Jesuiten 2015-4

sah aber auch das Verstockte, Ichbezogene und Oberflächliche im Menschen.“ Ich übertrug das auf unseren Glaubensprozess: „Wir alle wurden als Kinder mit offenen Augen geboren und haben die Welt staunend wie ein Wunder wahrgenommen. Auf die frühe Kindheit folgte eine lange Phase, in der wir von anderen lernten, wie wir in der Welt zurechtkommen können. Gute Pädagogen und Mystagogen helfen uns bei unserem Wachstumsprozess. Doch der Glaube des Heranwachsenden muss zum Erwachsenenglauben werden – nicht mehr nur aufgrund der Autorität anderer, sondern, herangereift durch eigene Erfahrungen, aus eigener, innerer Überzeugungskraft. So wird Glaube „sehend“. „Wie die Kinder werden“ heißt dann: mit neuer, nachkritischer Ursprünglichkeit in die Welt schauen, das Geheimnis Gottes in allem erspüren, sich am Schönen erfreuen und das Böse von der Wurzel her durchschauen. Glaube lebt aus dem untrennbaren Ineinander von Sehen und Nicht-Sehen. Alles Vergängliche kann zum Gleichnis werden, zum Hinweis auf eine Wirklichkeit, die unser Begreifen und unser sinnliches Wahrnehmen übersteigt. Gott ist geheimnisvoll in allem und gleichzeitig über alles hinaus. Die offenen und die geschlossenen Augen werden zum Symbol des Glaubens. Beides gilt: „Ihr aber seid selig, denn eure Augen sehen.“ (Mt 11,6) Aber auch: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ (Joh 20,29) Karl Kern SJ © 324757571/shutterstock.com

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