Jesuiten 2016-3

Kirchenmusik in St. Michael in München Seit über 400 Jahren steht in der Münchner Innenstadt die größte Jesuitenkirche nördlich der Alpen. Seit der Einweihung am 6. Juli 1597 war und ist die festliche Kirchenmusik eines der Aushängeschilder von St. Michael. Die künstlerische Ausrichtung hat sich zwar über die Jahrhunderte mit dem Wandel in der Musikgeschichte immer wieder verändert. Die theologische Ausrichtung der Kirchenmusik in St. Michael scheint aber über diesen doch beachtlichen Zeitraum hinweg als „roter Faden“ eine große Konstanz zu besitzen. Das zweite Vatikanum hat mit seiner Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ in einem eigenen Kirchenmusik-Kapitel den Stellenwert der „musica sacra“ klar zu fassen versucht. Dennoch geht unser Ansatz in St. Michael über diese Zuschreibungen hinaus und das nicht erst seit der Liturgiereform. Ich glaube, dass ein zentrales Anliegen ignatianischer Spiritualität hier seine musikalische Seite nicht nur erkennen lassen, sondern voll zur Entfaltung bringen kann: „Juvare animas – den Seelen helfen.“ Die geistliche Musik in dieser hohen Dichte und als selbstverständlicher Bestandteil der großen Gottesdienste macht das Göttliche für viele Besucherinnen und Besucher von St. Michael berührbar und erfahrbar. Von der Gregorianik über die großen Werke der Wiener Klassik bis hin zur Avantgarde, von der Orgelmusik über a-capella-Chormusik bis zur großen Orchestermesse, vom aktiven Singen im Gemeindelied über Schola- und Kantorengesänge bis zum aktiven Hören von Chor- und Orchestermusik – diesen großen spirituellen Bogen versucht die Michaelsmusik als eigenes Mittel einer Verkündigung jenseits des gesprochenen Wortes zu spannen. Dabei liegen die Herausforderungen in verschiedenen Bereichen: Da ist zunächst der Spagat zwischen dem hohen musikalisch/künstlerischen Anspruch aus Respekt vor dem jeweiligen Werk einerseits und der Funktionalität dieser Musik in der Liturgie andererseits. Wir bemühen uns stets den Werken von der Aufführungsseite so gerecht zu werden, wie es uns mit unseren Mitteln möglich ist. Dies darf bei aller Verantwortung gegenüber den Stücken und aller gebotenen Professionalität im Umgang mit Musik nicht den Blick für eine andere, ganz wesentliche Komponente verstellen. Wenn wir Musikerinnen und Musiker die Klänge im Moment des Singen und Spielens im Sinne des Wortes „von uns gegeben haben“, dann gleicht dies dem Samen aus dem Evangelium, welchen der Sämann ausstreut und von dem er nicht genau weiß, wohin er nun fallen wird (vgl. Mk 4, 1-9). Über die persönliche, emotionale und letztendlich auch spirituelle Wirkung unseres Musizierens „nicht mehr verfügen können“, macht den eigentlichen Reiz unserer Arbeit aus. Zugleich entlastet es die Ausführenden aber auch spürbar, dass sie für die „Wirkung“ von geistlicher Musik eben nicht alleine verantwortlich sind. Wir stellen mit den großen und kleinen Werken der spirituellen Mu30 VORGESTELLT JESUITEN n SEPTEMBER 2016 n MEIN FEIND

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