Jesuiten 2019-2

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN Wo geben Jesuiten Macht ab? Die Überschrift, unter der ich diesen Artikel schreiben darf, lässt mich zunächst einmal darüber nachdenken, ob Leitung mit Macht gleichzusetzen ist…?! Wohl aber hat Leitung in diesem Fall mit der Akzeptanz einer Leiterin in einem von Männern dominierten Betrieb zu tun. Viele Jahre vor der Gründung des Mädcheninternates am Jesuitenkolleg St. Blasien 1989, waren Mädchen am Kolleg als externe Schülerinnen willkommen und Lehrerinnen gab es auch schon einige Jahre, nachdem der Bedarf an Lehrkräften nicht mehr nur durch Jesuiten abgedeckt werden konnte. Dennoch: Nach außen wirkte das Kolleg als ein geschlossenes, ja beinahe elitäres System. Im Internat waren damals beinahe 400 Jungen untergebracht, damals noch in spartanisch eingerichteten Schlafsälen und Großraumstudiersälen mit wenig Möglichkeit zur individuellen Entfaltung. So kam ich 1982 in diese Männerdomäne, wo der Ton durchaus direkt und nicht immer sehr höflich war. Doch was schon damals spürbar war: der Zusammenhalt der Kollegsfamilie war groß und eng. Internatspädagogik lernt man, gerade auch als Lehrerin, die ich eigentlich bin, an keiner Universität und hier nun war ich mit jesuitischer Pädagogik konfrontiert. Klarer Menschenverstand und konsequentes Handeln waren hier gefragt. Die Leitungsstrukturen waren damals hierarchisch, männlich und direktiv. Praktisch alle Leitungsämter waren von Jesuiten besetzt. Und dennoch – gerade diese Leitung hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt und sich darüber Gedanken gemacht, auch Mädchen ins Internat aufzunehmen. Es lagen dafür kaum Erfahrungswerte vor – schon gar nicht in Sankt Blasien. Nach intensiven Überlegungen und einer Feldforschung entschied man sich 1988, das Internat für Mädchen zu öffnen: das erste Mädcheninternat an einer Jesuitenschule weltweit! Nun war der Zeitpunkt gekommen, Macht abzugeben, denn dieser Mädchenabteilung sollte eine Frau vorstehen. Macht abgeben, hieß in diesem Fall: Vertrauen in diejenige Person haben, die diese Aufgabe übernehmen sollte. So wurde ich zur stellvertretenden Internatsleiterin mit Zuständigkeit für die Mädchen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich insbesondere in den ersten Jahren sehr viel Überzeugungsarbeit leisten musste. Meine Gründungsarbeit wurde stets sehr wertgeschätzt – aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich mir als Frau keine Fehler erlauben durfte. Da waren die Herren nicht immer so kooperativ wie heute … Und dennoch: ich hatte im Bereich des Mädcheninternates stets viel Handlungsspielraum und Gestaltungsmöglichkeiten. Der Internatsleiter – ein Jesuit – hat mich

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