Jesuiten 2019-2

Kirche der Frauen Jesuiten 2019/2 ISSN 1613-3889

Titelbild Collage © joseyyo estudio Wenn diese Ausgabe der „Jesuiten“ sich mit Frauen und ihren unterschiedlichen Rollen in der Kirche beschäftigt, bildet sie einen Spiegel. Sie reflektiert: Was tut sich da? Wo gibt es Aufbrüche – oder gar Rückschritte? Was denken, fühlen und wünschen sich Frauen und Männer für sich und voneinander? Wohin bricht die Kirche auf? Die Bildmotive in diesem Heft sind auch Spiegel-Konstellationen: Sie bringen Jahrhunderte zusammen, stellen alte und neue Frauenbilder gegenüber und verbinden so Themen, Gedanken, Ansichten, Wünsche, Sehnsüchte. Mal entsteht so ein Kontrast, mal eine Ähnlichkeit. Und so stellen die Bilder der Betrachterin und dem Betrachter die Frage: Wie sehe ich mich eigentlich selbst? Stefan Weigand Ausgabe Juni/2019 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Jesus und die Frauen 4 „Mary Ward war eine starke Frau“ 6 Wo geben Jesuiten Macht ab? 8 Frauen in Leitungspositionen 11 Frauen übernehmen die Gemeinde 12 Frauen als Priesterinnen: Ein Gespräch über Gewohnheit und Gerechtigkeit 14 Die Zukunftsvision einer Frau für ihre Kirche 16 Frauen im Domkapitel 18 Die Zukunftsvision eines Provinzials für seinen Orden 29 Frauen an der Hochschule für Philosophie? Geistlicher Impuls 22 Freude Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Buch 29 Alex Lefrank: Die vielen Entscheidungen und das eine Leben Vorgestellt 30 Mehr als nur Philosophie studieren 33 Die besondere Bitte 34 Autoren dieser Ausgabe 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, Frauen wollen in der Kirche gleichberechtigt mitwirken, wollen sie mitgestalten und auch verkünden. Initiativen wie „Maria 2.0“ haben uns dies in den letzten Wochen eindrücklich gezeigt und bieten eine Debatte an. Dabei zeigt sich, auch die Männer wollen es. Aber wir geben auch zu, dass wir uns mit diesem Heft schwer getan haben! Was haben wir gerungen und abgewogen. Getreu dem Motto Karl Valentins „Es ist schon alles gesagt nur noch nicht von allen…“ haben wir verworfen, umentschieden und immer wieder neu überlegt: Braucht es ein Jesuiten-Heft zum Thema Frauen? Kann ein Heft eines Männerordens über Frauen schreiben? Es war kompliziert und dennoch: wir haben es getan und waren froh, dass unsere Öffentlichkeitsreferentin Pia Dyckmans ein Teil dieser Redaktion ist. Schwierig gestaltete sich der Inhalt: Worüber wollen wir schreiben? Wollen wir lamentieren oder wir resignieren, dass vieles so mühsam ist? Oder zusammentragen, was wir an Geschichte und Geschichten zu diesem Thema schon haben: gute wie weniger gute. Hoffnungsvolle wie weniger froh machende. Schauen was ist, was es schon einmal gab und wohin wir gemeinsam gehen könnten. Schwierig gestaltete sich auch der Titel: Wie soll das Heft heißen? Frauen in der Kirche? Frauen außerhalb der Kirche? Kirche und die Frauen oder einfach nur Frauen? Es ist nun Kirche der Frauen geworden. Nicht, weil es eine eigene Kirche der Frauen gäbe – wohl aber weil die eine universale Kirche auch eine Kirche der Frauen ist. Das zeigen auch die Artikel der zahlreichen Autorinnen und Autoren: Frauen sind existenzieller Bestandteil der Kirche. Schwierig war dann auch die Autorensuche: nicht wenige konnten oder wollten zu diesem Thema nichts schreiben. Vielleicht stehen all diese Schwierigkeiten nicht nur in Zusammenhang mit diesem Thema, sondern mit der insgesamt schwierigen – ja, krisenhaften – Situation der katholischen Kirche. Nun aber halten Sie dieses Heft in der Hand und wir sind froh, dass es uns gelungen ist, nicht etwa eine „Kampfschrift“ zu produzieren, in welcher schon oft gesagtes wiederholt wird. Nein: Dank der Autorinnen und Autoren gelang ein Dreischritt von der Vergangenheit zur Gegenwart zu Perspektiven der Zukunft des Themas: Frauen und die katholische Kirche. Wir wünschen Ihnen viel Freude und Anregung beim Lesen dieses Heftes! Holger Adler SJ Pia Dyckmans Marco Hubrig SJ 1 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

