und Fürbitten. So ist es faszinierend zu beobachten, wie die Jugendlichen mit den Jahren in ihrer persönlichen Reflexionsfähigkeit immer mehr wachsen: Der Blick hinter die Kulissen weitet und vertieft sich. Mit dieser Horizonterweiterung verbindet sich auch immer mehr die Aufmerksamkeit für die anderen Menschen, sodass zum Beispiel bei der Auswertung einer Spieleeinheit nicht nur auf das äußere Gelingen oder Misslingen geschaut wird, sondern immer mehr auch die einzelnen Kinder und Jugendlichen in den Blick kommen. Die vielfältigen Formen der Reflexion geben den Jugendlichen das Handwerkszeug, damit die zahllosen Erlebnisse im Alltag nicht einfach nur an ihnen vorbeiziehen, sondern zu echten Erfahrungen werden können. So ist der Blick zurück, der beste Blick nach vorn. Clemens Kascholke SJ 21 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube

Augen des Glaubens Vor Jahrzehnten wollte ich die Wendung Jesu erklären: „Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ...“. Ich machte eine Sonntagsaushilfe im Schwäbischen und kannte den Gemeinderatsvorsitzenden. Er hatte eine Tochter von 10 Jahren. Ich bat das Mädchen: „Marion, wenn ich dich während der Predigt rufe, dann komm einfach aus der Bank, geh zu mir nach vorne und schau mich an.“ Die Aufgabe war leicht und das Mädchen spielte mit. Ich stand vor dem Mittelgang, drei Stufen erhöht, Marion blieb vor der untersten Stufe stehen und schaute hoch zu mir. Ich sagte: „Seht her, die Marion blickt nach oben. Ein Kind muss, weil es klein ist, zu den Erwachsenen hoch schauen.“ So deutete ich das Wort und Kindsein Jesu: „Wird in den Evangelien nicht oft erzählt, dass Jesus zum Himmel, zu seinem Abba aufblickt? War nicht das gläubige Aufblicken zum Vater seine Speise, sein Lebensinhalt?“ Mit der Zeit kamen mir Zweifel an meiner Auslegung. Ich sagte mir: „Definierst du das Kindsein nicht zu sehr vom Erwachsenen her? Ist das nicht eine autoritäre Grundkonzeption?“ Ich machte das Experiment nochmals und rief bei einer Predigt ein viel jüngeres Kind, das bei seinem Vater noch auf dem Schoß saß. Es war vielleicht drei Jahre alt und bewegte sich noch unsicher auf den Beinen. Ich bückte mich etwas, schaute das Kind an und rief es. Der Papa ermutigte die Kleine, und sie stapfte ein paar Schritte allein durch den Mittelgang. Zu mir hoch schauen; das konnte ich vergessen. Das Kleinkind blickte mit großen Augen vor sich hin, und ich musste mich noch tiefer hinab bücken, um ihm in die Augen zu schauen. Jetzt hatte ich eine ganz andere Predigt und fragte: „Was macht das Kind zu einem Kind?“ Die Antwort: „Ein kleines Kind nimmt die Welt mit den Augen wahr. Es schaut mit offenen Augen in die Welt. Rückenstärkung dazu gibt die Liebe der Eltern. Der liebevolle Blick der Erwachsenen hilft einem Kind, die Welt mit großen, staunenden Augen zu entdecken.“ Ich konnte jetzt das Kindsein Jesu ganz anders deuten: „Jesus war ein Augenmensch. Das Auge war für ihn das Licht des Leibes (Mt 6,22). Er hatte den ganzheitlichen Blick für die Wirklichkeit, nicht den Schauklappenblick des Richtens und Urteilens. Er konnte mitten aus dem Alltagsgeschehen und mit ungewöhnlichen Begebenheiten das Wirken Gottes aufzeigen und in Geschichten kleiden. Die Natur war für ihn ein offenes Bilderbuch Gottes. Er lebte aus einer unverstellten Grundbeziehung zu Gott. Weil er um den liebenden Blick seines Abba wusste, konnte er Menschen bis auf den Grund ihrer Seele blicken, sah Heilungs- und Hoffnungskräfte in jedem, 22 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Geistlicher Impuls

sah aber auch das Verstockte, Ichbezogene und Oberflächliche im Menschen.“ Ich übertrug das auf unseren Glaubensprozess: „Wir alle wurden als Kinder mit offenen Augen geboren und haben die Welt staunend wie ein Wunder wahrgenommen. Auf die frühe Kindheit folgte eine lange Phase, in der wir von anderen lernten, wie wir in der Welt zurechtkommen können. Gute Pädagogen und Mystagogen helfen uns bei unserem Wachstumsprozess. Doch der Glaube des Heranwachsenden muss zum Erwachsenenglauben werden – nicht mehr nur aufgrund der Autorität anderer, sondern, herangereift durch eigene Erfahrungen, aus eigener, innerer Überzeugungskraft. So wird Glaube „sehend“. „Wie die Kinder werden“ heißt dann: mit neuer, nachkritischer Ursprünglichkeit in die Welt schauen, das Geheimnis Gottes in allem erspüren, sich am Schönen erfreuen und das Böse von der Wurzel her durchschauen. Glaube lebt aus dem untrennbaren Ineinander von Sehen und Nicht-Sehen. Alles Vergängliche kann zum Gleichnis werden, zum Hinweis auf eine Wirklichkeit, die unser Begreifen und unser sinnliches Wahrnehmen übersteigt. Gott ist geheimnisvoll in allem und gleichzeitig über alles hinaus. Die offenen und die geschlossenen Augen werden zum Symbol des Glaubens. Beides gilt: „Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen.“ (Mt 11,6) Aber auch: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20,29) Karl Kern SJ © 324757571/shutterstock.com

