Jesuiten 2017-1

Ökumene? 2017/1 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild: © Stefan Weigand Ausgabe März/2017 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Ökumene in Berlin 4 Ökumene der Märtyrer 6 Die „Friedliche Revolution“ als Frucht der Ökumene 9 Ökumene in Schweden 10 Pannenberg, der passt zu Dir! 12 Mein Leben für die Ökumene 14 Misch-Ehe – aus prinzipiellen Gründen 16 Sehnsucht nach Einheit? 17 Ökumene ist harte Arbeit 18 Tomsk 2017: Ökumenische Herausforderungen 20 Theologische Annäherung zwischen Katholiken und Lutheranern Geistlicher Impuls 22 Die Gewissens-App Aktuell 24 Scorsese: „Silence“ Nachrichten 25 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 29 Verstorbene Medien 29 Grom: Große Frauen und was sie bewegten Vorgestellt 30 KSJ Hamburg 33 Autoren dieser Ausgabe Die besondere Bitte 34 Offen auch für unbequeme Fragen 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, 2017 – das Jahr des Jubiläums: 500 Jahre Luther, 500 Jahre Reformation, 500 Jahre Trennung. Gleichzeitig boomt, vielleicht wie nie, das Wort „Ökumene“. Dieses Wort löst unterschiedliche Reaktionen aus: Bei manchen mag es einen zufriedenen und dankbaren Blick auf einzelne Momente oder auch bereits einen gewachsenen Alltag geben, in dem der gemeinsame Glaube gelingt. Andere werden von der Sehnsucht nach größeren Schritten der Einheit bewegt, manche sind enttäuscht oder auch frustriert. So wie sich bei unendlicher Wiederholung selbst des Lieblingsliedes Langeweile einstellt, mögen auch manche ermüdet sein von dem Dauerthema, und andere fürchten schließlich um ihr eigenes Profil bei zu großer Annäherung. Klar ist bei Skeptikern wie Enthusiasten, dass es bei der Ökumene nicht einfach um einen Einheitsbrei, um faule Kompromisse oder um ein eklektisches Rosinenpicken geht. Diese Idee greift das Bildprogramm auf, mit dem sich auch unser neuer Bildredakteur vorstellt. Wir zeigen ungewöhnliche Kombinationen, die es (noch) nicht gibt und die auf den ersten Blick auch gar nicht zusammenpassen. Und wir stellen Reibungen fest. Aber da, wo Reibung ist, ist noch nicht alles glattgeschliffen. Meistens hakt es, es gibt Verkantungen, und manchmal geht nichts mehr. Aber Reibung bedeutet auch: Da entsteht etwas Neues, wie beim Entzünden des Streichholzes auf der Streichholzfläche. Reibung, Wärme, Funke und Feuer. Unser aktuelles Schwerpunktthema möchte so etwas sein: Der VerkantungsReibung ihren Stellenwert geben – aber eben zugleich zeigen: Ökumene ist etwas, wo das Beste aus verschiedenen Welten zusammenkommen kann. Die Artikel zum Thema Ökumene gehen in einem Dreischritt vor: Wie die Konfessionen miteinander ringen und zueinander kommen, hängt von konkreten Orten ab. Deswegen geht der erste Teil drei Orte ab – Berlin, Leipzig und Stockholm – und zeigt unterschiedliche Facetten. Ökumene prägt zweitens aber auch konkrete Lebensgeschichten: Wir haben deshalb drei Autoren, die auf sehr unterschiedliche Weise mit Kopf und Herz ökumenisch verwickelt sind, gebeten, über ihre Leben zu reflektieren. Der dritte Schritt schließlich versucht sehr vorläufig, Tendenzen zu benennen, und dies mit einem jungen Blick auf die Sehnsucht, einem ehrlichen Blick auf die Mühen sowie zwei Ausblicken – über das westliche Europa hinaus auf das Leben in Russland und die Arbeit in römischen Kommissionen. Wo ist Ökumene? Suchen Sie mit – bei anregender Lektüre! Holger Adler SJ Christian Braunigger SJ Tobias Specker SJ 1 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Ökumene in Berlin Als Kind habe ich lange nicht verstanden, warum meine Mutter, eine Lutheranerin, nicht mit uns zur Kommunion ging. Hatte unser katholischer Pfarrer sie nicht mehrfach freundlich eingeladen? Später fügte er auf seine schelmische Art an: „Hast Deinen Buben so erzogen, dass er Pfarrer geworden ist. Warum solltest ausgerechnet Du nicht dazu gehören?“ Mutter fürchtete aber, weil sie ihn mochte, dass ihm Schwierigkeiten entstehen könnten. Menschen lebten noch immer im Kampfmodus des RechtHabens und machten ausgerechnet den Gottesdienst zum Schauplatz von Bespitzelung. Die eigenen Reihen geschlossen halten und den wahren Glauben vor den Feinden, vor allem den inneren Feinden bewahren – Deformationen des blutigen, konfessionellen Zeitalters, das uns mitteleuropäischen Christen in den Knochen steckt. Luthers Thesenanschlag begründete zunächst eben keine Kirche der Freiheit, weder auf der einen noch auf der anderen Seite des Grabens, auch wenn die Auseinandersetzungen des konfessionellen Zeitalters unabdingbar gewesen sein mögen, damit uns Europäern am Ende der Auseinandersetzungen Glaubens- und Meinungsfreiheit als Kernbestand menschlicher Würde und Freiheit aufging. Im Blick auf das Reformationsjubiläum ist offenbar kollektiv beschlossen worden, die unschönen Seiten im gemeinsamen Familienalbum geschlossen zu halten. Vielleicht kommt bisher ja keine rechte Feierlaune auf, weil Versöhnung nie am Schmerz vorbei vorankommt? Mein Gedenken kreist in diesem Jahr also mehr um die Menschen, die für mich am Ausgang des konfessionellen Zeitalters stehen. Ich feiere jeden Sonntag Eucharistie in der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum. Sie wurde in Erinnerung an Christen errichtet, die über die Grenzen der Konfessionen hinweg gemeinsam Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten. Die Erfahrung des gemeinsamen Widerstandes führte sie zu einer tieferen konfessionsübergreifenden Identität als Christen in einer geteilten Verantwortung für eine humane, offene Gesellschaft. Wenigstens im Todestrakt des Gefängnisses in Tegel durften sie diese Verbindung im gemeinsamen Abendmahl feiern. Was bedeutet mir das heute? In Berlin gehöre ich als einer von gerade einmal 9% Katholiken zu den unter 50% der Bevölkerung, die sich überhaupt noch als religiös bezeichnen. Angesichts des- 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Konfessionsübergreifende Verantwortung für eine humane, offene Gesellschaft