Jesus und die Frauen Beginnen wir mit Maria von Magdala: Sie ist in allen vier Evangelien (!) ausdrücklich als Zeugin der Verhaftung, Kreuzigung, Grablegung und Auferstehung genannt. Die mit ihr erwähnte Frauengruppe als Teil der Jesusbewegung auf dem Weg von Galiläa nach Jerusalem ist jeweils mit unterschiedlichen Namen besetzt; ihr Name ist durchgängig. Dieses Zeugnis allein hätte schon genügen müssen, den Frauen in den Gemeinden und der späteren Kirche ihre Verkündigungs- und Leitungsfunktionen zu begründen und zu bewahren. Wenn Frauen eigens Erwähnung finden in einem ansonsten männlich geprägten Text, dann war ihre Bedeutung herausragend. Frauen der späteren Jesusgruppen und -gemeinden beriefen sich auf Maria von Magdala, um ihre Verkündigung und Leitungsfunktionen gegenüber Anfeindungen zu verteidigen. Leider sind weitere Zeugnisse über Maria von Magdala nur noch in gnostisch geprägten Evangelien zu finden. Aber es scheint trotzdem durch, dass sie ihrer Verkündigung einen eigenen Akzent gab, der in Widerspruch geriet zur „Petruslinie“, die sich in einigen frühen Gemeinden durchzusetzen begann. Es gibt viele Phantasien über ihre Beziehung zu Jesus, die meisten sind geprägt von Romantik oder Kitsch und verdunkeln ihre wirkliche Bedeutung. Auch die Geschichte von Maria und Martha (Lk 10) ist ein Nachhall auf die Bedeutung von Frauen in der Jesusbewegung. Hintergrund ist der Konflikt um ihre Rolle: Sollen sie in dem ihnen zugeteilten häuslichen Rahmen (Martha) bleiben? Oder dürfen sie, nachdem sie das Evangelium gehört haben, es als Befreiung aus dieser Rolle auffassen (Maria) und selbst Verkündigerinnen werden? Lukas lässt Jesus selbst sprechen und entscheiden: „Maria hat den guten Teil gewählt, der wird ihr nicht genommen werden“. Leider ist es dabei nicht geblieben; den Frauen wurde recht bald mit dem Aufstieg der Jesusbewegung zur organisierten Religion und später Reichsreligion diese Möglichkeit sehr wohl genommen. In seiner Apostelgeschichte gibt Lukas wieder, dass die erste Gemeindegründung auf europäischem Boden in einer reinen Frauengruppe geschieht, Lydia ist ihre mutige Sprecherin (Apg 16). Auch die Jüngerin Tabitha ist Mittelpunkt der Bewegung, die vielen zu ihrem Glauben an den Messias verhilft. Sie hatte eine Witwengruppe in ihrem Haus versammelt, um die sie sich liebevoll (sogar mit Nadel und Faden!) kümmerte – das darf und kann nicht sterben. Deshalb wird sie wieder auferweckt und kann sich weiter in den Dienst des Messias stellen – mit großer Wirkung, wie der Text anschaulich wiedergibt. Paulus, der erste Textzeuge, durfte jahrhundertelang als Frauenfeind diffamiert werden. Das negative Urteil über ihn und seine angebliche Zurückweisung der Frauen speist sich vor allem aus den sogenannten Pastoralbriefen, die nicht von Paulus stammen. Sie spiegeln die Konflikte um die Zurückdrängung der Frauen 2 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

in der frühen Christenheit wieder. Paulus selbst erwähnt mehrfach, dass er den Messias mit Hilfe einer Frau (Priska, die immer vor ihrem Mann Aquila genannt wird) kennengelernt hat. Er verlässt sich bei den Gruppengründungen in den zentralen Städten des römischen Reiches auf die Verkündigungs- und Leitungstätigkeit von Frauen und nimmt sie in Schutz. Dabei erlaubt er ihnen sogar die Ehescheidung (1 Kor 7), für den Fall, dass der Ehemann mit ihrem Engagement in der Gemeinde nicht einverstanden und der dadurch entstandene Ehekrach nicht mehr zu kitten ist. Die Grußliste in Römerbrief 16 lässt erkennen, wie vielfältig und mutig ihr Einsatz für das Evangelium war. Die Kirche muss die folgenschwere Entwertung der Frauen endlich beenden. Nur so findet sie zu Jesus zurück und heraus aus der männlichen Gewaltkultur, die immer weniger akzeptiert wird. Jutta Lehnert 3 JESUITEN n MÄRZ 2019 n ABERGEISTER © Halfpoint iStock.com

SCHWERPUNKT 4 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN „Mary Ward war eine starke Frau“ „Sie war eine starke Frau, und wir werden hier zu starken Mädchen erzogen.“ So antworteten Schülerinnen meines Geschichtskurses an der Mainzer Maria Ward-Schule spontan auf meine Frage, welche Bedeutung für sie Mary Ward habe. Der Feminismus ist eine moderne Bewegung und sicherlich wird man Mary Ward nicht gerecht, wenn man sie als Feministin postuliert. Aber sie war in ihrer Zeit eine ganz ungewöhnliche, unangepasste Frau. Sie wuchs auf im Zeitalter der Konfessionskriege in England Ende des 16. Jahrhunderts. Der religiöse Konflikt ließ sie nach ihrem Weg suchen, den sie über Umwege fand. Es war nicht der Frauenorden in der Klausur, sondern sie wollte in der Welt wirken stets im Vertrauen auf Gott. Das einmal Erkannte setzte sie mit großer Konsequenz um und ließ sich durch Rückschläge und Verleumdungen nicht von ihrem Weg abbringen. Dieser führte sie nicht aus der Kirche, sondern sie ging in der Kirche neue Wege, indem sie mehr Chancengleichheit für Frauen durch Bildung anstrebte und umsetzte. Insbesondere wandte sie sich den armen und benachteiligten Mädchen zu, indem sie Schulen gründete. Mary Ward geriet in einen Konflikt mit der Amtskirche und dem Papst, weil sie ihren Orden mit dem Orden der Jesuiten gleichstellen wollte und weil sie sich als Frau nicht unterordnen wollte. Für Frauen galt vor 400 Jahren: „O marito, o muro“ entweder einen Mann oder die Mauer. Beides lehnte sie ab. In einer Ansprache an ihre Gefährtinnen im Jahr 1617 in St. Omer skizzierte sie das Verhältnis von Mann und Frau: „Es gibt keinen solchen Unterschied zwischen Männern und Frauen. Deshalb ist die Ursache nicht, dass wir Frauen sind, sondern, wie ich vorhin sagte, dass wir unvollkommene Frauen sind und nicht die Wahrheit lieben, sondern Lügen nachlaufen. Veritas Domini manet in aeternum; die Wahrheit unseres Herrn währt immerdar. Es ist nicht veritas hominum, die Wahrheit der Männer oder die Wahrheit der Frauen, sondern veritas domini. Diese Wahrheit können Frauen ebenso haben wie Männer. Wenn wir versagen, kommt das von einem Mangel an Wahrheit und nicht davon, dass wir Frauen sind. … Ich hoffe zu Gott, man wird sehen, dass Frauen in der kommenden Zeit viel tun werden.“ (Drei Ansprachen Mary Wards, gehalten in St. Omer 1617. In: Spiritualität Konkret 2018, S. 29ff) Vielfach herrschte Angst, dass mit der Erziehung in den Instituten der Englischen Fräulein Frauen den ihnen zustehenden Rahmen überschreiten könnten. In den