Nachrichten Neues aus dem Jesuitenorden Priesterweihe in St. Michael in München Am 24. Oktober wurden in der Jesuitenkirche St. Michael in München Fabian Loudwin, Christian Braunigger und Gunnar Bauer vom Apostolischen Nuntius, Erzbischof Nikola Eterović, Berlin, zu Priestern geweiht. Die Neupriester setzen ihren Weg im Orden nun an unterschiedlichen Einsatzstellen fort: Gunnar Bauer als Kaplan in St. Michael in München, Christian Braunigger als Studentenpfarrer in der KSG Leipzig und Fabian Loudwin als Kaplan in der Jesuitenkirche St. Ignatius in Frankfurt. Erste Gelübde Fünf junge Jesuiten haben am 6. September in St. Klara in Nürnberg zum Abschluss des zweijährigen Noviziats ihre Ersten Gelübde abgelegt und damit ihren Eintritt in den Orden vollzogen: zwei für die Deutsche, zwei für die Schweizer und einer für die Österreichische Provinz. Die neuen „Scholastiker“ – wie sie im Orden genannt werden – setzen ihre Ausbildung an verschiedenen Orten fort: in Paris bzw. München zum Studium, im Kosovo für einen Sprachaufenthalt, in Bonn zur Jugendarbeit, in Nürnberg zur Mitarbeit in einem Freiwilligendienst (Jesuit Volunteers) und in Wien in der Berufungspastoral. 24 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Erzbischof Eterović legt Fabian Loudwin die Hände auf. Erzbischof Eterović reicht Christian Braunigger den Kelch. © SJ-Bild/Rahn

Noviziat der Jesuiten: Eine große Spannbreite und ein Ziel Am 13. September sind sechs Novizen in das Noviziat der Jesuiten in Nürnberg eingetreten: vier für die Deutsche Provinz der Jesuiten, einer für die Schweizer Provinz und einer für die Litauische Provinz. Zusammen mit einem italienisch stämmigen Schweizer und einem Deutschen, die bereits das zweite Jahr absolvieren, sowie vier Jesuiten, die in der Ausbildung der Novizen mitwirken bzw. im Haus mitleben und anderen Aufgaben nachgehen, wächst die Kommunität damit auf zwölf Mitbrüder an. Zunehmend zeigt sich, dass sich das Noviziat in Nürnberg zu einem internationalen Haus entwickelt, wo Menschen aus verschiedenen Ländern und mit verschiedenen Muttersprachen zusammen kommen. „Das finde ich sehr spannend und passend – gerade angesichts der Entwicklungen in Deutschland, wo immer mehr Menschen mit den unterschiedlichsten nationalen Hintergründen zusammenleben“ – meint der neue Novizenmeister Thomas Hollweck SJ, der selber erst seit 1. Juli im Amt ist. Das Alter der Novizen reicht von 19 bis 48. Das Durchschnittsalter liegt – wie im Jahr zuvor auch – bei 33 Jahren. Die Biographien sind durchaus sehr unterschiedlich. Was sie vorher gemacht haben, reicht von abgeschlossenen Studien über technische oder soziale Berufe bis hin zur Tätigkeit als Priester in einer Diözese. Bei all dieser Spannbreite, bei aller persönlichen Verschiedenheit und bei aller Weite in den persönlichen Motivationen verbindet sie jetzt ein gemeinsames Ziel. Benedikt Lautenbacher SJ wird „Fundraiser“ der Jesuiten Pater Benedikt Lautenbacher hat zum 1. Oktober die Leitung der Projektförderung übernommen und damit Pater Eberhard von Gemmingen als „Fundraiser“ der Deutschen Provinz der Jesuiten abgelöst. Zum Amtswechsel hatten die Jesuiten zu einem festlichen Abend mit Pater Provinzial sowie geladenen Gästen aus dem Kreis der Freunde und Förderer des Ordens nach St. Michael in München eingeladen. Pater von Gemmingen, der seit 2010 die Projektförderung in München geleitet hatte, verwies auf die Herausforderung, das „Spenden Betteln“ zu 25 Jesuiten n November 2015 n Junger Glaube Im Noviziat in Nürnberg (v.l.n.r.): Lukas Ambrasiejus, Arndt Gysler, Manfred Grimm, Mathias Werfeli, Dag Heinrichowski und Ansbert Junk. © SJ-Bild

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