Jesuiten 2019-1

Dankbarkeit üben Meine Arbeit als Kaplan und Studentenseelsorger erlebe ich als eine sehr sinnvolle und bereichernde Aufgabe. Wie notwendend sie ist, spüre ich besonders beim Beichthören. Egal, ob anonym im Beichtstuhl, wenn ich nur auf die Worte konzentriert bin, oder bei einem Beichtgespräch, in welchem man sich gegenübersitzt, egal, ob jung oder alt: wenn ich am Ende der Beichte die Lossprechungsworte zusagen darf, dann sind das immer Worte, die befreien und bestärken. Sie lauten: „Gott, der barmherzige Vater, hat durch den Tod und die Auferstehung seines Sohnes die Welt mit sich versöhnt und den Heiligen Geist gesandt zur Vergebung der Sünden. Durch den Dienst der Kirche schenke er dir Verzeihung und Frieden. So spreche ich dich los von deinen Sünden im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“. Das ist der Moment, in dem Gottes Liebe zu uns Menschen konkret wird und er uns vielfältige Lasten, die auf unserer Seele liegen, abnimmt. Gottes Liebe befreit uns von Schuld und stärkt uns neu für unseren Alltag. Meist frage ich am Ende der Beichte, wofür er oder sie dankbar sei. Das erstaunt die meisten. Als Antwort höre ich: für mein Leben, für meine Familie, für meinen Beruf etc. Das ist wunderbar und ein Segen, wenn man dafür dankbar sein kann. Trotzdem frage ich nochmals nach: „Ganz konkret, wofür sind Sie dankbar während der letzten 24 Stunden? Auch wenn es nur irgendeine Kleinigkeit ist, nur das Zwitschern der Vögel. Drei Dinge finden sich immer!“ Gelegentlich finden sich dann sogar viel mehr, manchen fällt es aber auch schwer, drei Begebenheiten zu benennen. Warum mache ich das? Es entspricht unserer Erfahrung, dass die Welt ziemlich laut, hektisch und stressig sein kann. Damit ist die Tendenz gegeben, dass sich Erlebnisse in den Vordergrund drängen und alles andere übertönen, die sich diesem Lärm und Druck beugen: wenn etwas schiefgegangen ist, wenn wir etwas falsch gemacht, vielleicht sogar gesündigt haben. Je mehr ein Abergeist unsere Gedanken um das Misslungene, um Schlechtes und Schwieriges kreisen lässt, umso mehr wird Gottes Gegenwart in unserem Leben dadurch in den Hintergrund gedrängt. Selbst die befreiende Zusage der Lossprechung in der Beichte kann dabei schnell in Vergessenheit geraten. Gegen diese Dynamik ist eine Fokussierung auf die Dankbarkeit ein hilfreiches Heilmittel. Denn in den Erlebnissen und Momenten der Dankbarkeit lassen sich die Spuren Gottes in unserem Leben konkret entdecken. Gottes Geist kann uns in einem Lächeln oder einer helfenden Hand aufleuchten. Der schöpferische Geist Gottes schimmert durch die Blüte am Straßenrand, kann sich im Sprießen der Blätter zeigen. Der begleitende Geist Gottes wird erfahrbar, wenn mir etwas gelingt. Deswe22 JESUITEN n MÄRZ 2019 n ABERGEISTER GEISTLICHER IMPULS

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