5 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN Anklagepunkten der Kurie gegen Mary Ward wurde der Vorwurf der Vermittlung der lateinischen Sprache, des Theater Spielens und der Rhetorik erhoben. Dank ihrer Beharrlichkeit und ihres Gottvertrauens, das Mary Ward auch an ihre Mitschwestern und Nachfolgerinnen weitergab, hielt ihr Lebenswerk Rückschlägen stand. Die von ihr gegründeten Schulen hatten Zukunft, einfach, weil sie gut waren, so gut, dass die Mary Ward-Schwestern dann im 17. und 18. Jahrhundert gefragte Schulfrauen wurden, die 1752 schließlich auch nach Mainz gerufen wurden. Die Maria Ward-Schulen haben Wandlungen und Entwicklungen durchgemacht. Damit beschäftigte sich 2008 Melissa Schuh, die in ihrer Facharbeit an der Mainzer Maria Ward-Schule dem Thema „Erziehung in der Tradition der Maria Ward“ nachging und den ersten Preis gewann beim Wettbewerb des Bistums Mainz „Frauenbild – Frauenbildung: 100 Jahre Abitur für Mädchen“, der an die preußische Mädchenschulreform von 1908 erinnerte. Sie schreibt: „Bei aller Veränderung ist die Maria Ward-Schule jedoch nie von der Basis ihrer Grundsätze abgerückt und sich so treu geblieben. Mädchen und ihre Fähigkeiten auszubilden und zu fördern blieb über 250 Jahre lang, ganz im Sinne Maria Wards, das Kernziel der Schule, die auch durch die Zeiten die christlichen Grundwerte im ,Menschsein für andere‘ bewahrte.“ Auch die heutige Generation von Schülerinnen sieht dieses Erbe. Die Idee der Gleichberechtigung kommt für sie in der Förderung der MINT-Fächer zum Ausdruck, sie sehen den Wert der Persönlichkeitsentwicklung, die für sie noch vor der Wissensvermittlung steht, viele betonen den respektvollen Umgang miteinander in der Schulgemeinschaft und schätzen den seit diesem Schuljahr Freitags eingeführten ignatianischen Wochenrückblick. Wichtig ist für sie, den Mitmenschen zu helfen, sich für andere einzusetzen, so wie am sozialen Tag im Juni 2019, an dem jede Schülerin sich eine „Arbeit“ sucht, deren Erlös an die Partnerschule der Maria Ward-Schwestern in Afrika geht. Es waren Ordensfrauen wie Mary Ward oder Angela Merici, die das Fundament zur Chancengerechtigkeit für Frauen in Kirche und Gesellschaft legten. Die Geschichte der Frauen in der Kirche ist ein Ringen um Anerkennung und Teilhabe, ein Prozess, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Andrea Litzenburger

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN Wo geben Jesuiten Macht ab? Die Überschrift, unter der ich diesen Artikel schreiben darf, lässt mich zunächst einmal darüber nachdenken, ob Leitung mit Macht gleichzusetzen ist…?! Wohl aber hat Leitung in diesem Fall mit der Akzeptanz einer Leiterin in einem von Männern dominierten Betrieb zu tun. Viele Jahre vor der Gründung des Mädcheninternates am Jesuitenkolleg St. Blasien 1989, waren Mädchen am Kolleg als externe Schülerinnen willkommen und Lehrerinnen gab es auch schon einige Jahre, nachdem der Bedarf an Lehrkräften nicht mehr nur durch Jesuiten abgedeckt werden konnte. Dennoch: Nach außen wirkte das Kolleg als ein geschlossenes, ja beinahe elitäres System. Im Internat waren damals beinahe 400 Jungen untergebracht, damals noch in spartanisch eingerichteten Schlafsälen und Großraumstudiersälen mit wenig Möglichkeit zur individuellen Entfaltung. So kam ich 1982 in diese Männerdomäne, wo der Ton durchaus direkt und nicht immer sehr höflich war. Doch was schon damals spürbar war: der Zusammenhalt der Kollegsfamilie war groß und eng. Internatspädagogik lernt man, gerade auch als Lehrerin, die ich eigentlich bin, an keiner Universität und hier nun war ich mit jesuitischer Pädagogik konfrontiert. Klarer Menschenverstand und konsequentes Handeln waren hier gefragt. Die Leitungsstrukturen waren damals hierarchisch, männlich und direktiv. Praktisch alle Leitungsämter waren von Jesuiten besetzt. Und dennoch – gerade diese Leitung hatte die Zeichen der Zeit richtig erkannt und sich darüber Gedanken gemacht, auch Mädchen ins Internat aufzunehmen. Es lagen dafür kaum Erfahrungswerte vor – schon gar nicht in Sankt Blasien. Nach intensiven Überlegungen und einer Feldforschung entschied man sich 1988, das Internat für Mädchen zu öffnen: das erste Mädcheninternat an einer Jesuitenschule weltweit! Nun war der Zeitpunkt gekommen, Macht abzugeben, denn dieser Mädchenabteilung sollte eine Frau vorstehen. Macht abgeben, hieß in diesem Fall: Vertrauen in diejenige Person haben, die diese Aufgabe übernehmen sollte. So wurde ich zur stellvertretenden Internatsleiterin mit Zuständigkeit für die Mädchen. Rückblickend kann ich sagen, dass ich insbesondere in den ersten Jahren sehr viel Überzeugungsarbeit leisten musste. Meine Gründungsarbeit wurde stets sehr wertgeschätzt – aber ich hatte auch das Gefühl, dass ich mir als Frau keine Fehler erlauben durfte. Da waren die Herren nicht immer so kooperativ wie heute … Und dennoch: ich hatte im Bereich des Mädcheninternates stets viel Handlungsspielraum und Gestaltungsmöglichkeiten. Der Internatsleiter – ein Jesuit – hat mich

7 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN gestalten lassen. Die Mädchen waren zunächst wie schmückendes Beiwerk und es dauerte einige Jahre, bis die Akzeptanz der Mädchen in allen Bereichen angekommen war. Im Endeffekt hat sich die ganze Internatsschule im positiven Sinne emanzipiert und heute ist es selbstverständlich, dass am Kolleg Mädchen und Jungen unter einem Dach wohnen, allerdings mit klaren und wertschätzenden Regelungen. Vor nahezu vier Jahren schließlich, wurde ich zur „Generalpräfektin“ befördert (bis in die 1990er Jahre nannte man den Internatsleiter „Generalpräfekt“ und die Internatspädagogen „Präfekten“) und leite somit als erst Frau überhaupt das Jesuiteninternat am Kolleg Sankt Blasien. Dies war eine echte Wertschätzung für meine geleistete Arbeit und ein eindeutiges Zeichen, dass Jesuiten „Macht“ bzw. „Führung“ auch abgeben können. Für dieses Vertrauen bin ich dankbar und hoffe sehr, dass es auch in Zukunft möglich sein wird, engagierte Frauen für diese Arbeit zu begeistern. Marlies Woerz © Paulo Suza photocase.com

