Jesuiten 2018-3

Begeistert von der heutigen Welt 28. September 1991. Ich sitze im Flugzeug Richtung Toulouse, wo ich – mit 24 Jahren – ins Postulat meines Ordens, la Xavière, eintreten werde. Dafür habe ich meine Heimat, Deutschland, für immer verlassen. In der Hand halte ich ein kleines Holzkreuz, das mir ein guter Freund geschenkt hat. Ich heule Rotz und Wasser. Alles zu verlassen, Familie, Freunde und Land macht mir wohl doch mehr aus, als ich dachte. Und trotzdem spüre ich in mir einen großen inneren Frieden, den mir das kleine Holzkreuz vermittelt. Christus war dort, wo ich gerade herkomme, er ist mit mir in diesem Flugzeug und er erwartet mich dort, wo ich in einer Stunde ankommen werde. In mir wächst die Zuversicht, dass meine Heimat in Gott ist, egal wo ich wohne und lebe. Seither habe ich in Toulouse, Meudon, Créteil, Paris, Beaumont de Pertuis, Marseille und Hamburg gelebt. Die Zuversicht, in Gott meine Heimat zu haben, wächst bis heute weiter. Zugegeben, das war und ist nicht immer einfach. Ich hatte bereits zwei Jahre in Marseille als Au-Pair und Studentin gelebt. Zwei unglaublich intensive und erlebnisreiche Jahre, in denen ich meine Berufung entdeckt hatte und alles vorbehaltlos toll fand. Das änderte sich, als ich dann in den Orden eintrat: Ich wurde empfindlicher. Kulturelle Unterschiede wie die Essgewohnheiten, das Verhältnis zur Disziplin, das Kirche sein in Frankreich und die Politik musste ich nun hinnehmen ohne denken zu können, es ist ja nur für ein Jahr. Dazu die Sprache: Freundschaftliche Gespräche, geistlicher Austausch in der Gemeinschaft, Sakramente, Verwaltung, Studium, Prüfungen, Diplomarbeit, Seelsorge: alles war ausschließlich auf Französisch. Intellektuell fiel mir das nicht schwer, aber für immer so zu leben, rief in mir teilweise heftige Widerstände hervor. Viele Phasen haben sich abgewechselt. Dabei gab es auch die Angst, einen Teil meiner Identität zu verlieren, nie ganz dazu zu gehören…. In der Gemeinschaft haben wir auch gerungen, bis wir uns gegenseitig sagen konnten: Wir können in einem Land Ausländerinnen sein, aber nicht in unserer 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2018 n DIE WELT – UNSER HAUS Dabei gab es auch die Angst, einen Teil meiner Identität zu verlieren. © Margie/photocase.com

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