Jesuiten 2018-2

Seit 2017 bin ich verantwortlich für die Mitbrüder in Ausbildung. Im Gespräch mit ihnen frage ich oft, wie es ihnen auf dem jährlichen Treffen der Jesuiten ergangen ist. Dieses „Familientreffen“ mit den entsprechenden Dynamiken zeugt viel von Ordensidentität. Bei mir hat es viele Jahre gebraucht, bis ich mich dort wirklich wohl gefühlt habe. Sich auf Mitbrüder freuen – von Mitbrüdern wissen, die sich auf mich freuen – Interesse aneinander haben – Wertschätzung erfahren – ohne Scheu von sich selber erzählen können. Was mir in meiner Ordensidentität geholfen hat: Der Austauschkreis mit drei Mitbrüdern, mit denen ich mich seit 12 Jahren dreimal im Jahr treffe. Dort erzählen wir uns von unserem Leben. Die gemeinsamen Erfahrungen wie die Weltjugendtage 2005 und 2008. Wichtig waren auch gemeinsame Urlaube mit Mitbrüdern, die ich (leider) erst nach einigen Jahren im Orden „entdeckt“ habe. Und schließlich die pastorale Arbeit an verschiedenen Orten Deutschlands. Das gemeinsame Tun hilft! Eine schöne Antwort auf eine Bitte ist: „Ja, natürlich, gerne!“ Darum geht es auch in der Ordensausbildung: JA sagen zu einer bestimmten Lebensweise, wohl wissend um die Realitäten. NATÜRLICH meint, diese Lebensweise als etwas Selbstverständliches sehen zu können, das nicht ständig in Frage gestellt werden muss. GERNE bedeutet, mit dem Gelernten großzügig umzugehen und sich so für das Reich Gottes einzusetzen. Beim Ordenseintritt 1970 war ich 19 Jahre alt, hatte ein gutes Abiturzeugnis, verstand aber nicht viel vom Leben. Denn ich hatte neun Jahre lang in einem strengen Internat tief in der Eifel gelebt. Der Eintritt wirkte wie ein Wachstumsbeschleuniger – durch die doppelte spannungsgeladene Aufforderung: Geh nach innen und geh nach außen! Nach innen wurde ich durch regelmäßiges Beten geführt, vor allem durch die Exerzitien. Diese halfen mir in 30 Tagen, den lebendigen Christus für mich zu entdecken. Ohne diese Verankerung könnte ich selbst nicht verstehen, wer ich bin und was ich will. In meinen 48 Ordensjahren wandelte sich diese innere Beziehung immer wieder, besonders auch durch die Lehranalyse im Rahmen meines Psychologiestudiums. Der innere Weg bleibt unabgeschlossen, da Christus einlädt, ihn „mit ganzer Seele, mit ganzem Herzen und mit allen Kräften“ zu suchen. Und geh nach außen! Ich war gefordert, mich immer wieder auf neue Situationen, Menschen und Aufgaben einzulassen. Allein im Noviziat gab es fünf verschiedene Praktika. In 48 Jahren bin ich 15-mal umgezogen. Jede Etappe führte in eine neue Welt und zeigte mir neu, wer ich bin, was ich kann und was nicht. Über die Begegnung mit den Armen fand ich einen Zugang zur eigenen Hilflosigkeit. Meine Jugendgruppenleiterinnen lehrten mich, als zölibatärer Priester fair mit Frauen umzugehen. Dieser Weg sagt mir: Du darfst ein Lernender bleiben. Lass Dich offen auf neue Situationen und Hausgemeinschaf- ten ein. Und suche danach, in allem Gott zu finden. Franz Meures SJ, Mannheim, Fortbildung für Ordensleute Christoph Soyer SJ, München, Ausbildungsdelegat der Deutschen Provinz der Jesuiten 3 JESUITEN n JUNI 2018 n IDENTITÄT

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