Frauen in Leitungspositionen Mit Rollenzuweisungen und stereotypen Bildern von Führung bin ich persönlich wenig konfrontiert. Ich setze auf Kompetenz, transparente Kommunikation und Loyalität. Das beinhaltet Vertrauen, aber auch nach innen kritisch zu sein – und ich weiß, was ich gestalten will. Für mich müssen mein Commitment sowie der bewusste Umgang mit Macht, d.h. verantwortungsvoll führen und Sinn stiften – wofür wir unternehmerisch da sind – authentisch sein. Johann Spermann SJ, Direktor des HPH, hat mir das Modell „Mixed Leadership“ ermöglicht, d.h. die teilweise komplementären Eigenschaften und Verhaltensweisen effektiv für das Bildungszentrum einzubringen. Aus Selbstreflexion und konkretem Feedback ist mir klar: mein Führungsstil ist situations- und personenorientiert und nutzt das Spektrum von klaren Zielvereinbarungen bis Partizipation – das unterscheidet sich nicht wesentlich vom Direktor der Institution. Ich bin skeptisch, wenn es heißt „typisch weiblicher“ oder „typisch männlicher“ Führungsstil. Jede Führungskraft hat Stärken und Schwächen, es hängt vom Kontext ab, wie sich diese auswirken. Im Detail kann das beispielsweise auch einmal bedeuten, dass sich „Männer“ in der Diskussion anders verhalten, wenn eine Frau dabei ist. Seit über 20 Jahren engagiere ich mich in Bildung und Beratung im säkularen und kirchlichen Raum für Geschlechtergerechtigkeit. Ein Erfolgsfaktor ist aus meiner Sicht, wenn sich Frauen und Männer gemeinsam auf den Weg machen, und so Stolpersteine, Hürden und Benefit reflektieren und bearbeiten. Es braucht die Weisheit aller Geschlechter, eine offene Unternehmenskultur ist dabei Voraussetzung und Fazit von mehr Vielfalt. Deutschland lag 2017 im internationalen Ranking auf Platz 12 bei der Gleichberechtigung (vgl. iwd März 2018). Mir macht es Freude, Gleichberechtigung immer neu zu gestalten in dem Sinn, was genau die Würde als Person – auch in ihrer Geschlechtlichkeit – im jeweiligen Umfeld ausmacht. Als Frau in einer kirchlichen Führungsposition erlebe ich viel Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das Leitungsteam im Seelsorgeamt ist paritätisch mit Frauen und Männern besetzt, während ich im engsten Beraterstab des Bischofs neben den Domkapitularen die einzige Frau bin. Aber hier wie dort arbeiten wir als Team und suchen gemeinsam nach dem richtigen Weg in die Zukunft. Ich bin 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN Ulrike Gentner stellv. Direktorin und Direktorin Bildung des Heinrich Pesch Hauses Daniela Engelhard, Leiterin des Seelsorgeamtes im Bistum Osnabrück

9 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN beteiligt an wichtigen Entscheidungsprozessen, kann gestalten und arbeite verantwortlich in diözesanen Projekten und Gremien mit. Über die wachsende Zahl an Frauen in kirchlichen Führungspositionen freue ich mich, das Einzelkämpferdasein der ersten Jahre hat ein Ende. Aber vielen Frauen geht es in der katholischen Kirche anders. Frauen wird „noch immer kein gleichwertiger Platz in der Kirche eingeräumt“. So lauteten die Rückmeldungen aus etlichen Ländern im Vorfeld der Jugendsynode im Vatikan. Es ist mir wichtig, mich für eine gerechtere Kirche einzusetzen. Als wirkungsvoll erlebe ich das Engagement in einem kirchlichen Mentoringprogramm für Frauen. Wo Frauen in Führung kommen, werden alte Muster unterbrochen. Bestimmte Themen werden nicht mehr nur von Priestern verhandelt. Gerade im Umgang mit der Missbrauchskrise erweist sich das als zwingend notwendig. In meiner Führungsrolle bin ich in den letzten Jahren noch wachsamer und kritischer gegenüber jeglicher Form von Machtausübung geworden. Wer leitet braucht Macht, muss aber auch sein Leitungshandeln kritisch reflektieren und hinterfragen lassen. Ich bemühe mich um einen vertrauensvollen, beteiligenden und verlässlichen Führungsstil. Zugleich möchte ich angesichts der weltweiten Fälle von Machtmissbrauch in der katholischen Kirche zu einem Weg der Erneuerung beitragen. So gestalten wir in unserem Bistum z.B. Modelle der geteilten Leitung. Männer und Frauen werden mit der Gemeindeleitung beauftragt. Grundlegend dafür ist eine „Kultur der Achtsamkeit und Beteiligung“, besonders im Umgang mit Macht. Selbst Kollegen sahen mich verwundert an. „Was? Du? Als Frau im Vatikan?“ Diese Frage begleitete mich als ARD-VatikanKorrespondentin nach Rom. Und sie sollte immer wieder auftauchen, bis heute. Auch als Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung ernte ich bei anderen mitunter verwunderte Blicke. Viele Menschen reiben sich die Augen, wenn eine Frau in der katholischen Kirche in leitender Funktion tätig ist. Denn sie haben uralte Klischees und Vorurteile vor Augen. Dabei sieht die Realität doch schon lange anders aus: Vieles, was in der Kirche passiert, wird von Frauen gemacht, organisiert, mitgetragen. Ohne kirchlich engagierte Frauen würde die Kirche nicht existieren. Auch deshalb gehen Geistliche mit Frauen in Leitungspositionen in der katholischen Kirche viel entspannter um, als viele Menschen „draußen“ denken. Es ist nichts Ungewöhnliches: Im Erzbischöflichen Ordinariat in München sind bereits die Hälfte der Ressort-Chefs weiblich. Kardinal Reinhard Marx ist es ein Anliegen, Frauen zu fördern. Deshalb ist das Erzbistum München und Freising auch für mich ein Glücksfall. Mein Anliegen ist es, kirchliche Belange nicht nur aus gläubiger oder allgemein gesellschaftspolitischer Perspektive journalistisch aufzuarbeiten, sondern auch als Frau und Katholikin. Und so führe ich mein Team: Auf der einen Seite entschlossen agieren, situationsbezogen reagieren, und dabei auf jeden einzelnen Mitarbeiter eingehen, ihn nach seinen Stärken einsetzen. Woran es noch mangelt, und zwar überall, ist ein Netzwerk von Frauen, das sich gegenseitig unterstützt und nicht be- und verhindert. Denn nicht selten sind es Frauen, die andere Frauen am beruflichen Aufstieg hindern. Susanne Hornberger, Chefredakteurin der Münchner Kirchenzeitung

