Jesuiten 2017-1

sen erscheint auch mir die konfessionelle Spaltung manchmal noch absurder. Viele warten auf keine „Erlaubnisse“ mehr und gehen dort zum Abendmahl, wo sie es für richtig halten. Und gar nicht wenige lassen ihre Kinder nicht mehr unbedingt in der „eigenen“, sondern in der Konfession taufen, in der am konkreten Ort noch am ehesten die Chance besteht, lebendigen Anschluss an andere engagierte Christen zu finden. Konfessionsfragen sind eben inzwischen auch – je nach Wohnort – Luxusfragen. Und doch scheint es mir geradezu zynisch zu sein, zu warten, bis sich Unterschiede einfach abschleifen. Warum? Wer sagt uns, dass hinter dem, was wir als lästige Unterschiede erleben, nicht ein Reichtum von Erleben und Verstehen verbirgt, den wir noch dringend benötigen? 20% der Schüler am Canisius-Kolleg sind evangelisch und erhalten evangelischen Religionsunterricht. Denn Gemeinschaft zu haben und eine eigene Identität zu entwickeln gehören zusammen. Das ist aber nur die Oberfläche: Tatsächlich entwickeln Katholiken und evangelische Christen ein gemeinsames pädagogisch-katechetisches Programm, um Schülern, die wenig religiöse Sozialisation mitbringen, den Zugang zum Raum religiöser Erfahrung zu erschließen, Stille zu üben, die Schrift zu entdecken und das gemeinsame Singen. Mit einem abgestimmten Lehrplan stellen wir uns gemeinsam den intellektuellen Herausforderungen der modernen, offenen Gesellschaft. Das gemeinsame Arbeiten hat Wertschätzung, Verständnis füreinander und tiefe Freundschaften wachsen lassen. Aber die Nähe nivelliert nicht die Unterschiede. Für mich gehört zu gelebter Ökumene wie zur Freundschaft, den je Anderen offen ans Herz des eigenen Erlebens und Nachdenkens zu laden – eine Einladung, welche die zur offenen, angstfreien Auseinandersetzung einschließt. Gerade, wo uns Christen auf diese Weise eine „ehrliche“ Ökumene der Selbstachtung und des Respekts vor Anderen gelingt, haben wir Instrumente und Modelle des heilenden Dialogs in der Hand, die aktuell dringender gebraucht werden denn je: Für den Dialog mit Muslimen ebenso wie mit vielen säkularen Milieus. Der Ort des Dialogs zwischen unterschiedlichen Kulturen und nach Jahrhunderten gegenseitiger Verwundungen ist seit jeher die Gastfreundschaft beim Mahl. Denn bei Tisch zeigt sich, wer ich bin in aller Unterschiedlichkeit der Traditionen. Für den Fremden und Anderen aber wird die Andersartigkeit geöffnet und versöhnt durch die Gastfreundschaft, an der Einladung teilzuhaben. Es ist der Weg Jesu. Es ist Zeit, diesen Weg unter uns Christen endlich beherzt anzugehen, nicht trotz, sondern wegen unserer Unterschiedlichkeit, als Beginn eines gemeinsamen Engagements für eine humanere, gerechtere Gesellschaft und den Dialog der Kulturen. Tobias Zimmermann SJ 3 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

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