Jesuiten 2018-2

Identitätsbildung im Jesuitenorden Wenn es nicht gerade wie aus Eimern schüttet, laufe ich vor dem Schlafengehen noch zur Siegessäule. Auf dem Weg lasse ich den Tag im Examen Revue passieren. Auch wenn ich mal nicht rauskomme – den Tagesrückblick lasse ich nicht aus. Er gehört für mich dazu und hilft mir beim Wachsen, indem ich danke für das, was mir Freude gemacht hat, wo ich echt war und indem ich für den nächsten Tag noch ein paar Stellschrauben nachziehen kann, wenn etwas schiefgelaufen ist und ich nicht so verfügbar war für das, was mir begegnet ist. Das Examen setzt die einzelnen Mosaiksteine eines Tages im rechten Licht zusammen. Das Bild des Mosaiks passt auch für das Hineinwachsen in den Jesuitenorden. Jesuit-Sein besteht aus verschiedenen Mosaiksteinen: Die verschiedenen Aufgaben im Orden, die Exerzitien, die Verfügbarkeit und ein liebevoller Blick auf die Wirklichkeit. Entscheidende Mosaiksteine sind aber auch die unterschiedlichen Mitbrüder und der Austausch mit ihnen. Auch jeder Tag meines Lebens wird zu einem Mosaiksteinchen. Anders als das Mosaik eines Tages, ist das Ordensmosaik nie ganz abgeschlossen: Ich darf meinen Platz im Mosaik finden. Der Platz, an dem ich der sein kann, der ich wirklich bin, wo ich echt sein kann mit meinen Ecken und Kanten. Der Platz, an dem ich merke, dass mein Herz nicht eng und hart, sondern weit und zart wird. Jesuit-Sein heißt für mich vor allem, bereit zu sein, mein Herz formen zu lassen und mich immer wieder neu von Gott im Alltag überraschen zu lassen. Dazu hilft – wie im Examen – ein offener Blick auf das, was ist. Und ganz simple Dinge wie eine abendliche Runde durch die Straßen Berlins. Dag Heinrichowski SJ, Jugendarbeit am CanisiusKolleg in Berlin 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2018 n IDENTITÄT Das Examen setzt die einzelnen Mosaiksteine eines Tages im rechten Licht zusammen.

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