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Frauen übernehmen die Gemeinde Anfang 2012 wurde aus acht Gemeinden die XXL-Pfarrei St. Ursula in Oberursel und Steinbach. Nachdem absehbar war, dass nicht mehr für jede Gemeinde eine hauptamtliche Bezugsperson zur Verfügung stehen würde, wurde durch die Initiative unseres fortschrittlich denkenden Pfarrers eine ehrenamtliche Gemeindeleitung in Betracht gezogen. Als diese Idee Gestalt annahm, ermutigte Pfarrer Andreas Unfried uns aufgrund unserer Erfahrung im Pfarrgemeinderat und OrtsausschussVorstand, diese Aufgabe zu übernehmen. Nach einer intensiven Phase der Vorbereitung wurden wir 2016 für drei Jahre als Gemeindeleitung im Team beauftragt. Seit dieser Zeit sind wir das Gesicht der Gemeinde St. Petrus Canisius. Als eine Notlösung oder einen Ersatz für fehlende Seelsorger verstehen wir uns keinesfalls. Vielmehr sehen wir uns als Impulsgeberinnen und Gestalterinnen. Es geht nicht darum, irgendein Aktivitäten-Programm anzubieten. Es geht uns um das tiefere Warum im Glauben und darum, für die Menschen und ihre Anliegen da zu sein. Wir wollen nicht nur die vier Säulen der Kirche von Caritas, Verkündigung, Liturgie und Gemeinschaft im Blick behalten, sondern auch die Vision der Pfarrei St. Ursula von einer offenen, wertschätzenden, lebendigen und gläubigen Kirche fördern. Wir sind selbstverständlich bei vielem, was in der Gemeinde stattfindet, aktiv eingebunden. Nur so sind wir beteiligt und behalten den Blick für das Ganze. Viele Entscheidungen können wir selbstständig treffen, für gemeindeübergreifende Angelegenheiten ist der Pfarrer verantwortlich. Es sind tausend kleine Dinge, die in die Hand genommen werden müssen. Das geht nur, weil wir im Team gut zusammenarbeiten, denn Berufstätigkeit und Familienleben fordern viel Zeit. Alle sechs bis acht Wochen treffen wir uns zu einem Dienstgespräch. Vieles wird per Email erledigt oder nach dem sonntäglichen Gottesdienst kurz besprochen. Klare Strukturen und Verantwortlichkeiten sowohl in der Gemeinde vor Ort als auch in der Pfarrei sind ebenso wie eine gute Kommunikation Voraussetzungen für das Gelingen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit. Brauchen wir als Team Hilfe, etwa in theologischen Fragen oder in der Seelsorge, unterstützen uns das Pastoralteam der Pfarrei sowie der Pfarrer. Fort- und Weiterbildungsangebote können wir in Anspruch nehmen. Die katholische Kirche ist zwar noch weit entfernt davon, Frauen für Weiheämter zuzulassen, aber wir sehen unsere Beauftragung als einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Mittlerweile gibt es in unserer Pfarrei ein zweites Frauenteam als Gemeindeleitung. Wir sind aus Taufe und Firmung dazu befähigt, diesen Auftrag wahrzunehmen und tun unseren Dienst, bei aller notwenigen Arbeit, mit Freude und Begeisterung. Renate Kexel, Marcelline Schmidt vom Hofe, Edith Schröder (www.kath-oberursel.de) SCHWERPUNKT 11 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN © axelbueckert photocase.com

12 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN SCHWERPUNKT Frauen als Priesterinnen: Ein Gespräch über Gewohnheit und Gerechtigkeit Ansgar Wucherpfennig SJ: „Johannes Paul II. hat 1994 über Frauen im Priesteramt festgehalten: Die Kirche „nimmt für sich nicht die Vollmacht in Anspruch“, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen. Wenn ich es richtig verstehe, ist dies keine ausdrückliche Definition, sondern der Papst hat für die katholische Kirche eine Selbstbeschränkung festgehalten: Gott hat der Kirche bislang nicht die Vollmacht gegeben, Priesterinnen zu weihen. Kann und muss die Kirche dann nicht aber folgerichtig auch Frauen zu Weiheämtern zulassen, wenn sie den Eindruck gewinnt, Gott verleiht ihr die Vollmacht dazu? Pater Luis Ladaria SJ, Präfekt der Glaubenskongregation, hat die Gründe gegen die Priesterweihe von Frauen 2018 in einem Schreiben der Glaubenskongregation noch einmal wiederholt. Aber hilft das ständige Wiederholen der Argumente, wenn das Gespräch in vielen Teilen der Kirche schon lange darüber hinweg ist und die Gesellschaft darüber oft nur noch den Kopf schüttelt?“ Judith Borg: „Mich überzeugen diese Argumente nicht – und haben es auch noch nie. Mir fällt eine Karikatur ein, die ich letzte Woche auf Facebook gesehen habe: die drei Frauen, die Zeuginnen und Überbringer der Auferstehung, stehen vor eben jenen Aposteln, welche die Osterbotschaft bekanntlich für Frauengeschwätz hielten, und bekommen zur Antwort: „So Ladies, Danke fürs Überbringen der Nachricht – ab hier übernehmen wir!“ Die Karikatur trifft den Nagel der Kirchengeschichte auf den Kopf. Das Christentum war schon immer eine Frauenreligion – in der seit ihrer Institutionalisierung die geweihten Männer das Sagen haben. Die Frage nach der Weihe von Frauen ist keine theologische, sie war und ist eine Machtfrage.“ Ansgar Wucherpfennig SJ: „Warum tun sich aber dennoch nicht nur konservative Katholiken oft schwer mit der Vorstellung, dass eine Frau als Priesterin der Messe vorsteht? Ich vermute, das liegt auch an alt hergebrachten Archetypen: Paulus will seine Gemeinde wie eine Braut zu Christus führen und warnt sie davor, sich wie Eva verführen zu lassen. Die Kirche ist für Paulus selbstverständlich eine Frau, und Christus als Mann ihr Bräutigam, ergo, so ein gewohnter Schluss: Auch ein Mann muss Christus als Priester vertreten. Es bedarf neuer Erfahrungen, um solche Bilder umzuprägen. Neulich war ich in einem Kindermusical. Da wurde Christus bei seiner Kreuzigung von einem jungen Mädchen gespielt. Mit ihrem einfühlsamen Spiel hat sie die Gemeinde als Jesus überzeugt. Das hat meine Erfahrung von Christus bereichert. Wenn ein Kind im Schauspiel meinem Bild von Christus einen neuen Impuls geben kann, warum sollte das nicht auch gehen, wenn Frauen