sen erscheint auch mir die konfessionelle Spaltung manchmal noch absurder. Viele warten auf keine „Erlaubnisse“ mehr und gehen dort zum Abendmahl, wo sie es für richtig halten. Und gar nicht wenige lassen ihre Kinder nicht mehr unbedingt in der „eigenen“, sondern in der Konfession taufen, in der am konkreten Ort noch am ehesten die Chance besteht, lebendigen Anschluss an andere engagierte Christen zu finden. Konfessionsfragen sind eben inzwischen auch – je nach Wohnort – Luxusfragen. Und doch scheint es mir geradezu zynisch zu sein, zu warten, bis sich Unterschiede einfach abschleifen. Warum? Wer sagt uns, dass hinter dem, was wir als lästige Unterschiede erleben, nicht ein Reichtum von Erleben und Verstehen verbirgt, den wir noch dringend benötigen? 20% der Schüler am Canisius-Kolleg sind evangelisch und erhalten evangelischen Religionsunterricht. Denn Gemeinschaft zu haben und eine eigene Identität zu entwickeln gehören zusammen. Das ist aber nur die Oberfläche: Tatsächlich entwickeln Katholiken und evangelische Christen ein gemeinsames pädagogisch-katechetisches Programm, um Schülern, die wenig religiöse Sozialisation mitbringen, den Zugang zum Raum religiöser Erfahrung zu erschließen, Stille zu üben, die Schrift zu entdecken und das gemeinsame Singen. Mit einem abgestimmten Lehrplan stellen wir uns gemeinsam den intellektuellen Herausforderungen der modernen, offenen Gesellschaft. Das gemeinsame Arbeiten hat Wertschätzung, Verständnis füreinander und tiefe Freundschaften wachsen lassen. Aber die Nähe nivelliert nicht die Unterschiede. Für mich gehört zu gelebter Ökumene wie zur Freundschaft, den je Anderen offen ans Herz des eigenen Erlebens und Nachdenkens zu laden – eine Einladung, welche die zur offenen, angstfreien Auseinandersetzung einschließt. Gerade, wo uns Christen auf diese Weise eine „ehrliche“ Ökumene der Selbstachtung und des Respekts vor Anderen gelingt, haben wir Instrumente und Modelle des heilenden Dialogs in der Hand, die aktuell dringender gebraucht werden denn je: Für den Dialog mit Muslimen ebenso wie mit vielen säkularen Milieus. Der Ort des Dialogs zwischen unterschiedlichen Kulturen und nach Jahrhunderten gegenseitiger Verwundungen ist seit jeher die Gastfreundschaft beim Mahl. Denn bei Tisch zeigt sich, wer ich bin in aller Unterschiedlichkeit der Traditionen. Für den Fremden und Anderen aber wird die Andersartigkeit geöffnet und versöhnt durch die Gastfreundschaft, an der Einladung teilzuhaben. Es ist der Weg Jesu. Es ist Zeit, diesen Weg unter uns Christen endlich beherzt anzugehen, nicht trotz, sondern wegen unserer Unterschiedlichkeit, als Beginn eines gemeinsamen Engagements für eine humanere, gerechtere Gesellschaft und den Dialog der Kulturen. Tobias Zimmermann SJ 3 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

4 Ökumene der Märtyrer Angesichts der weltweiten Christenverfolgungen spricht Papst Franziskus gerne von der „Ökumene des Blutes“. In unterschiedlichen Variationen formuliert er folgenden Gedanken: „Die Mörder der Christen sind weiter, als wir Christen es sind; sie machen keinen Unterschied, ob Christen katholisch, evangelisch, orthodox, baptistisch oder evangelikal sind; sie töten sie alle, und zwar ausschließlich deswegen, weil sie Christen sind.“ Damit denkt und formuliert Papst Franziskus „die Ökumene der Märtyrer“ weiter, von der bereits Papst Johannes Paul II. in eindrucksvollen Worten sprach. Sich von den Feinden der Christen etwas sagen lassen – ist das nicht zynisch? Keineswegs. Es geht nicht darum, dem Hass der Feinde gegen das Christentum einen legitimierenden Sinn zu verleihen. Vielmehr sieht Papst Franziskus mit geistlichem Blick auf die Christenverfolgung: Gott besiegt bereits in der Geschichte auf verschlüsselte Weise seine Feinde, indem er sie zu seinen Boten macht, obwohl sie genau das gar nicht wollen können. Ähnlich macht er es mit den Dämonen, die Jesus als den Messias bekennen, oder auch mit Kajaphas, der ausgerechnet in der Begründung für sein Todesurteil gegen Jesus „aus prophetischer Eingebung“ (Joh 11,51) spricht, ohne es zu merken. Ähnlich erschließt sich am 10.1.1945 dem Protestanten Helmuth James von Moltke die Wahrheit des Evangeliums aus den Worten seines Blutrichters: „Freisler sagte zu mir in seinen Tiraden: Nur in einem sind das Christentum und wir (Nationalsozialisten) gleich: Wir fordern den ganzen Menschen ... Es war eine Art Dialog, bei dem wir beide uns durch und durch erkannten ...“ Diese Botschaft aus dem Mund und auch aus den Taten der Feinde richtet sich an uns Christen: „Seht doch auf das, was euch verbindet! Es ist das, was die Feinde an euch sehen und weswegen sie euch vernichten wollen. Genau das ist doch das, was euch mehr eint als das, was euch trennt!“ Es ist mir vollkommen unverständlich, warum dieser Zugang zur Ökumene auch im Jahr 2017 praktisch kaum erwähnt und auch theologisch nicht weitergedacht wird. Vielleicht deswegen, weil er unser Schubladendenken zu sehr herausfordert? Weil er uns über die vielleicht oder tatsächlich noch zu klärenden Lehrstreitigkeiten aus dem 16. und 17. Jahrhundert hinausführt? Wenn es so ist – und das glaube ich –, dann klingt aus der „Ökumene der Märtyrer“ ein alter Ruf ganz neu an alle Christen: „Denkt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Mk 1,15) Klaus Mertes SJ SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Denkt um, und glaubt an das Evangelium!

5 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand

Die „Friedliche Revolution“ als Frucht der Ökumene Es ist der 9. Oktober 1989 in Leipzig. Die Lage ist angespannt, denn die SED plant die Demonstration im Anschluss an die Friedensgebete blutig niederzuschlagen. Trotzdem demonstrieren 70.000 Menschen und tragen zum Sturz des SED-Regimes der DDR bei. Ausgangspunkt dieser Bewegung waren die ökumenischen Friedensgebete seit Beginn der 80er Jahre. Zu einem Abend in der Katholischen Studentengemeinde kommt von der evangelischen Seite der damalige Superintendent und Pfarrer der Nikolaikirche, Friedrich Magirius, und von der katholischen Seite Dr. Georg Pohler, ein damals wie heute politisch engagierter Christ. An diesem Abend wird mir deutlich, dass im ökumenischen Diskurs zu oft die trennenden Elemente im Vordergrund stehen, jedoch selten, wie Ökumene gelebt und fruchtbar werden kann. Einige Wochen später erklären mir die beiden Herren, wie sie persönlich Ökumene zu Zeiten der DDR erlebt haben. Georg Pohler: „Als Christen litten wir unter der Ideologie des Staates, daher tat man sich mit Christen anderer Konfession zusammen, die in die gleiche Richtung dachten. Egal ob während der Schulzeit, während dem Studium oder im Arbeitsleben, haben sich die Christen gesucht. Wenn man sich zum Beispiel in einer Schulklasse als einzigen Katholiken sah, da tat es gut weitere Christen in der Klasse zu haben.“ Im Anschluss an den 2. Weltkrieg verhinderte das Regime Initiativen zur Versöhnung. Friedrich Magirius engagierte sich in den 60er Jahren bei Aktion Sühnezeichen und erfuhr, dass „das Regime keine Notwendigkeit zur Versöhnung mit den kommunistischen Ländern sah; wir waren ja alle schon Brüder. So organisierten wir ökumenische Sommerlager innerhalb der DDR, welche erste gelebte und konkrete Erfahrungen von Ökumene waren.“ Zu Beginn der 80er Jahre drängte es Christen zunehmend, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren. So entstanden ökumenische Arbeitsgruppen, die sich u.a. für Menschenrechte, Friedensdienst und Umweltverbesserungen einsetzten. Ab Ende 1982 begann die Friedensdekade in der Nikolaikirche. In der Friedensdekade wurde jährlich an zehn aufeinanderfol6 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Gemeinsam als Gemeinschaft vorangehen und sich gegenseitig brüderlich stärken

