Jesuiten 2017-2

Gehorsam und Unterscheidung Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte (Mt 1,24) Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf!, heißt es. Bevor wir Entscheidungen von großer Tragweite fällen, sollten wir erst noch einmal darüber schlafen. Im Schlaf des Gerechten übereignet sich Josef dem, von dem Romano Guardini (Der Herr) sagt „Er fügt dein Dasein!“ Was Guardini über den Glauben schreibt, passt genau auf Josef: Glauben bedeutet, mit dem Denken, mit dem Herzen, mit dem Gefühl für Richtig und Unrichtig, mit allem, was Menschendasein ausmacht, in Christi Schule zu treten.… Glauben ist also ein Vorgang, eine Unterweisung, eine Umformung, worin die Augen neu geschaffen, die Gedanken anders gerichtet, die Maßstäbe selbst neu vermessen werden. So eine göttliche Unterweisung und Umformung seiner Maßstäbe hat Josef an sich geschehen lassen. Er bejaht sie in einer Unterscheidung der Geister, wie Ignatius das nennt. Bereits die angedachte Reaktion auf die unerwartete und unerklärbare Schwangerschaft seiner Verlobten ist diskret: d.h. nach Abwägung verschiedener Alternativen entscheidet Josef, sich in Stille von Maria zu trennen, sie nicht bloßzustellen und ihr so nichts zu verbauen. Dann taucht über Nacht eine vorher undenkbare Alternative auf: statt unauffällig aus dem Bild zu verschwinden, könnte er sich ja auch öffentlich zu seiner schwangeren Braut bekennen. Die Gewissheit, richtig zu handeln, scheint diesmal nicht das Ergebnis langer Abwägungen gewesen zu sein, sondern einem spontanen aber untrüglichem göttlichen Impuls zu entspringen. So auch bei der Entscheidung, mit der Familie nach Ägypten zu fliehen. Offenheit für das, was sich als Wille Gottes zeigt und Bereitschaft, dem entsprechend zu handeln, ist der Kern des religiösen Gehorsams, ob mit oder ohne Gelübde. Die Antwort auf die Frage: Was tun? erschließt sich im alltäglichen Dialog mit dem, was uns im Leben begegnet, im Dialog mit Ihm, der uns darin erwartet, überrascht. Immer wieder gibt es Situationen, in denen Josef genau hinhören muss, um die Stimme Gottes im Geschehen zu vernehmen. Wenn der zwölfjährige Jesus sich in Jerusalem einfach unbemerkt von der Reisegruppe absetzt und sich weiß Gott wo rumtreiben könnte, könnte man schon aus der Haut fahren – oder doch nicht?! Weit davon entfernt, nur ein Statist zu sein, hat der wortkarge Josef uns viel zu sagen. Weil sein Handeln sprechender und ansprechender ist als das vieler geschwätziger Wichtigtuer. Wollen Sie die Kunst erlernen, das Wichtige im Leben nicht zu überhören und das Gehörte in die Tat umzusetzen, in Treue zur eigenen Sendung – ite ad Josephum, gehen Sie zu Josef! Stefan Dartmann SJ SCHWERPUNKT 11 JESUITEN n JUNI 2017 n JOSEF

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