13 das Christusereignis sakramental repräsentieren? Sie würden die Beziehungen vieler Glaubender zu Christus und seiner Kirche vielfältiger und reicher machen, auch wenn ich mich wie viele andere daran erst noch gewöhnen müsste.“ Judith Borg: „Unsere Diasporagemeinde kommt ohne Frauen gar nicht mehr aus. Als Seelsorgerin in der Diaspora komme ich immer wieder in die Situation, erklären zu müssen, warum es mich, bzw. meinen Beruf überhaupt gibt. Der Einfachheit halber speichern mich viele als die „Frau Pfarrerin von den Katholiken“ an. Ich will das nicht mehr berichtigen. Zumal meine Existenz (Pastoralreferentin, im Pfarrhaus wohnend, verheiratet, zwei Kinder und ein Hund = im Leben stehend) doch geradezu ein Beweis für die überraschende Modernität der katholischen Kirche zu sein scheint. Mich allerdings ärgert die Ambivalenz meiner Kirche zunehmend: Mädchen dürfen Messdienerin sein – offiziell seit 1983! – Frauen können Gemeinde- und Pastoralreferentin werden. Diakonin? – naja, irgendwann vielleicht... Priesterin? – allein das Wort zu schreiben, fällt mir schon schwer. Ich frage mich, warum ist das eigentlich so? Wir sind es nicht gewohnt, auch viele Frauen sehen gern einen Priester vorn, aber warum sollen sich Frauen und Männer dabei nicht ergänzen. Wem würde es schaden? Es wäre gerecht, für alle ein Gewinn. Eine schon längst überfällige Korrektur der Kirchengeschichte im Sinne Jesu.“ JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN © Addictive Stock photocase.com

14 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN SCHWERPUNKT Die Zukunftsvision einer Frau für ihre Kirche Frauen werden in der katholischen Kirche behandelt, als seien sie ein hoch gefährliches, gerade erst entdecktes Gefahrengut. Immer neue Kommissionen untersuchen ausdauernd, was es mit diesen anderen, vom Mann abweichenden Wesen auf sich hat. Das Ergebnis ist immer dasselbe: Das Wesen ist der Weihe nicht würdig. Gleichwertig, aber nicht gleichartig, lautet die Lehrformel. Wer dennoch die Gleichberechtigung in Ämtern fordert, bekommt Vorwürfe von der Sorte zu hören: Kniefall vor dem Zeitgeist! Verrat am katholischen Markenkern! Ungehorsam gegenüber Jesus Christus und seinen Stellvertretern. Tote Frauen wie Hildegard von Bingen und Maria Magdalena kommen zu höchsten Ehren. Sie werden Kirchenlehrerin und Apostelin der Apostel mit eigenem Feiertag. Maria, die Gottesmutter, stehe ohnehin höher als jeder Bischof, erklärt Papst Franziskus bei vielen Gelegenheiten. Lebende Katholikinnen haben es deutlich schwerer. Auch wenn in lehramtlichen Dokumenten Päpste und Präfekten der Glaubenskongregation die Gleichwürdigkeit und Gleichwertigkeit der Frau betonen: Das Misstrauen, ja die Verachtung gegenüber den „anderen Wesen“ sitzt im hohen Klerus tief. In modernen Demokratien folgen aus gleicher Würde die gleichen Rechte. Doch die katholische Kirche ist keine Demokratie, sie positioniert sich gegen die Moderne, sie will nicht von dieser Welt sein. Wahrheit ist nicht Mehrheit, lautet eine Weisheit von Joseph Ratzinger und seinen Jüngern. Was in einem weltlichen Kontext – etwa vor dem Hintergrund von Artikel 3 des Grundgesetzes – Diskriminierung aufgrund des Geschlechts genannt werden muss, wird in der Una Sancta als „wahre Gleichheit“ der Geschlechter verbrämt. Man stelle sich nur für einen Moment vor, die katholische Kirche ließe tatsächlich vom nächsten Sonntag an die bisher ausgeschlossene Hälfte der Menschheit zu allen Ämtern und Diensten zu. „Das wäre die Spaltung!“, riefen dann die Pessimisten. Sie verweisen auf die Weltkirche, auf die kulturellen Unterschiede in dieser globalen Institution, auf die Länder in Afrika, die „noch nicht so weit sind“. Die Optimisten dagegen dürften jubeln: „Was für ein Zeichen!“ Endlich kuscht die katholische Kirche nicht mehr vor den Patriarchen dieses Planeten, endlich passt sie sich nicht mehr dem global dominierenden Macho-Zeitgeist an, endlich redet sie nicht mehr Benachteiligung als göttliches Gebot schön. Es ist schwer, sich im Kirchenrecht unter der Ziffer 1024 den Satz: „Die Heilige Weihe empfängt gültig eine getaufte Person“ statt „ein getaufter Mann“ vorzustellen.