genden Tagen um Frieden gebetet. Auch diese Gebete fanden ökumenisch statt, da sich die Christen gegenseitig unterstützen wollten. Ab Mitte der 80er Jahre wurden die Friedensgebete wöchentlich abgehalten. Die Erklärung hierfür sieht Friedrich Magirius in der damals „zunehmend spürenden Spannung aufgrund des Aufrüstungswettlaufs zwischen Ost und West.“ „Zugleich fand nicht nur eine Militarisierung des Staates, sondern auch der Gesellschaft statt. Es erfolgte eine vormilitärische Erziehung vom Kindergarten an bis hin zum Abitur“, fügt Georg Pohler hinzu. Ab 1988 begannen sich in der „Ökumenischen Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ überregionale Arbeitskreise zu bilden, in welchen Themen bearbeitet wurden, die als Probleme von evangelischen und katholischen Christen eingegeben wurden. Gesellschaftspolitisch brisante Themen konnten unter dem Dach der Kirchen diskutiert werden. Das gemeinsame Wirken hin zur „Friedlichen Revolution“ und beim Aufbau eines demokratischen Systems in den neuen Bundesländern „entwickelte über Jahre hinweg ein wachsendes gegenseitiges Vertrauen der Konfessionen und dies gilt es zu wahren“, so die Überzeugung von Friedrich Magirius. Georg Pohler fügt abschließend hinzu: „Es ist weiterhin notwendig, sich kirchlich und gesellschaftlich als Christ zu engagieren. Wir müssen gemeinsam Kirche und Gesellschaft prägen.“ Ich finde es beeindruckend, dass über Jahrzehnte hinweg in Leipzig die Überzeugung vorherrscht, eine Konfession alleine könne es nicht schaffen. Nur gemeinsam kann man als Gemeinschaft vorangehen und sich gegenseitig geschwisterlich stärken! Sollten wir nicht davon träumen, dass sich diese Überzeugung mehr verbreitet? Christian Braunigger SJ 7 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand

Ökumene in Schweden Papst Franziskus kommt! Die Nachricht war den Medien in Schweden eine Schlagzeile wert, und die Kommentare waren überwiegend positiv. Das ist nicht selbstverständlich in einem traditionell lutherischen Land mit starker Freikirchentradition, für die der Papst schnell auch Antichrist sein kann. Der Papst kommt. Gewiss, der Papst kommt, aber der eigentliche Anlass war das Reformationsgedächtnis und das Jubiläum des Lutherischen Weltbundes (LWB), der 1947 in Lund gegründet wurde. Anlässlich dieser beiden Gedenktage wollten die Spitzen des Vatikans und des LWB eine gemeinsame Erklärung zur Ökumene unterzeichnen. Im Vorfeld geriet der ursprüngliche Anlass allerdings ein wenig in den Schatten von Franziskus. In der öffentlichen Wahrnehmung kam vor allem der Papst. Wie in einem Brennglas wurden einige Probleme der Ökumene in Schweden deutlich. Die katholische Kirche ist hier sehr klein, vielleicht zwei Prozent der Bevölkerung. Die ehemalige Staatskirche lutherischen Bekenntnisses dagegen ist immer noch sehr groß, gut 60 Prozent. Doch die Verhältnisse wurden im Zusammenhang des ökumenischen Tages am 31. Oktober 2016 auf den Kopf gestellt. Die Minoritätskirche mit ihrer weltweiten Dimension wuchs, die Majoritätskirche schrumpfte. Im schwedischen Alltag ist es ja umgekehrt. Und manchmal frage ich mich, welches Interesse eine derartige Großkirche haben kann, mit einem Zwerg Gespräche auf Augenhöhe aufzunehmen. Manche ihrer Mitglieder antworten, es sei der reiche Schatz der Spiritualität in der katholischen Kirche, deren Sprachfähigkeit im Religiösen, die weltweite Dimension, deren philosophisch-theologische Tradition und Liturgie. Und wir Katholiken? Was bewegt uns, in Dialog zu treten und nicht nur pflichtschuldig Jesu Ermahnung nachzukommen, dass alle eins seien? Sicher ist sie der Grund aller Kontakte, denn eine gespaltene Christenheit ist im Letzten nicht glaubwürdig. In der besonderen schwedischen Situation geht es aber auch darum, dem großen Bruder klar zu machen, dass er kein Monopol aufs Christentum hat, dass es andere Geschichtsbilder und Erfahrungen gibt. Das mögen Reflexe einer lange Zeit verfolgten und verfemten Kirche sein, doch darf man Anerkennung des anderen, auch von geschehenem Unrecht, nicht unterschätzen, wenn man zusammenfinden will. Und manchmal gilt es einfach nur, den anderen daran zu erinnern, sich nicht noch weiter vom gemeinsamen Grund zu entfernen. Dominik Terstriep SJ 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand

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Pannenberg, der passt zu Dir! Wenn du einen ehrlichen Dialog mit Muslimen führen willst, musst du ein guter christlicher Theologe sein. Das hatte mir Pater Christian Troll aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Islambegegnung mit auf den Weg gegeben. Ich stand am Anfang meiner Islamstudien in Bamberg und sah: Die Muslime stellen uns die entscheidenden Fragen. Jesus soll der Sohn Gottes sein? Gott soll drei in einem sein? Unsere wichtigste Professorin, Rotraud Wielandt, erwies sich selbst als scharfe Denkerin, auch im Theologischen. So kurz nach der Priesterweihe hatte ich daher den Eindruck: Ich muss mit der Theologie noch einmal von vorn anfangen. Wer könnte mein Meister sein? Ja, Karl Rahner, den hatte ich selbst noch kennengelernt und begeistert studiert. Aber jetzt mit all den neuen Fragen suchte ich auch neue Antworten. Berthild Sachs, eine befreundete Pfarrerin, gab mir den maßgeblichen Tipp: „Pannenberg, der passt zu dir.“ Ein evangelischer Theologe?, dachte ich – der wird doch alles nur mit der Bibel begründen wollen! Aber dann begann ich, ihn zu lesen, und spürte: Dieser Mann hat genau meine Fragen – und beantwortet sie überzeugend. Und: Ich muss alles von ihm lesen – und ihn persönlich kennenlernen. Das Telefongespräch mit Frau Pannenberg verlief überraschend. Sie fragte nach meinen bisherigen Wirkungsstätten; und als ich erklären wollte, was Sankt Blasien ist, sagte sie: „Das wissen wir alles!“ Vor dem Besuch erstand ich eigens einen neuen Pullover, dunkelblau. (Inzwischen sagt sie mir, dass ich ruhig mal Flagge zeigen und bei ihr priesterlich auftreten dürfe!) Dann jedenfalls erschien ich zum Kaffeetrinken. Er erzählte seine Lebenswende: Kurz nach dem Krieg hatte er als 18-Jähriger ein Erlebnis; seither wusste er, er konnte nicht Atheist bleiben und auch nicht Konzertpianist werden: Er musste Philosophie und Theologie studieren, um einzuholen, was ihm da eröffnet worden war. Das wurde sein Lebenswerk. (Aber Chopin hat er weitergespielt.) Er erzählte auch von seiner letzten Begegnung mit „meinem Freund Karl Rahner. Ich fragte: Wie geht es? Er antwortete: Herr Pannenberg, ich warte auf den Tod! Aber Pater Rahner, sagte ich, habe ich sie jetzt etwa bei 10 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Dieser Mann hat genau meine Fragen – und beantwortet sie überzeugend. © Stefan Weigand

