Jesuiten 2017-4

Gott in der Wirklichkeit anbeten Ist Zen-Meditation ein „Gebet“? Um sicher zu sein, gibt es keinen anderen Weg, als es zu versuchen. Einfach sitzen, atmen, hinschauen... aber ohne es selber zu tun. Nur zulassen. Darin liegt die Schwierigkeit, weil wir immer zweifeln, dass es so einfach sein darf. Mich immer wieder ablenken lassen und immer wieder mit meiner Aufmerksamkeit in die Gegenwart zurückkommen: Lohnt sich diese Mühe überhaupt? Ich werde es nie wissen können. Ich kann es nur glauben. Ins Leere springen. Und nur dann weiß ich, dass es wahr ist. Der Christ fragt dabei natürlich: Wie kann ich vor Gott und im Besonderen vor Jesus stehen, wenn ich „einfach nur“ sitze; wie können wir, Er und ich, uns etwas „mitteilen“, wenn ich nur warte? Was tue ich, wenn ich als Christ anbete? Ich betrachte diesen Augenblick, wo Jesus sein letztes Wort und sich selbst in einem Stück Brot ganz vermittelt; wo es nichts zu betrachten gibt, außer diesem fleischgewordenen Wort, in dem seine ganze Geschichte und diese endgültige Wahrheit enthalten sind: der auferstandene Christus wohnt in der ganzen Wirklichkeit. Das kleine runde Weiße dort auf dem Altar ist wie ein Loch mitten in der Buntheit der Wirklichkeit, das diese aber ganz in sich aufnimmt und einigt. Auch im Zen müssen die halboffenen Augen auf einem Punkt beharren, ohne etwas anzuschauen, damit das ganze Gewebe der Wirklichkeit immer mehr mit dieser anderen Fülle in meinem Inneren „kommuniziert“. Nichts ist mehr entwaffnend als das: Ich weiß nicht einmal, was das ist, was ich so starrsinnig erwarte und doch jetzt schon empfange. „Anfang der Weisheit: erwirb die Weisheit“ (Spr 4,7). Ich erwarte nur, dass sich offenbart, was schon da ist. Es geht nicht darum, die Vernunft dabei „abzuschalten“. Die Theologen und Lehrer der Kirche dürfen aufatmen! Und so tut eben die Vernunft: eine Weile durchatmen, sich zurückhalten und vergessen, was sie zu wissen glaubt, um es neu und frisch zu erfahren, wie jemand, der einem Kind oder einem Armen begegnet... Erst im Nachhinein wird der Himmelsfürst uns sagen, dass Er dieser Bedürftige war; im Nachhinein wird uns der Herr die Schrift auftun und zeigen, dass diese ganze Geschichte Sinn machte. So eine Wahrheit kann man nur erfahren ... und erst danach vielleicht mit ein paar Wörtern skizzieren. Aber am besten dürfen wir diese Wahrheit einfach nur essen und zu uns nehmen, wie unser tägliches Brot, das zur Substanz unseres Seins wird. Julien Lambert SJ 19 JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG

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