Jesuiten 2018-2

Christlicher Humanismus 4.0 Die Digitalisierung, heißt es deutlich vernehmbar, stellt uns vor grundlegende technologische und gesellschaftspolitische Herausforderungen. Das weit verbreitete Gefühl, einem tiefgreifenden Wandel beizuwohnen, dessen Erfassung bisher schemenhaft bleibt, läuft für Schulen auf die zentrale Frage hinaus: Was muss Bildung angesichts der Unsicherheiten des digitalen Wandels leisten, damit junge Menschen zu freien, selbstbestimmten und ur- teilsfähigen Personen heranwachsen können? Für ignatianische Schulen gilt zudem: Worin besteht im Bildungsprozess das „Plus“ des christlichen Humanismus? Aus der Fremdperspektive der Politik- und Kommunikationsberatung lässt sich feststellen: Ein großes „Plus“ liegt im tradierten Reservoir christlicher Sprache. Wer den Unwägbarkeiten der Digitalisierung begegnen will, findet in diesem Vokabular mannigfaltige Möglichkeiten der Artikulation menschlicher Spannungsfelder. Indem wir Digi- talisierungsphänomene, die unser Men- schsein im Kern betreffen, begrifflich sortieren, nehmen wir ihnen den Anschein einer unausweichlichen historischen Kraft und machen sie politisch handhabbar. Und zwar mit einer festen Haltung. Für den Diskurs über künstliche Intel- ligenz etwa liefert der christliche Humanismus einen semantischen Rahmen. Christen sind prädestiniert, Debatten über die Unterscheidung zwischen Mensch und Maschine zu prägen – anhand der Gottesebenbildlichkeit und der daraus abgeleiteten Würde des Menschen. In ihrer Doppelrolle als religiöser und grundgesetzlicher Ankerbegriff offenbart Würde das Potential christlicher Interventionen in politische Richtungsentscheide. Demut wiederum kann gegen technologische Hybris ins Feld geführt werden. Menschsein für andere als Mahnung, die Folgen des digitalen Wandels für Arbeit gerecht zu gestalten. Grundsätzlich können Bibelstellen die Kommunikation ignatianischer Positionen stützen, indem sie Gott mit Freiheit zusammendenken (vgl. 2. Korinther 3, 17). Christliche Sprache umfasst zudem Sym- bolsprache, wie sie sich in Ritualen manifestiert. Der Begriff der Demut findet sein Pendant in der Handlung des Niederkniens. Hierin zeigt sich ein Verständnis von Macht, das Selbstbegrenzung nicht als Schwäche, sondern Stärke auslegt. Das ist relevant, um eine 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2018 n IDENTITÄT Was muss Bildung angesichts der Unsicherheiten des digitalen Wandels leisten?

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