Jesuiten 2016-2

4 Als Predigten noch ein Event waren Verkündigung in der Frühzeit der Kirche Keineswegs zufällig steht „und Gott sprach“ am Anfang der jüdisch-christlichen Glaubensgeschichte. Wenn Gott sich sprechend durch „das Wort“ erschließt, wird der Glaube an ihn konsequenterweise mit Worten weitergegeben. Von dieser Einsicht waren die nachbiblischen Verkündiger beseelt. Gott, der „viele Male und auf vielerlei Weise zu uns gesprochen hat“, wurde in der Ausbreitung des Christentums in menschlicher Sprache weitergegeben. Dabei konnte die Zusage „wer euch hört, hört mich“ von Predigern und Zuhörern erfahren werden. Augustinus prägte dafür die Formel: „Christus verkündigt in der Predigt Christus“. Dass Gott im Hier und Heute spricht, wurde am deutlichsten im Gottesdienst erlebt. Dort wurde nach jüdischem Vorbild aus der Heiligen Schrift vorgelesen. Sonntags wurden diese Lesungen auf den christlichen Alltag hin interpretiert. Der General-Schlüssel, mit dem die Frühe Kirche die Texte der Bibel liest und deutet, ist Jesus Christus. Aber es ist nicht einfach die Glaubensverkündigung, die die frühchristliche Predigt zu einer Erfolgsgeschichte werden ließ. Vielmehr wurden die sogenannten Kirchenväter wegen ihrer Vorliebe, sich sprachlich an der Gegenwartskultur ihrer Zeit auszurichten, zu einem Stadtevent. Wenn Johannes, der wegen seiner Predigtkunst den Beinamen Chrysostomus – Goldmund – erhielt, predigte, dann war klar, dass er entsprechend den Regeln antiker Rhetorik neben gutem Stil und stringenter Argumentation die Spannung zwischen Glaubenslehre und Erheiterung seiner Zuhörerschaft zu gestalten wusste. Deshalb waren seine Predigten ein Ereignis, das man sich nicht entgehen ließ, selbst wenn man nicht getauft war. So lässt Chrysostomus keinen Zweifel daran, dass die Hilfe für Bedürftige keine Obergrenzen kennt: „Wenn wir einen Ungläubigen im Unglück sehen, sollen wir ihm Gutes tun und überhaupt allen Unglücklichen ohne Unterschied helfen, besonders aber dem Gläubigen, der in der Welt lebt.“ Solche Worte wurden im kaiserlichen Byzanz als skandalös empfunden. Der Prediger wurde verbannt. Dieser Universalismus bleibt auch angesichts des aktuellen Flüchtlingselends eine Herausforderung. Durch Predigten gelang es, der sich entwickelnden Theologie eine Form zu geben. Darüber hinaus wurden christliche Lebensvorstellungen in einer religiös vielschichtigen Welt – der säkularen Gesellschaft von heute nicht unähnlich – überzeugend vorgestellt. Der äußerlichen Gelehrsamkeit und leeren Geschwätzigkeit heidnischer Redner wird die angeblich schlichte Beredsamkeit und der bescheidene Lebensstil der christlichen SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2016 n PREDIGEN

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