Jesuiten 2016-2

Die Predigt der ersten Jesuiten „Vorlesung im Messgewand“ – so nannten Seminaristen vor einigen Jahren die Predigten der Jesuiten in den Sankt Georgener Gottesdiensten. Ob zu Recht oder zu Unrecht – man kritisierte die Predigten als zu abstrakt-akademisch, belehrend und zu lang. Dabei gehört das Predigen zu den wichtigsten Aufgaben des Jesuitenordens und wird als Dienst am Wort Gottes in den Gründungstexten noch vor den spirituellen Diensten und den Werken der Liebe genannt. Ignatius und seine Gefährten predigten nach ihrer Priesterweihe so, dass sie auf die Straßen hinausgingen. Sie wollten die Praxis Jesu und seiner Jünger nachahmen. Die ersten Jesuiten predigten auf Marktplätzen, in Hospitälern, Gefängnissen und Gasthäusern. Manchmal waren ihre Methoden so unorthodox (etwa indem sie barfuß und mit Kreuzen auf dem Rücken durch die Straßen liefen), dass sie nicht nur bei offiziellen Stellen, sondern bei Ignatius selbst höchste Missbilligung fanden. Die Predigt der ersten Jesuiten wollte nicht nur belehren, sondern auch die Zuhörer bewegen. Jesuitenpredigten enthielten Worte, die Wirkung zeigten: wie beispielsweise in Genua, wo die Stadt nach der Predigt von P. Laínez ihre Verträge überprüfte, um den Gewinn aus Wucherzinsen einzustellen. Die Predigten sollten aber auch emotional bewegend sein. Aus Schmerz oder aus Freude flossen Tränen, gelegentlich fielen Zuhörer auch in Ohnmacht – immerhin 400 Jahre vor den Beatles. Um Menschen zu bewegen, muss man jedoch auch etwas zu sagen haben. Die Satzungen des Ordens empfehlen deshalb ein gründliches Studium der Heiligen Schrift und entsprechende Predigtübungen. Worüber predigten Ignatius und die ersten Jesuiten? Von Ignatius ist nicht direkt eine Predigt, wohl aber eine „Summe der Predigten von Magister Ignatius über die christliche Lehre“ überliefert. Darin werden die Beichte, die zehn Gebote, die sieben Hauptsünden, die leiblichen und die geistlichen Werke der Barmherzigkeit behandelt. Neben diesen klassischen Themen der Katechese haben die Jesuiten jedoch nicht nur über die Laster und die Heilmittel gegen die Sünde gepredigt. Die positive Lehre sollte die Verkündigung prägen. Das bedeutete, theologische Streitereien mit protestantischen Predigern zu vermeiden. Vor allen Dingen wollten die Jesuiten darüber predigen, wie tröstend, sinnvoll und gut es ist, sich um ein aufrichtiges christliches Leben zu bemühen; Unrecht und Sünde zu vermeiden und sich barmherzig gegenüber den Notleidenden zu zeigen. Bei aller gründlichen Ausbildung zum Predigtdienst war der charismatische Aspekt des Predigens für die ersten Jesuiten ebenso wichtig wie der amtliche. Jesuiten in der Ausbildung und theologisch Ungebildete konnten predigen, wenn sie durch ihr Gebetsleben eine tiefe Vertrautheit 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2016

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