Jesuiten 2017-1

4 Ökumene der Märtyrer Angesichts der weltweiten Christenverfolgungen spricht Papst Franziskus gerne von der „Ökumene des Blutes“. In unterschiedlichen Variationen formuliert er folgenden Gedanken: „Die Mörder der Christen sind weiter, als wir Christen es sind; sie machen keinen Unterschied, ob Christen katholisch, evangelisch, orthodox, baptistisch oder evangelikal sind; sie töten sie alle, und zwar ausschließlich deswegen, weil sie Christen sind.“ Damit denkt und formuliert Papst Franziskus „die Ökumene der Märtyrer“ weiter, von der bereits Papst Johannes Paul II. in eindrucksvollen Worten sprach. Sich von den Feinden der Christen etwas sagen lassen – ist das nicht zynisch? Keineswegs. Es geht nicht darum, dem Hass der Feinde gegen das Christentum einen legitimierenden Sinn zu verleihen. Vielmehr sieht Papst Franziskus mit geistlichem Blick auf die Christenverfolgung: Gott besiegt bereits in der Geschichte auf verschlüsselte Weise seine Feinde, indem er sie zu seinen Boten macht, obwohl sie genau das gar nicht wollen können. Ähnlich macht er es mit den Dämonen, die Jesus als den Messias bekennen, oder auch mit Kajaphas, der ausgerechnet in der Begründung für sein Todesurteil gegen Jesus „aus prophetischer Eingebung“ (Joh 11,51) spricht, ohne es zu merken. Ähnlich erschließt sich am 10.1.1945 dem Protestanten Helmuth James von Moltke die Wahrheit des Evangeliums aus den Worten seines Blutrichters: „Freisler sagte zu mir in seinen Tiraden: Nur in einem sind das Christentum und wir (Nationalsozialisten) gleich: Wir fordern den ganzen Menschen ... Es war eine Art Dialog, bei dem wir beide uns durch und durch erkannten ...“ Diese Botschaft aus dem Mund und auch aus den Taten der Feinde richtet sich an uns Christen: „Seht doch auf das, was euch verbindet! Es ist das, was die Feinde an euch sehen und weswegen sie euch vernichten wollen. Genau das ist doch das, was euch mehr eint als das, was euch trennt!“ Es ist mir vollkommen unverständlich, warum dieser Zugang zur Ökumene auch im Jahr 2017 praktisch kaum erwähnt und auch theologisch nicht weitergedacht wird. Vielleicht deswegen, weil er unser Schubladendenken zu sehr herausfordert? Weil er uns über die vielleicht oder tatsächlich noch zu klärenden Lehrstreitigkeiten aus dem 16. und 17. Jahrhundert hinausführt? Wenn es so ist – und das glaube ich –, dann klingt aus der „Ökumene der Märtyrer“ ein alter Ruf ganz neu an alle Christen: „Denkt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Klaus Mertes SJ SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Denkt um, und glaubt an das Evangelium!

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