Jesuiten 2018-4

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, vielleicht kommt Ihnen das bekannt vor: Der Weihnachtstag ist plötzlich da, aber so richtig freuen kann man sich nicht. Aus der geschäftigen Adventszeit ist man eher unsanft hinübergestolpert und im Kopf schwirrt einem alles Mögliche herum, nur keine frommen, „besinnlichen“ Gedanken. Und recht schnell macht sich eine Enttäuschung breit – sollte ich als guter Christ oder gute Christin nicht mehr erfüllt sein, mehr „brennen“ für den menschgewordenen Gott? Am 25. Dezember 1542 beschrieb der Heilige Peter Faber in seinem geistlichen Tagebuch eine ganz ähnliche geistliche Erfahrung, die er am Weihnachtsmorgen gemacht hatte: „In der ersten Messe, als ich mich vor der Kommunion kalt fühlte und betrübt war, dass meine Wohnung nicht besser bereitet sei, da überkam mich ein recht lebendiger Geist, in dem ich mit innerer und inniger Andacht … folgende Antwort vernahm: ‚Das bedeutet, dass Christus in einen Stall kommen will. Wenn du nämlich schon glühend wärest, fändest du jetzt die Menschheit deines Herrn nicht; denn du sähest geistlicherweise viel weniger einem Stall ähnlich.‘ So fand ich meinen Trost im Herrn, der in ein so kaltes Heim zu kommen geruhte.“ Wer war dieser Peter Faber? Dieser unbekannte Heilige, der Gott als einen so nahbaren, menschenfreundlichen Gott erlebte, der uns in seiner Menschwerdung gerade in unserer Unfertigkeit und inneren Unaufgeräumtheit entgegenkommen will? Peter Faber ist eine jener Gestalten der Kirchengeschichte, die über lange Zeit nur einer kleinen Zahl von Experten näher bekannt war. Papst Franziskus hat ihn im Dezember 2013 heiliggesprochen, und das war sicher kein Zufall, denn viel verbindet die beiden. Um nur zwei Aspekte zu nennen: ein Leben aus dem Geist der Exerzitien und die Qualität eines Brückenbauers, der durch geduldige Gespräche und im Gebet verwurzelt tiefe ideologische Gräben zu überwinden versucht. Franziskus hat immer wieder betont, wie stark er von Faber und seinem Charisma geprägt ist. Insofern kann uns Faber durchaus auch ein Schlüssel sein, den gegenwärtigen Papst besser zu verstehen. Ich hoffe, dass Sie bei der Lektüre dieses Heftes einen interessanten Menschen und Jesuiten kennenlernen – als historische Person, aber vor allem als inspirierenden Beter und Gefährten Jesu. Ich bin überzeugt, wir können auch heute noch viel von ihm lernen. In Dankbarkeit für Ihr Interesse, Ihre treue Verbundenheit mit uns Jesuiten und den besten Wünschen zum Weihnachtsfest, Ihr P. Johannes Siebner SJ Johannes Siebner SJ Provinzial 1 JESUITEN n DEZEMBER 2018 n DAS CHARISMA DES PETER FABER

RkJQdWJsaXNoZXIy MjIwOTIwOQ==