einer Häresie ertappt? Wir warten doch auf das Leben!“ Von mir wollte Professor Pannenberg wissen: „Genügt Ihnen denn meine Mariologie?“ Und ich erklärte, dass wir alles, was wir von Maria sagen, ja im Blick auf Jesus bekennen, wie es Friedrich Spee schon 1623 gedichtet hat: „Sag an, Maria, Jungfrau rein, kommt das nicht von dem Sohne dein?“ Frau Pannenberg wollte hingegen eher etwas von meiner Familie erfahren. Da konnte ich natürlich mit dem lutherischen Vater aufwarten. Als ich dem gefundenen Meister jedenfalls, nachdem es sogar noch Weißwein gegeben hatte, beim Abschied (bestimmt zu großspurig) für seinen „wunderbaren Dienst am Evangelium“ dankte, hieß es, ich solle wiederkommen. Das habe ich getan. Einmal kam ich aus Ankara und erzählte von meiner türkischen TrinitätsPredigt: Man kann die Dreifaltigkeit mit einem Wort sagen: Abba! So wendet man sich mit Jesus an seinen himmlischen Vater – und das heißt, vom Geist ergriffen zu sein. Pannenberg schmunzelte und sagte: „Das können Sie so sagen.“ Felix Körner SJ 11 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Mein Leben für die Ökumene Von Haus her war es mir nicht in die Wiege gelegt, ökumenisch tätig zu werden. Denn die Stadt und die Familie waren immer mit einiger Selbstverständlichkeit katholisch. Auch während der Studienjahre in München und in Frankfurt spielten ökumenische Fragen keine große Rolle. Das änderte sich, als ich in Freiburg Assistent von Karl Lehmann wurde – also 1971/72. Sein Lehrstuhl war durch eine doppelte Schwerpunktbildung bestimmt: Dogmatik und Ökumene. Albert Raffelt wurde Assistent im Bereich der dogmatischen Theologie, ich im Bereich der ökumenischen Theologie. Die erste Aufgabe, die ich wahrzunehmen hatte, war der Aufbau einer ökumenischen Fachbibliothek – im „Hasenstall“, d.h. in einem etwas versteckten Raum im dritten Stockwerk des Kollegiengebäudes I. Wir hatten etwa DM 100.000 zur Verfügung. Ich muss gestehen, dass ich heute nicht mehr genau weiß, wie ich das Geld ausgegeben habe, konkret: warum ich welche Bücher auf welche Weise gekauft habe. Es ging irgendwie schlafwandlerisch vonstatten. Im Ergebnis, das recht schnell vorlag, stand jedenfalls eine ordentliche Spezialbibliothek zur Verfügung, die es wohl heute noch gibt. Karl Lehmann hielt damals immer wieder besondere Vorlesungen zu ökumenischen Fragen. Ich besuchte sie und erhielt so eine erste Information über die Situation der Ökumene. Hier und da hatte ich „den Chef“ bei ökumenischen Konferenzen zu begleiten oder auch zu vertreten. In Frankfurt wurde ich bald nach meinem Einstieg in die Sankt Georgener Aufgaben mit Prof. Armin-Ernst Buchrucker bekannt, der an der Universität Frankfurt lehrte. Dies wurde zum Beginn einer jahrelangen, ernsten, fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem lutherisch geprägten Kollegen. Wir leiteten bis etwa 1988 insgesamt 20 ökumenische Seminare, an denen viele Studenten und Gasthörer teilnahmen und in denen ich selbst viel gelernt habe. Einigermaßen gut vorbereitet konnte ich in der Folgezeit an vielen Stellen mitarbeiten. Zu den schönsten Erfahrungen, die ich im Ökumene-Bereich machen durfte und an die ich hier erinnern möchte, gehört die Arbeit am „Ökumene-Lexikon“, das ich zusammen mit Walter MüllerRömheld und Hanfried Krüger konzipiert habe und das 1982 im Lembeck-Verlag erschienen ist. 12 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Es geht darum, die Ökumene in einer gründlich arbeitenden Theologie zu verorten.

