Jesuiten 2017-4

Lebensphase gibt es selten. Vielleicht war das auch – trotz Zweifel – der ausschlaggebende Grund, den Gebetskreis zu besuchen. Als ich zum ersten Mal die knarrenden Stufen zur Kapelle hochging, hörte ich schon viele Stimmen. Ich muss zugeben, das hat mich überrascht, denn nur allzu oft habe ich die Erfahrung gemacht, dass bei kirchlichen Angeboten nur eine Handvoll Menschen da sind. Hier ist es anders. Im Schnitt sind wir rund 20 Teilnehmer. Der Gebetskreis ist ein offenes Angebot und regelmäßige Teilnahme daher keine Pflicht. Es gibt meistes einen klaren Ablauf: Impuls, Stille, Austausch zum kommenden Sonntagsevangelium, Fürbitten, Vater Unser, Schlusssegen. Dazwischen wird gesungen. Ich habe mich sofort von den Texten und Liedern angesprochen gefühlt. Der Gebetskreis ist für mich – damals und auch heute – wie eine Oase. Ich gehe immer mit einem guten Gefühl nach Hause. Seitdem ich regelmäßig den Gebetskreis besuche, spielt das Gebet für mich im Alltag eine größere Rolle. Zu beten ist für mich seitdem viel selbstverständlicher geworden. So bete ich heute auch in Situationen, in denen ich es früher nicht in Erwägung gezogen hätte. Ich habe eine Art Routine entwickelt. Damit meine ich nicht, dass ich etwas ohne Gefühl „runterleiere“. Im Gegenteil. Ich nehme mir ganz bewusst Zeit dafür. Das hat wiederum Auswirkungen auf meinen Alltag: Ich bin gelassener geworden. Mir ist stärker bewusst, dass ich angenommen und begleitet werde. Am Gebetskreis mag ich nicht nur, dass er eine Zeit für mich ist, sondern auch den Austausch mit anderen. Die Selbstverständlichkeit und Offenheit, mit der wir über das Evangelium diskutieren, gefällt mir. Es gibt kein „richtig“ und kein „falsch“: Jeder kann sagen, was er denkt – es wird zu keinem Zeitpunkt gewertet! Es inspiriert mich, die Ansichten der anderen zu hören, und oft denke ich noch den Rest der Woche über das Gesagte nach. Jeder kann sich im Gebetskreis einbringen und ihn gestalten. So wird auch mal getanzt, werden Gedankenreisen inszeniert und Bibliodrama-Elemente genutzt, um sich dem Evangelium zu nähern. Letztlich machen die Menschen den Gebetskreis zu dem was er ist: ein „kleines Himmelreich“. So hat es mal jemand aus dem Kreis formuliert. Ich habe in dem letzten Jahr tolle, offene Menschen kennengelernt. Und es freut mich, dass wir nicht nur miteinander beten, sondern uns auch zusammensetzen, was trinken und quatschen. Sommerfest, Weihnachtsfeier und Hüttenwochenende sind ebenfalls feste Bestandteile. Eine solche Gemeinschaft gefunden zu haben, ist für mich ein echtes Geschenk. Katharina Sichla 5 JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==