Jesuiten 2017-4

Staunend höre ich Gott zu Felix Körner SJ im Gespräch mit der muslimischen Doktorandin Mira Sievers, Frankfurt Sievers: „Anbetung“ aus islamischer Sicht – was kann das sein? Ich denke an ‘ibāda, das arabische Wort für gottesdienstliche Handlungen. Und das beste Beispiel für ‘ibāda ist das Gebet, insbesondere die Niederwerfung. Schon in den frühsten Suren des Korans, die der Prophet Muhammad empfangen hat, findet sich eine solche Nähe von Niederwerfung und Gottesdienst (z.B. 53:62). Gott zu dienen, das heißt: ihn anzubeten – zuallererst im fünfmal täglichen Ritualgebet. Versteht man Anbetung als ‘ibāda, dann wäre sie sogar Sinn der Erschaffung des Menschen (51:56) und damit auch für den Islam zentral. Körner: Als Papst Franziskus die „Blaue Moschee“ von Istanbul besuchte, erklärte ihm Mufti Rahmi Yaran: Moschee ist „Ort der Niederwerfung“. Übersetzt wurde „Ort der Anbetung“. Nach der Gebetsstille sagte Franziskus: Ja, Gott nicht nur loben und preisen, sondern ihn anbeten! Gedolmetscht wurde „… sondern sich niederwerfen“. Papst und Mufti werden sich trotzdem verstanden haben: Beim Gebet können wir alle Gedanken und Worte wie die Schuhe ablegen, Gott nur noch staunend anschauen, und uns von ihm anschauen lassen. Mira, kennst Du Augenblicke beim Beten, in denen aus den Worten keine Gedanken und aus den Gedanken keine Worte mehr werden? Sievers: Ja, das kenne ich. In der letzten Woche habe ich in der Freitagsmoschee der iranischen Wüstenstadt Yazd gebetet. Der große Gebetsraum ist zum Innenhof offen, hohe Bögen lassen viel Licht in den Raum unter der Kuppel fallen, und die Wände sind mit blauen Kacheln bedeckt. Ihre geometrischen Muster wirken unendlich. Ansonsten ist der Raum leer. Diese Leere schafft Raum für die Koranrezitation, den wichtigsten Teil des islamischen Gebets. Was dabei passiert, ist jedoch seit frühester Zeit ein Problem der islamischen Theologie: Der Koran ist Rede Gottes, aber wird in der Rezitation von einem Menschen vorgetragen. Was hört man also – die urewige Rede Gottes oder die erschaffene Rede des Menschen? Im Gegensatz zu deinem Beispiel, dass man Gott staunend anschaut, höre ich in der Koranrezitation also gewissermaßen staunend auf Gott, oder besser: Ich höre Gott staunend durch meine eigene Zunge zu. Auch dies ist im Grunde ein Moment, in dem man still vor Gott ist – obwohl man rezitiert. 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG

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