Kein Bischof hat sich diesen Satz auf die Fahne geschrieben. Die Frauen, die dafür streiten, sind abgekämpft. Im Laufe der Kirchengeschichte wurden immer neue Gründe gegen eine völlige Gleichberechtigung der Frau gefunden. Seit nicht mehr öffentlich und offiziell von der Minderwertigkeit des Weibes geredet werden konnte – das dauerte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts –, muss die Männlichkeit Jesu als Hauptausschlusskriterium herhalten. Weil das Theologinnen und Theologen nur mäßig überzeugt, erging 1994 ein päpstliches Machtwort. Vorgetragen wurde es im Gestus der Ohnmacht. Gemäß dem Schreiben Ordinatio Sacerdotalis von Papst Johannes Paul II. ist die Kirche nicht befugt, Frauen zu Priesterinnen zu weihen. Die Tür ist zu, hören alle, die gegen die Mauer anrennen und auf ein Schlupfloch hoffen seit nunmehr 25 Jahren. Türsteherposten sind Machtposten. Die Deutsche Bischofskonferenz hat sich eine Frauenquote verordnet, der Erzbischof von München und Freising denkt laut über eine Generalvikarin nach, die vatikanischen Museen werden von einer Direktorin geleitet. Jede Maßnahme wird mit dem Unterton verkündet: Mädels, was wollt ihr denn noch mehr? Warum muss es denn unbedingt die Weihe sein? Mit Frauenförderplänen werden lauter Bypässe gelegt, um die Klerikerherzen zu schonen. Verbale Veränderungsbereitschaft bei gleichzeitiger Verhaltensstarre ist eine kreislaufschonende Lebensweise. Es fehlt nicht nur Geschlechtergerechtigkeit, es fehlt auch Ehrlichkeit. Die wahren Gründe für die Verachtung der Frauen und die Überbetonung der Männlichkeit Jesu werden nicht genannt. Es gibt auch keinen Weiberaufstand, der zunächst Ehrlichkeit und dann Gerechtigkeit einfordert. Den meisten enttäuschten Katholikinnen und Katholiken ist die Kirche nicht einmal mehr Empörung wert. Wer noch nicht das Weite gesucht hat, versucht in einer Nische ein paar Freiräume zu nutzen und Sinnvolles zu tun. Ein Anfang vom Aufstand wäre es schon, die Verhältnisse nicht mehr schönzureden, an die weibliche Geduld oder das vertiefte Verständnis der Lehre zu appellieren. Ein Anfang vom Aufstand wäre es, die Diskriminierung Diskriminierung zu nennen und die Herren dazu zu bringen, ihre Gründe offen zu legen. Fürchten sie Frauen? Oder befürchten sie Machtverlust und Veränderung? Glauben sie zutiefst daran, dass Jesus sich hat kreuzigen lassen, um Priesterinnen zu verhindern? Kaum zu glauben, dass Frauenfeinde Menschenfreunde sein sollen. Christiane Florin 15 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

Frauen im Domkapitel Das kann ja heiter werden: „Weihbischof ist für Frauen im Domkapitel“. So die BalkenÜberschrift auf der Titelseite unserer Kirchenzeitung (03.02.19) im Bistum Münster. Mit „Weihbischof“ war ich gemeint. Im Mittelteil der Zeitung ganzseitig das Interview mit der Überschrift: „Wir brauchen eine lebbare Sexualmoral“. Wegen der Folgen einer schweren Krebserkrankung musste ich mich (71) als Weihbischof emeritieren lassen. Die Kirchenzeitung fragte nach meinen Zukunftsvorstellungen für die Erneuerung und Weiterentwicklung der Kirche auf dem Hintergrund der momentan sehr schwierigen Situation. „Frauen im Domkapitel“ war von mir der Hinweis, dass die Stellung der Frau in der Kirche ein zentrales Thema für die Erneuerung der Kirche ist. Das war schon lange in mir lebendig in der Perspektive des gemeinsamen Priestertums aller Getauften. Das Domkapitel als Zeichen habe ich bewusst gewählt, weil Frauen als „Mitglieder“ im Kapitel damit praktisch in die Nähe des Weiheamtes gerückt werden. Im Blick ist das Domkapitel in Münster, das mit zehn Priestern/Weihbischöfen aus der sogenannten Bistumsleitung besetzt ist. Dazu kommen für die Bischofswahl nach dem Konkordat noch sechs nichtresidierende Domkapitulare (Priester). Solche Kapitel als Leitungsorgane mit dem Bischof gibt es in Deutschland und Europa, weniger in anderen Teilen der Weltkirche. Die Kapitel haben allerdings ein unterschiedliches Format und sind personell unterschiedlich besetzt. Aus einer langen Tradition handelt es sich um eine Gruppe von Priestern, die vor allem für die priesterlichen und liturgischen Dienste in der Bischofskirche zu sorgen hat. Die Tür zur Priesterweihe ist Frauen verschlossen (wobei die Argumente gegen die Frauenordination konstruiert wirken und kaum noch überzeugen). Weibliche Domkapitulare wird es aus rechtlichen Gründen (die hier einzeln nicht dargestellt werden können) in absehbarer Zeit nicht geben. Aber als „Mitglieder“ im Domkapitel könnten Frauen mitentscheiden bei Angelegenheiten, in denen das Domkapitel als Entscheidungsgremium für Finanz- und Rechtsgeschäfte im Bistum entscheidet, in Fragen von Kunst und Veranstaltungen im Dom, also in den mit dem Weiheamt nicht unmittelbar verbundenen Aufgaben. Bei den rein priesterlichen Aufgaben wären sie beratend tätig. Auf diese Art und Weise wäre der männliche Binnenzirkel der Kirche, das rein Männer-Bündische aufgebrochen. 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

Frauen verändern das Miteinander, haben eine andere Gesprächskultur, eine andere Qualität in der Beratung, gehen an Themen anders heran… Der Münsteraner Kirchenrechtler Prof. Thomas Schüller, der mein Anliegen positiv aufgriff, aber u. a. kritisierte, dass ich nur von beratender Funktion für Frauen spräche – was ich hier schon weiterentwickle – machte einen interessanten Vorschlag in dem Zusammenhang: „Ein Vorschlag (für Münster) wäre, dass man für die Wahl des neuen Bischofs an deren Seite (der 16 Domkapitulare) 16 erfahrene Frauen stellt, die dann zusammen den neuen Bischof wählen (nach dem Preußen-Konkordat).“ Dem Staat ist das rechtlich egal. Frauen im Domkapitel: Hierfür müsste dann in den Diözesen ein Weg rechtlich abgestimmt werden, wie Frauen „Mitglieder“ im Kapitel werden können. Auf Dauer müsste man wahrscheinlich etwas Anderes schaffen als die jetzigen Domkapitel, die sich auf dem Hintergrund einer anderen Zeit entwickelten. Dieter Geerlings 17 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN © alvarez_iStock.com

