Jesuiten 2017-4

Berührt „Der Islam hat in mir eine tiefe Erschütterung gezeugt… Dieser Glaube, diese Menschen, die in der ständigen Gegenwart Gottes leben, haben mich etwas Größeres und Wahreres erahnen lassen als alle mondäne Beschäftigung.“ Diese Zeilen schreibt Charles de Foucauld im Jahr 1901 an seinen Freund Henry de Castries, den er teilhaben lässt an seinem spirituellen Werdegang. Noch fünfzehn Jahre nach seiner Bekehrung erkennt er im Rückblick die Bedeutung der Begegnung mit dem Islam in seinem persönlichen Glaubensweg an. Spuren davon finden sich auch im Forschungswerk des jungen Offiziers, der das den Christen damals verbotene Marokko durchreist, völlig der lokalen Bevölkerung ausgesetzt: „In solchen Nächten der Sammlung versteht man den Glauben der Araber an eine geheimnisvolle Nacht, leïla el Kedr, in der alles Unbelebte in der Natur sich beugt, um seinen Schöpfer anzubeten.“ Charles, der bisher in Luxus, Abenteuern und Frauengeschichten seinen Hunger nach Leben zu stillen suchte und nun auf eine große innere Leere stößt, ist berührt vom Anblick dieser betenden Menschen, die sich auf nackter Erde vor der Größe Gottes hinstrecken. Die radikale Geste der Anerkennung der Existenz Gottes, Urgrund und Ziel alles Geschaffenen, trifft den jungen Mann ohne Glauben. Erahnt er bereits, dass Anbetung aus der Enge eines Lebens herausführt, in dem alles sich im Ich erschöpft? Dass sie den Blick weitet, die menschliche Zerbrechlichkeit in der Unendlichkeit Gottes birgt? Dass sie den Weg zum DU öffnet, nach dem jedes menschliche Herz sich sehnt? Erahnt er, der ohne wirkliches Ziel dahinlebende junge Mann, das Glück eines Lebens, das Einheit und Orientierung findet in der Ausrichtung auf Gott hin? Nach seiner Rückkehr nach Frankreich verbringt er lange Stunden in leeren Kirchen, allein mit diesem seltsamen Gebet: „Mein Gott, wenn es Euch gibt, so lasst, dass ich Euch erkenne“. Im Oktober 1886 bittet der um den Glauben Ringende den Priester Huvelin um Unterredung. Huvelin lässt ihn niederknien und beichten: die Stunde der Gnade. Erlebnis tiefer Gottesbegegnung in der Erfahrung der Barmherzigkeit, gibt es nunmehr für Charles keinen Zweifel mehr: „Sobald ich glaubte, Gott existiere, wusste ich: Ich kann nicht anders, als ganz für ihn leben.“ Zeit seines Lebens wird er der Anbetung Jesu in der Eucharistie treu bleiben. Den Menschen des Islam, die ihm auf geheimnisvolle Weise wegweisend geworden sind auf seinem Weg hin zu Gott, schenkt er sein ganzes Leben und seine ganze Freundschaft. Kleine Schwester Katia 6 SCHWERPUNKT JESUITEN n DEZEMBER 2017 n ANBETUNG © Wollerich/photocase.com

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