Jesuiten 2018-1

Zum Dompteur der eigenen Bedürfnisse werden „Wie zahlreich sind doch die Dinge, derer ich nicht bedarf“, meinte Sokrates einst mit sich im Frieden seiend. Aber Gott sei Dank: Ganz frei von Bedürfnissen war auch er nicht. Jeder Mensch hat Bedürfnisse - auch große griechische Philosophen. So individuell sie erscheinen, so wesentlich formend sind sie letztlich, weil sie ihre Befriedigung wünschen. Abraham Maslow entwickelte einst eine Pyramide der Bedürfnisse, deren Basis existenzielle Grundbedürfnisse wie etwa Essen und Trinken aber auch Schlafen ausmacht und an deren Spitze die individuellen Bedürfnisse und die Selbstverwirklichung stehen. Erst wenn die Basis befriedigt ist, kann der Mensch zum Ziel gelangen, sich selbst zu verwirklichen. Auch Henry Murray unterscheidet zwischen körperlichen Bedürfnissen und stellt diesen psychogene Bedürfnisse gegenüber. Diese folgen keiner Hierarchie, und jeder von uns hat sie inne. Dazu zählen u.a. Leistung, Unabhängigkeit, Fürsorglichkeit, Ordnung oder Selbstdarstellung, aber auch Unterwürfigkeit, Aggression, Machtausübung und nicht zuletzt sozialer Anschluss oder Sexualität. Interessant, wie Maslow und Murray die Bedürfnisse in zwei Kategorien einteilen: in körperliche und psychische. Da werden die körperlichen gern zu primären Bedürfnissen. Dabei wird vergessen, dass beispielsweise das „psychische“ Bedürfnis der Sexualität ohne Körper recht schwer zu verstehen ist. Auch mag ein Mensch zwar ausreichend Nahrung haben und satt sein - aber wenn er sozial völlig isoliert wird, dann geht er dennoch buchstäblich auch körperlich zu Grunde. So erscheint es mir sinnvoll, diese Trennung zwar aus pragmatischen Gründen vorzunehmen, ihr aber dann keine endgültig praktische Konsequenz zuzurechnen. In meiner Praxis vergleiche ich Bedürfnisse gern mit Gefühlen. Einerseits weil sich Bedürfnisse oft über Gefühle melden. Andererseits, weil sie vieles gemeinsam haben: So wie es Gefühle gibt, die mir angenehm oder unangenehm sind, so gibt es auch Bedürfnisse, deren Ausleben mir angenehm oder unangenehm erscheint. Letztere mögen wir nicht so recht und würden sie am liebsten wegsperren. De16 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2018 n KÖRPER Jeder hat Bedürfnisse, die teils wie wilde Tiger wüten.

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