In Sankt Georgen richteten wir Ende der 70er Jahre eine eigene Vorlesungsreihe innerhalb des Dogmatik-Curriculums ein, in dem es um die „Ökumenische Kirchenkunde“ ging. Dort konnte ich den Studierenden in die Themen der Ökumene Einblick geben. Ich arbeitete im Übrigen im Laufe der Jahre in verschiedenen ökumenischen Gremien mit – im „Wissenschaftlichen Beirat des JohannAdam-Möhler-Instituts“ in Paderborn, in der „Theologischen Kommission der Hessischen Kirchenleiterkonferenz“, im „Deutschen Ökumenischen Studienausschuss“ (DÖSTA), in der „Kommission für Glauben und Kirchenverfassung“ des Ökumenischen Rates der Kirchen. Seit 1982 und bis heute bin ich Mitglied des „Sachausschusses Ökumene“ des Bistums Limburg. In den 80er Jahren arbeitete ich zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Hermann Goltz für die „Konferenz europäischer Kirchen“ (KEK) und die „Kommission der europäischen Bischofskonferenzen“ (CCEE). Der Höhepunkt dieser Arbeit war 1984 die Erstellung eines Dokuments über die Bedeutung des Glaubensbekenntnisses von Nikaia-Konstantinopel. An einige in der Ökumene Engagierte, denen ich oft begegnen durfte, erinnere ich mich dankbar – an Wolfgang Ullmann, an Hervé Legrand, an Max Thurian, an Dietrich Ritschl, an Hans-Jörg Urban und besonders an Paul-Werner Scheele, um nur einige zu nennen. Besonders gern denke ich an die Mitgliedschaft in der Dialoggruppe, die seitens der Deutschen Bischofskonferenz gebildet worden war und in den 80er und 90er Jahren mit Vertretern des Russischen Patriarchats sprach – in Moskau, Sagorsk, Minsk, München, St. Ottilien, Altötting. Ich selbst konnte darüber hinaus einmal allein in Moskau und in Smolensk tätig sein. Parallel zu all diesen Tätigkeiten habe ich viele Vorträge zu ökumenischen Fragen gehalten, viele Aufsätze geschrieben, viele Buchbesprechungen verfasst. Seit langem und bis heute versuche ich, die ökumenischen Bewegungen wahrzunehmen, und ab und zu wage ich einen ökumenischen Zwischenruf. Im Ganzen ging es mir im Laufe der Jahre und bis heute vor allem darum, die Ökumene in einer gründlich arbeitenden Theologie zu verorten. Seit langem hat dieses Bemühen bei mir einen inhaltlichen Schwerpunkt: Ich versuche zu verstehen und zu vermitteln, dass das Thema Kirche – welche Gestalt hat sie? welche Aufgabe hat sie? – für eine Vertiefung der ökumenischen Beziehungen von erstrangiger Bedeutung ist. Dabei betone ich immer wieder, dass die Kirche ein „Zweig auf dem Ölbaum Israel“ ist – wie Paulus im 11. Kapitel des Römerbriefs dargelegt hat. Werner Löser SJ 13 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Misch-Ehe – aus prinzipiellen Gründen „Sie werden nie eine Anstellung als Lehrer bekommen!“ sagte der Schulleiter meiner Ausbildungsschule. Die Professorin für katholisches Kirchenrecht, von befreundeten Studenten gefragt, wie die Verbindung zwischen einem katholischen Religionslehrer und einer angehenden evangelisch-lutherischen Pastorin kirchenrechtlich denkbar sei, gab zur Antwort: „Gar nicht, weil sowieso unmöglich.“ Vor das evangelische Kirchenamt zitiert, drehten sich die Fragen nur noch um Konfessionszugehörigkeit, nicht nur unserer eigenen, sondern auch der möglichen zukünftigen Kinder. „Aus prinzipiellen Gründen geht das alles nicht“, das hörten wir oft. Am Ende gab es drei Brautexamina, eine ökumenische Trauhandlung nach katholischem Recht im evangelischen Dom und drei ökumenisch getaufte evangelische Kinder, wegen des Lebens im Pfarrhaus natürlich. Was auf den ersten Blick anmutet wie eine kleine Parodie zum Thema „Mischehe“, war – zumindest damals vor 22 Jahren – für ein Paar, das eine ökumenische Ehe anstrebte, anstrengende Realität. Es mussten ja – wie bei „ganz normalen“ Liebespaaren – nicht nur die Vorbehalte der jeweils anderen Familien überwunden werden, sondern auch die Widerstände der beiden Institutionen, rechtlicher und inhaltlicher Art. Und für uns selbst war schnell klar: Nur wenn wir uns den theologischen Kernfragen stellen, sind wir auch in der Lage, nicht nur die Schranken für nötige Dispense zu öffnen, sondern vor allem, eine Familie zu gründen, die im eigenen religiösen Selbstverständnis zu Hause sein kann. Denn genau darum geht es: Zuhause zu sein, in der eigenen Konfession und auch in der zunächst fremden. Das war keine leichte, aber eine höchst bereichernde Herausforderung für alle Beteiligten. Wir kamen beide nicht umhin, uns mit inhaltlichen Unterschieden sehr sorgfältig zu beschäftigen, nicht nur bei den Themen Ehesakrament und Taufverständnis, sondern auch Eucharistiefeier und Abendmahl. Konkret: Wie sieht es aus mit der Realpräsenz? Glaubst du im Kern, was ich glaube? Wo sind die Grenzen des Heiligen? Gibt es die überhaupt? Sind nicht das Beten und der Gottesdienst Sachen, die über den Sonntag und seine „Pflicht“ hinausgehen? Darf eine Pastorin die Kommunion empfangen? Und: Wenn sie sich eingeladen weiß, geht es dennoch 14 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Wenn ich einen anderen Menschen liebe, bin ich bleibend neugierig.

nur „inkognito“? Darf ich als Kommunionhelfer meinen Kindern die Kommunion geben? Was bei der Entscheidungsfindung immer geholfen hat, ist gegenseitiges Interesse an den Ritualen und Geschichten. Wenn ich einen anderen Menschen liebe, bin ich bleibend neugierig. Wenn ich nicht nur seine Vita, sondern auch sein theologisches Denken und Tun nachvollziehen kann, finden wir leichter zu einer Lösung, die für beide tragbar ist. Immer wieder ist uns jedoch auch schmerzlich bewusst geworden, dass unsere beiden Kirchen auf ihrem Weg zueinander noch längst nicht so weit sind wie konfessionsverbindende Ehepaare. Fazit: Wir leben das, was unsere Kirchen noch nicht können – ein echtes „corpus permixtum“ in Christus. Meine endgültige Missio canonica habe ich übrigens bis heute nicht. „Aus prinzipiellen Gründen“, wie es heißt. Franz-Josef Faupel Dr. Kirstin Faupel-Drevs 15 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand

