Jesuiten 2016-1

Aksel – und wer beschenkt wen? Eines Tages wurde er zu mir geschickt während meines Praktikums in einer Unterkunft für Straßenkinder in Sofia. Aufgefallen war mir dieser schüchterne Junge immer wieder in den Tagen zuvor. Anders als die vielen anderen Kinder tauchte er mit seiner Plastiktüte erst auf, wenn die anderen bereits beim Essen waren. Dann ging er rasch duschen und verschwand wieder. Doch an diesem Abend kam er mit einem Sozialarbeiter zu mir. Ob ich mir seine Füße anschauen könne. Da sei was. Im Krankenzimmer sah ich mir die Sache genauer an. Fußpilz an beiden Füßen. Mit Hilfe eines Dolmetschers vereinbarten wir, dass er ab sofort am Morgen und am Abend vorbei kommen sollte, um die Füße zu behandeln. So trafen wir uns Tag für Tag in den verbleibenden Wochen meines Aufenthaltes. Aksel sprach keine mir geläufige Sprache, ich kein Bulgarisch. Und doch unterhielten wir uns, während ich ihm die Füße wusch und sie eincremte. Eines Tages brachte er ein kleines gelbes Spielzeugauto mit, seinen „Camion“. Stolz zeigte er ihn mir. Es war sein Schatz. Wir stritten uns, ob es ein bulgarischer oder deutscher „Camion“ sei. Doch nach der Behandlung packte er ihn wieder sorgfältig in seine Plastiktüte ein und nahm ihn mit. Langsam fand er Vertrauen zu mir. Eines Tages gelang es, ihn zu überreden und wir gingen nach unserer Verabredung gemeinsam zum Abendessen. Anfangs blickte er ängstlich umher. Mit der Zeit fand er mehr und mehr Gefallen. Ich erfuhr, dass er sein Geld mit dem Waschen von Autoscheiben an einer Straßenkreuzung verdiente. Was er nicht brauchte, sparte er. Als der Moment meiner Rückreise kam, erklärte ihm ein Sozialarbeiter, dass ich nun gehen müsse. Ich konnte nicht länger bleiben. Aksel wollte unbedingt mit mir kommen. Auf die Frage, wie er mit nach Deutschland kommen wolle, zeigte er stolz sein verdientes Geld. Und was wolle er dann in Deutschland machen? Na, er würde schon irgendeine Arbeit finden. Aus der gemeinsamen Reise nach Deutschland wurde nichts. Zwei Monate später erhielt ich ein Kuvert. Ein Mitbruder war zu Besuch in Sofia und Aksel hatte es mitbekommen. Er gab ihm ein kleines Päckchen für mich mit. Als ich es öffnete, fand ich das kleine gelbe Auto wieder. Es ist das größte Geschenk, das ich in den vergangenen Jahren zusammen mit den Erinnerungen an Aksel bekommen habe. Claus Pfuff SJ 17 JESUITEN n MÄRZ 2016 n DER BARMHERZIGE SAMARITER

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==