Jesuiten 2016-3

EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser, haben Sie Feinde? Vielleicht werden Sie schnell abwiegeln und sagen, dass „Feind“ ein ziemlich starkes Wort sei und es nicht treffend beschreibe, wenn Sie an Ihre kleinen und großen Konflikte im Alltag denken. Und sowieso, gehört sich dies auch nicht für gute Christenmenschen, einen oder sogar mehrere Feinde zu haben … Aber vielleicht habe ich doch welche? Jemand, der mir Böses angetan hat und vielleicht wieder antun will. Jemand, mit dem ich nicht mehr reden kann und will. Jemand, den ich nicht mag. Jemand, dem ich nicht traue – und zwar, davon bin ich überzeugt, „zu Recht“ nicht? Es ist ja manchmal auch ganz hilfreich, eine alte Feindschaft gut zu pflegen und zu erhalten: Dann weiß ich, dass der oder die andere böse ist und ich eben gut. Dann fühle ich mich auf der richtigen Seite und sicher, und vor allem brauche ich mich nicht zu verändern. Dann sind die Fronten geklärt und ich (und auch mein Gegenüber) kann mich einrichten. Feindbilder erleichtern das so komplizierte Leben. Und ich kann mir auch noch einreden, dass ich um der Wahrheit willen den Feind, indem ich ihn bekämpfe, ja ganz christlich liebe … Letztlich stellt sich dann auch die umgekehrte Frage danach, wem ich zum Feind geworden bin. Denn dies scheint auf der Hand zu liegen: Habe ich Feinde, dann werde ich wohl auch eines anderen Feind sein. Nicht leicht, mir dies einzugestehen … Im Schwerpunktthema dieser Ausgabe geht es um Feindschaft. Dieses Phänomen hat eine zwischenmenschliche und spirituelle, aber auch eine gesellschaftliche und politische Bedeutung. Unter verschiedenen Aspekten möchten wir zu einer Reflexion des Themas einladen, mit Autoren, die aus ganz unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen kommen. Auch unser geistiges Erbe als Jesuiten kann viel zu dem Thema beitragen. Wie kann man mit Feindschaften, ohne sie gleich zu verteufeln, kreativ umgehen? Wie können wir in Spannung und doch versöhnt miteinander leben? Wenn Sie durch die Lektüre ein klein wenig mehr zu einem guten Miteinander und zum Frieden finden, hat diese Ausgabe ihren Zweck schon erreicht. Mit dem Thema Feindschaft haben sich auch Schülerinnen und Schüler eines Theaterkurses der Sankt Ansgar Schule in Hamburg auseinandergesetzt. Die dabei entstandenen Bilder begleiten Sie durch unser Schwerpunktthema. Wir wünschen Ihnen, durch die Lektüre den einen oder anderen Perspektivwechsel, auf sich selbst und die Menschen in ihrem Leben! Clemens Kascholke SJ Björn Mrosko SJ 1 JESUITEN n SEPTEMBER 2016 n MEIN FEIND

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