Sehnsucht nach Einheit? „Wenn zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, so bin ich mitten unter ihnen.“ Dann beten, reden und brechen wir das Brot gemeinsam. Aber hoppla, wir dürfen nicht zusammen die Messe und die Eucharistie feiern – denn du bist katholisch, und ich bin evangelisch. Meine Eltern haben mich ihrer Tradition folgend in ihrer protestantischen Konfession erzogen. Und ich bin nicht konvertiert, obwohl ich unterschiedliche Erfahrungen mit verschiedenen konfessionellen Gemeinden gemacht habe. Denn in meinem Leben, ob auf einem katholischen Gymnasium in Berlin, bei der evangelischen Christenlehre oder dem Konfirmandenunterricht, zu Freizeiten in einem Benediktinerkloster, ein Jahr in einer evangelischen Gemeinde im katholischen Polen oder jetzt in der Katholischen Studentengemeinde in Leipzig. All das sind wichtige Stationen auf meinem Glaubensweg. Einem Weg, der mich zu Gott führen soll und den ich gemeinsam mit allen Christen gehe. Und nun existiert eine Grenze mitten unter uns, die ich wie andere auch nicht verstehe, auch wenn sie uns erklärt wird… denn: Wir fühlen sie nicht. Wir fühlen uns verbunden. Es gehört zu unseren Glaubensgrundsätzen, dass die Einheit der Christen wichtig ist, von Jesus gewollt. Ich will sie auch, und es schmerzt mich, dass nicht alle gemeinsam feiern können. Denn der Glaube ist mit dem Verstand nicht zu fassen. Leider fasse ich die Kirchenspaltung ebenfalls nicht mit meinem Verstand. Luther wollte vor 500 Jahren die katholische Kirche reformieren und scheiterte damit. Wir können viele machtpolitische Entscheidungen erklären, die zur Spaltung führten und sie zementierten. Damals ging es oft nicht um den einzelnen Christen, sondern meist um ein politisches Machtkalkül. Herrscher wählten eine Konfession für sich und ihre Untertanen. Wäre damals die Spaltung überwunden worden, wenn sich die Kirchenspitzen geeinigt hätten? Und heute? Heute sind die beiden Kirchen in ihren Strukturen so verfestigt, dass ich nicht glaube, die Überwindung der Spaltung mitzuerleben. Das macht mich traurig. Ich will nur Christ sein und mich nicht als Protestantin erklären müssen. Die Stationen in meinem Glaubensleben waren alle sehr wichtig für mich, und die Begegnungen und Diskussionen haben mich geprägt und vorangebracht. Mein Glaube wäre ein anderer, hätte ich diese verschiedenen Erfahrungen nicht gemacht. Mir wäre die Kirchenspaltung nicht so bewusst und ich könnte nur erahnen, wie schmerzhaft die Trennung ist. Ich wünsche mir, wir Christen könnten die Einheit von unten voranbringen, dass unser Glaube an Gott ausreicht, uns wieder zu vereinen. Ja, ich sehne mich nach der Einheit der Christen. Pia Hansen 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Ökumene ist harte Arbeit Spätestens seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962–1965) versteht die römisch-katholische Kirche die ökumenische Bewegung als vom Heiligen Geist angeregt. Diese Gesinnungsänderung hat eine Begeisterung für den Dialog mit anderen Konfessionen innerhalb und außerhalb der Kirche ausgelöst. Mittlerweile erscheinen die ökumenischen Bemühungen jedoch zu stagnieren oder zum Erliegen gekommen zu sein. Wenn dieser Eindruck in manchen Fällen auch zutreffen mag, so gilt er nicht allgemein. Denn die ökumenischen Dialoge sind häufig an einem Punkt angekommen, an dem die schwierigen und grundlegenden Fragen behandelt werden müssen. Konnten bei einfacheren Themen noch relativ rasch Annäherungen oder sogar Übereinstimmungen in der Lehre erzielt werden, ist das bei den Kernfragen nicht mehr so leicht möglich. Zu diesen zählen vor allem Fragen, die die Lehre von der Kirche (Ekklesiologie) betreffen. Davon hängen zum Beispiel das Amtsverständnis und die Sakramente ab. Nach einer 500-jährigen Spaltungsgeschichte zwischen römisch-katholischer Kirche und den protestantischen Kirchen ist es unrealistisch, innerhalb von knapp 50 Jahren eine Einigung zu erwarten. Noch weniger realistisch ist dies angesichts einer mindestens 1000-jährigen Trennung von den Ostkirchen. Es gibt darüber hinaus auch ganz praktische Schwierigkeiten. Für die römischkatholische Kirche ist es zum Beispiel nicht ganz einfach, einen Dialogpartner im zersplitterten Protestantismus zu finden. Mag es für das Luthertum noch den Lutherischen Weltbund als Ansprechpartner geben, stellt sich die Situation bei den Evangelikalen und Pfingstlern schwierig dar. Hier muss mehr oder weniger mit den einzelnen christlichen Gruppierungen verhandelt werden. Da es von ihnen Tausende weltweit gibt, sind dem bilateralen Dialog schnell Grenzen gesetzt. Niemand weiß derzeit so recht, wie in dieser Situation ein ökumenischer Dialog zu führen sei. Eine weitere Schwierigkeit entsteht, wo eine christliche Gemeinschaft keine ausgeprägte Dogmatik (theologische Systematik) hat, wie es zum Beispiel bei den pentekostalen Gemeinschaften (Pfingstlern) der Fall ist. Der klassische ökumenische Dialog ist jedoch ein Dialog über die Lehre. Auch hier sind die Beteiligten guten Willens auf der Suche. Die Ökumene ist nicht zu Ende; sie ist vielmehr bei den entscheidenden Fragen angelangt. Deshalb ist sie mehr denn je harte Arbeit. Markus Schmidt SJ 17 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Tomsk 2017: Ökumenische Herausforderungen Wer Bilder von goldenen Zwiebelkuppeln vor Augen hat, der kann leicht übersehen, dass Russland ein multireligiöses Land ist. Insbesondere die Rolle der Muslime ist nicht zu unterschätzen, auch bei uns in Tomsk nicht, immerhin war die Region bis Anfang des 17. Jahrhunderts weitgehend tatarisch geprägt, und bis heute gibt es in der Umgebung ein paar Dörfer, die weithin sichtbar vom Minarett überragt werden. Aber auch Judentum und Buddhismus (letzterer vor allem in Ostsibirien) werden seit 1997 als „traditionelle Religionen“ gesetzlich anerkannt. Nicht ganz so leicht haben es die verschiedenen christlichen Konfessionen. Im Grunde gelten wir alle als Sektierer – Katholiken natürlich nicht ganz so sehr, aber Baptisten, Pfingstler, Lutheraner ganz eindeutig. Zahlenmäßig sind wir in der Tat sehr kleine Gruppen. Wenn man auch sagen muss, dass in verschiedenen sibirischen Städten vor 1917 teilweise bis zu 30% der Bevölkerung katholisch waren, so haben doch die stalinistischen Massenmorde, der Exodus der Polen in den 20er und der Exodus der Deutschen, Ukrainer und Litauer in den 90er Jahren ganze Arbeit geleistet. Heutzutage gehen wir davon aus, dass auf dem Gebiet der Stadt und Oblast Tomsk, also auf einer Fläche, die fast so groß wie Polen ist, bei 1,2 Millionen Einwohnern etwa 10.000 Menschen leben, die sich selbst als katholisch betrachten. Von diesen kommen gut 300 regelmäßig zum Gottesdienst, etwa 150 kommen, wann immer ein Priester ihr Dorf besucht, und noch einmal etwa 500 Leute kommen gelegentlich zum Gottesdienst. Wir leben also in einer Umgebung, in der Katholiken (und erst recht Protestanten) im Bewusstsein der Mehrheit kaum vorkommen. Das ist vielleicht das größte Hindernis für ökumenische Begegnung. Deshalb sind wir froh, dass wir mit den Orthodoxen wenigstens in manchen Bereichen zusammenarbeiten. Vor allem haben wir jedes Jahr ein gemeinsames Ferienlager mit Behinderten und Nichtbehinderten, und wir besuchen gemeinsam ein Heim für Behinderte. Dabei haben wir dann auch 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Stefan Weigand Viele Leute merken, dass man mit uns Katholiken ins Gespräch kommen kann.

gemeinsames Gebet und Gottesdienst, was in Russland eine große Ausnahme ist. Und in diesem Kontext spielt unser katholisches Gymnasium eine besondere Rolle. Immerhin ist es die einzige katholische Sekundarschule in ganz Russland. Die Schüler aber sind – das versteht sich von selbst – zu 80% nichtkatholisch. Da ist es wichtig, dass wir ökumenischen Religionsunterricht haben, gemeinsames Morgengebet, ein Theaterstück zu Weihnachten, einen besonderen Segen am letzten Tag vor den Abschlussprüfungen. Dadurch merken viele Leute, dass es uns Katholiken gibt und dass man mit uns ins Gespräch kommen kann. Das, so denke ich, ist vielleicht nicht der unwichtigste ökumenische Dienst, den wir leisten können. Zum Schluss noch eine Anmerkung: Manchmal scheint man bis in den Vatikan hinein zu denken, das Entscheidende im Kontakt mit der russischen Orthodoxie seien die diplomatischen Beziehungen. Nun haben die ebenfalls ihre Bedeutung, und sicher war es sinnvoll, dass sich der Papst mit dem Patriarchen von Moskau getroffen hat. Aber das Entscheidende ist die Gemeinschaft in Gebet und Nächstenliebe. Wenn sie wächst, dann wird die Politik schon noch hinterherkommen. Aber wenn sie nicht wächst, dann sind alle Konferenzen und offiziellen Begegnungen dem Wechselspiel der Launen der Tagesstimmungen oder dem Kalkül der Geopolitik ausgesetzt. Stephan Lipke SJ 19 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Theologische Annäherung zwischen Katholiken und Lutheranern Es ist Juli 2009: Im hohen Norden von Deutschland, in Breklum, bin ich zum ersten Mal auf der Jahrestagung der internationalen Kommission für den Dialog zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund. Jeder Tag beginnt mit einer katholischen Messe oder einem evangelischen Abendmahl. Alle Mitglieder der Gruppe nehmen stets daran teil. Beim ersten Abendmahl unter dem Vorsitz eines lutherischen Mitgliedes frage ich mich, was wohl im Augenblick des Kommunionempfanges geschehen wird. Und es kommt wie folgt: Sobald der Präsident kommuniziert hat, empfangen zunächst die Protestanten die Kommunion; im Anschluss treten die Katholiken vor den evangelischen Pastor und erhalten einen Segen (wenn umgekehrt ein katholischer Priester der Eucharistie vorsteht, erhalten die Protestanten der Gruppe einen Segen). Diese kurze Geschichte hat einen symbolischen Wert: Auf der einen Seite geht die internationale lutherisch-katholische Kommission so weit wie möglich in der Begegnung, im Dialog und im Austausch. Alle Mitglieder nehmen an den Liturgien teil. Auf der anderen Seite werden wir schmerzlich daran erinnert, dass wir nicht gemeinsam die Eucharistie empfangen können und dass wir noch nicht am Ende des gemeinsamen Weges angekommen sind. Die positiven Aspekte der Begegnung übertreffen jedoch die Schwierigkeiten, vor allem vor dem Hintergrund des bereits erreichten Fortschrittes. Die internationale lutherisch-katholische Kommission existiert seit 50 Jahren. In dieser Zeit hat sie mehrere Phasen durchlaufen und sehr wichtige Dokumente erstellt, wie z.B. im Jahr 1972 das Dokument „Das Evangelium und die Kirche“, im Jahr 1978 „Das Mahl des Herrn“ oder im Jahr 1993 „Kirche und Rechtfertigung“. Gerade auf der Basis des zuletzt genannten Dokumentes entwickelte eine Unterkommission die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, welche im Jahr 1999 feierlich in Augsburg unterzeichnet wurde. 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Nach vorne schauen und sich beim Verständnis vom Wesen der Kirche näher kommen.

Im Jahr 2009 wurde eine neue Phase des Dialogs ins Leben gerufen. Die Kommission wurde aufgefordert, ein Dokument im Hinblick auf das Reformationsgedenken im Jahr 2017 zu verfassen sowie sich Gedanken zu machen zum Thema „Die Taufe und die Gemeinschaft der Kirchen.“ Zu diesem Zeitpunkt wurde ich in die Kommission eingeladen. Unsere Gruppe besteht aus zehn Katholiken und zehn Lutheranern aus verschiedenen Kontinenten. Wir nehmen jährlich an einer einwöchigen Sitzung teil. Die Treffen selbst sind abwechselnd von der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund organisiert und finden jedes Mal an einem anderen Ort statt, vorwiegend in Europa, aber auch auf anderen Kontinenten. Der Besuch verschiedener christlicher Gruppen vor Ort ist fester Bestandteil des Programms. Ein wichtiger Moment war für mich das Treffen in Japan im Jahr 2013. Das Zusammenkommen in diesem Land, wo die Christen eine kleine Minderheit sind, verdeutlicht die Bedeutung der Ökumene. In diesem Land gehören nur etwa 1% der Bevölkerung einer christlichen Kirche an. In dieser Situation wäre es besonders wertvoll, das Evangelium gemeinsam zu bezeugen. Die Ökumene ist neben der Bestrebung zur Wiedererlangung der Einheit der Kirchen auch für die Glaubwürdigkeit der christlichen Verkündigung notwendig. Jesus selbst betrachtete die Einheit der Christen als wichtiges Zeichen, damit die Welt glaubt (Joh 17,21). Zuletzt veröffentlichten wir das Dokument „Vom Konflikt zur Gemeinschaft“ im Jahr 2013. Dieses Dokument weist auf eine Neuheit im Gedenken an die Reformation hin: Zum ersten Mal findet ein rundes Jubiläum der Reformation zu einer Zeit statt, nachdem über mehrere Jahrzehnte ein ökumenischer Dialog geführt worden ist. Es handelt sich nicht mehr wie früher um eine Abgrenzung der jeweiligen Position gegenüber dem Anderen, sondern um eine gemeinsame Darstellung der Ereignisse im Anschluss an den Beginn der Reformation im Jahr 1517. Welch eine Freude, dass dies nun möglich ist! So stellt das Dokument auch die wichtigsten Themen der Theologie Luthers dar und es zeigt auf, wie eine Reihe von Unterschieden zwischen Katholiken und Lutheranern dank des ökumenischen Dialogs überwunden wurden. Ebenso verschweigt das Papier aber auch nicht die verbleibenden Schwierigkeiten, wie das Amtsverständnis sowie das Verständnis von Kirche. Dieses Dokument mit dem Titel „Vom Konflikt zur Einheit“ diente erfreulicherweise als Grundlage für das ökumenische Gedenken an die Anfänge der Reformation am 31. Oktober 2016 in Lund, Schweden. Die internationale Kommission erarbeitet nun ein Dokument zu „Taufe und Gemeinschaft der Kirchen“. Nachdem eine grundlegende Einigung über die Rechtfertigungslehre (1999) erreicht worden ist, gilt es nach vorne zu schauen und sich beim Thema des Verständnisses vom Wesen der Kirche näher zu kommen. Könnte ein gemeinsames Verständnis der Taufe die Türe öffnen für ein gemeinsames Verständnis von Kirche? Öffnet sich eine weitere Tür auf dem Weg zur Einheit der Kirchen? Es ist zu hoffen! Michel Fédou SJ 21 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE?

Die Gewissens-App „App, was meint das eigentlich?“ Es ist schon etwas länger her, dass ich diese Frage gestellt habe. Aber ich erinnere mich noch genau, mein jüngerer Mitbruder erklärte mir milde lächelnd und in einer Sprechgeschwindigkeit, die mich nicht überfordern sollte: „App, das ist eine Abkürzung für Application und heißt Anwendung. Apps sind kleine Programme, die du auf dein Handy laden kannst.“ – „Aha. Und welche zum Beispiel?“ – Weiter milde lächelnd: „Je nachdem, was du eben anwenden möchtest. Möchtest du Bücher auf deinem Handy lesen, brauchst du eine Lesebuch-App, willst du dein Handy auch als Navi nutzen, lädst du dir eine Navigations-App herunter, und wenn du Vokabeln lernen willst, dann halt irgendeine Sprachlern-App.“ Apps dienen der Lösung von Nutzerpro- blemen, heißt es im Internet und es stimmt. „Wo ist nur die Schraudolphstraße, die muss doch hier irgendwo sein, gleich platzt mein Termin!“ Lösung: Navigationsapp! Und: „An Fremdsprachen muss man einfach permanent dran bleiben, sonst …“ Vokabeltrainer-App, weil die nächste UBahn erst in sechs Minuten kommt. Überrascht war ich, als ich in einem Buch auf das Wort „Gewissens-App“ stieß (Maximilian Probst, Verbindlichkeit, Rowolth 2016). Eine App, die meine Gewissensprobleme löst?! So weit geht der Autor nicht. Doch er meint, dass hinter so mancher App die Sehnsucht der Nutzer steht, zu einer Tugend zurückzufinden, deren Anwendung gerade nicht groß in Mode ist: Verbindlichkeit. Ja, es gibt eine ganze Reihe Apps, die unsere Selbstverbindlichkeit trainieren wollen. Ich sage meiner Fitness-App, wie oft und wie lange ich nächste Woche joggen will, und sie hilft mir dabei, mein Trainingsprogramm einzuhalten. Sie erinnert, lobt, tadelt mich, je nachdem, wie verbindlich ich meiner Absichtserklärung nachkomme. Also, warum das Ganze nicht GewissensApp nennen? Das Prinzip Hoffnung dazu genommen, bin ich zuversichtlich: Menschen, die gegenüber sich selbst verbindlich sein wollen, wollen das auch gegenüber anderen. Der heilige Ignatius kennt übrigens auch eine Gewissens-App. In seinem spirituellen Übungsprogramm, den Exerzitien, empfiehlt er dem Übenden, sie gleich zu Beginn zu „installieren“ (siehe „Besondere und tägliche Erforschung“, EB Nr. 24). Es ist ganz einfach: Man schreibt auf ein Blatt sieben kleine g untereinander und zieht von jedem g zwei waagrechte Linien aus. (Weniger wichtig, aber der Vollständigkeit halber: g steht für das italienische „giorno“, übersetzt: Tag.) Nun lässt Ignatius den Übenden eine Sün22 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? GEISTLICHER IMPULS

de oder Unzulänglichkeit wählen, in der er sich Besserung vornehmen möchte. Und dann die App, die Anwendung: Mittags kurz innehalten und auf die obere g-Linie so viele Punkte setzen, wie man vom Aufstehen bis zum Mittag der Unzulänglichkeit erlegen ist. Am Abend das Ganze auf der unteren g-Linie wiederholen und so erhält man einen Wochenüberblick, ob man seiner Absichtserklärung näher gekommen ist. Je weniger Punkte auf den Linien sitzen, um so besser! Für Ignatius ist das eine App, die man länger gebrauchen und wochenweise vergleichen sollte. Er weiß, es ist gar nicht so leicht, punktfreie Linien zu sammeln. Die Fastenzeit wäre z.B. eine gute, weil überschaubare Wochenfolge. Und: Man kann sofort damit beginnen, weil ein Blatt, einen Stift und eine Unzulänglichkeit findet man. Verbindlichkeit. Es braucht eine Absichtserklärung und eine App, die mir bei der Problemlösung hilft. Weil Verbindlichkeit „ein Band zwischen Menschen knüpft“ (Probst), gemeinschaftsstiftend ist, sollte sie unbedingt wieder mehr in Mode kommen. Ich fang mal bei mir selbst an und übe mich mit der Hilfe des heiligen Ignatius in Selbstverbindlichkeit. Das Prinzip Hoffnung lasse ich mir hier nicht nehmen: Wer mit sich selbst verbindlich sein will, will das auch mit anderen. Bernhard Heindl SJ © Stefan Weigand

AKTUELL 24 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? Scorsese: „Silence“ Ein großartiger Kinofilm und ein noch besseres Gebet Es gab eine ganze Reihe an Gründen, warum ich es kaum erwarten konnte, „Silence“ endlich im Kino zu sehen: Spannung auf den neuesten Film von Martin Scorsese, einem persönlichen und professionellen Vorbild; Freude darüber, dass große Namen aus Hollywood Jesuitenpatres spielen; Neugierde auf das Ergebnis eines jahrzehntelangen Entstehungsprozesses. „Silence“ erzählt den Weg von zwei jungen Jesuiten, die sich auf die Suche nach ihrem verschollenen Novizenmeister machen. Nach Gerüchten, dass dieser vom Glauben abgefallen sei, lassen sie sich in das für Missionare geschlossene Japan schmuggeln. Dort begegnen sie der christlichen Untergrundkirche und erregen bald die Aufmerksamkeit der Religionsverfolgungsbehörden. Am Ende des Films saß ich beeindruckt und emotional tief bewegt im Kinosessel. Vielleicht gefällt mir „Silence“ deswegen so gut, weil er viel mit dem zu tun hat, wie ich bete. Auf mich wirkt der Film wie eine ignatianische Betrachtung. Der Stoff ist jesuitisch, und der Erzählstil unverkennbar ignatianisch. Die Geschichte wird behutsam und mit Sorgfalt erzählt. Glaube und Zweifel werden auf der Leinwand meditiert. Filmmusik kommt nur sehr zurückhaltend zum Einsatz, überlagert fast nie die Geräusche der Natur, sondern umrahmt sie. Alles ist darauf angelegt, den Zuschauer zu beteiligen. Dieser Eindruck ist nicht zufällig, denn Scorsese hat sich für diesen Film gleich von einem ganzen Team von Jesuiten beraten lassen. Die beiden Hauptdarsteller, Andrew Garfield und Adam Driver, haben sich besonders auf ihre Rollen vorbereiten. Für sieben Tage haben sie sich auf Ignatianische Schweigeexerzitien eingelassen. Eine Erfahrung, in der für Garfield die Glaubenssuche seiner Leinwand-Rolle immer mehr zur eigenen persönlichen Suche wurde. Scorsese erzählt ein historisches Drama, das die Frage nach dem Wesen Gottes nicht auslässt, sie aber auch nicht zu beantworten sucht. „Silence“ ist ein großartiger geistlicher Film, der zum Fragen, Betrachten und Beten auffordert. Leopold Stübner SJ

Neues aus dem Jesuitenorden Bach2017 – Musikalische Ökumene zum Reformationsjubiläum Unter dem Motto „Bach2017“ steht das Gedenken an das Reformationsjubiläum in der Jesuitenkirche St. Michael in München. Der ökumenische Gedanke soll dabei mit einem umfangreichen Bach-Zyklus einen wichtigen Schritt vorangebracht werden. Das Collegium Monacense St. Michael, das Barockorchester „La Banda“, Michaelsorganist Peter Kofler unter der Leitung von Chordirektor Dr. Frank Höndgen holen die Gottesdienstmusik zusammen mit prominenten Predigern beider Kirchen zurück ins liturgische Umfeld. So gelinge Ökumene musikalisch – mit Hand und Fuß, mit Herz und Sinn. Der Zyklus begann am 8. Januar mit einer Predigt des Erzbischofs von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx. Weitere prominente Prediger im Rahmen des Zyklus, der bis zum 10. Dezember gehen wird, sind Prof. Dr. Hans Maier, Pfarrer Gottfried von Segnitz, Prof. Dr. Heinz-Günther Schöttler, Prof. Dr. Wolfgang W. Müller OP, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Provinzial Johannes Siebner SJ, Regionalbischöfin Susanne Breit-Keßler. In St. Michael sollen 2017 außerdem Bachs oratorisches Schaffen in der katholischen Messliturgie erklingen sowie seine Werke im geistlichen Konzert. Martin Löwenstein SJ wird Rektor des Aloisiuskollegs Pater Martin Löwenstein (55) ist am 19. Januar von Provinzial Stefan Kiechle mit Zustimmung des Generaloberen Arturo Sosa zum neuen Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg ernannt worden. Er wird am 9. Juli in das Amt eingeführt und tritt damit die Nachfolge von Pater Johannes Siebner SJ an, der das Kolleg seit 2011 geleitet hatte und zum 1. Juni Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten wird. Martin Löwenstein, 1961 in Bayern geboren, trat 1980 in den Jesuitenorden ein. Er studierte Theologie, Philosophie, Politikwissenschaften und Volkswirtschaft. 1990 wurde er in Frankfurt zum Priester geweiht. Seine bisherigen Aufgaben waren: Religionslehrer am Hamburger Sankt-Ansgar-Gymnasium, Dozent an NACHRICHTEN 25 JESUITEN n MÄRZ 2017 n ÖKUMENE? © Michaelsmusik

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