Die Zukunftsvision eines Provinzials für seinen Orden Ich erinnere mich lebendig an die Begegnungen meines Noviziatsjahrgangs Mitte der 80er Jahre mit den Novizinnen der Missionsärztlichen Schwestern. Sie haben uns in Münster besucht; wir haben sie in ihrer Kommunität in Essen besucht. Wir haben gemeinsam gebetet und Messe gefeiert, wir haben diskutiert und uns zu unseren Erfahrungen mit den Exerzitien ausgetauscht. Das war gut. Es war herzlich, unkompliziert und es lag ein ebenso unausgesprochenes wie unaussprechbares Versprechen in der Luft. Ich meine mich zu erinnern, dass auch die Novizenmeisterin und der Novizenmeister, die das ja initiiert hatten, großes Gefallen an diesem Miteinander hatten. Diese Spur hat sich verloren; Gründe dafür weiß ich nicht. Nun ist das gar nicht der Auftrag, den die Redaktion mir für den Artikel hier gegeben hat, aber es ist diese Erinnerung, die sich ganz weit nach vorn drängt, wenn ich mich an die gestellte Aufgabe mache. Ich frage mich also zunächst, wie sähe der Orden heute aus, wenn wir vom Noviziat an, sehr viel enger mit Frauen zusammen reflektieren, beten, arbeiten und leben würden? Wie würde sich unser Leben in Gemeinschaft nach den Gelübden der Armut, der Keuschheit und des Gehorsams darstellen und verändern? Sind wir eigentlich neugierig fragend nach den Erfahrungen, die andere (oft jüngere) Gemeinschaften mit solchen Modellen machen? „Zukunftsvision Jesuiten und Frauen“, so die mir gestellte Aufgabe. Ich kann nicht redlich Antwort geben ohne den vermeintlich banalen Hinweis, dass ich als Oberer schreibe, Oberer eines Männerordens und als Priester der Kirche. Und ich ergänze ausdrücklich, dass ich gern und leidenschaftlich Jesuit und Priester bin. Wenn ich also heute deutlich mehr Rechte für Frauen in der Kirche fordere und endlich auch nicht nur erkennbare, sondern auch wirkmächtige Schritte in Richtung Anteilhabe von Frauen am Weiheamt, dann ist mir die Spannung dieser Forderung bewusst und auch die ambivalente Rolle aus der heraus ich dies tue. Ich kenne die Aussagen der kirchlichen Lehre, achte sie, ja verteidige sie. Und doch höre ich auch deutlich Papst Franziskus, der das Quasi-Redeverbot, aufebt und die Diskussion um das Frauen-Diakonat angeordnet hat. Am Ende, so muss ich nach Betrachtung aller Argumente aus Schrift und Tradition festhalten, überzeugt mich die Fixierung auf das Geschlecht bei der Zulassung zur Weihe nicht; eine einleuchtende Anthropologie der Geschlechter, die das hergibt, ist mir nicht bekannt. Jesuiten und Frauen. Was soll ich sagen? Ich wünsche mir sowohl in unserer Ausbildung und vor allem in all „unseren“ Werken enge und gute Zusammenarbeit 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

mit Frauen und ich sehe ja, dass dies schon vielfach sehr gut und auch völlig unkompliziert geschieht. Ich erlebe aber auch, dass Frauen sich viel zu wenig bewerben auf Leitungsstellen in unseren Institutionen. Das darf uns allerdings in einer „Männerkirche“, also dort wo Macht unnötig oft an das Amt gebunden und also sakralisiert wird, nicht wirklich verwundern. Wir sind als Orden ein „Männer-Verein“, bei uns sind nur Männer Mitglieder. Daher ist wirkliche Beteiligung an Entscheidungsstrukturen tatsächlich schwierig. Auch der nächste und übernächste Provinzial wird ein Mann sein; alles andere ist Augenwischerei. Ich sehe meine Verantwortung aber durchaus darin, dass wir sowohl im Bereich der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, aber auch im Bereich von Beratung, Compliance und Kontrolle deutlich mehr Frauen in Verantwortung holen als bisher. Da ist noch Luft nach oben. Ich sehe zudem, dass ich und wir noch reichlich Übungsbedarf haben in Kooperation, Teamwork und Zusammenarbeit auf allen Ebenen. Die Chefin des Schulseelsorgers am Canisius-Kolleg, ein Jesuitenpater, ist natürlich die Schulleiterin. Alle Mitbrüder werden sagen: na klar, kein Problem. Ich habe aber tatsächlich einigen Zweifel, ob das so klar ist, ob das in unserem Selbstbild tatsächlich kein Problem ist. Wir haben noch Luft nach oben. Ich bin zuversichtlich, dass wir vorankommen. Johannes Siebner SJ © mimagephotography shutterstock.com 19

Frauen an der Hochschule für Philosophie? Männerdomäne Jesuitenorden Im Herbst 1971 siedelte das Studienhaus der Jesuiten von Pullach nach München um. Seitdem studiert eine wachsende Zahl von Nichtjesuiten an der Hochschule. Knapp die Hälfte der Studierenden sind mittlerweile Frauen. Doch leider nimmt der Frauenanteil über die verschiedenen Qualifikationsstufen (vom Bachelor bis zur Habilitation) deutlich ab. Entsprechend langsam ändert sich die Zusammensetzung des Lehrkörpers. Weitere Gründe sind, dass an der Hochschule als Jesuitenhochschule Angehörige des Ordens unterrichten. Die Beschäftigung von Nichtjesuiten erfordert auch eine bessere finanzielle Ausstattung als der Einsatz von Ordensleuten. So dauerte es nach dem Umzug noch einmal 35 Jahre, bis der erste Nichtjesuit zum Professor ernannt wurde. Männerdomäne Philosophie Dass sich unter den Professoren an der Hochschule bislang keine Frau befindet, ist wiederum für die Philosophie nicht untypisch. Historisch betrachtet ist sie männerzentriert, auch wenn vorgeblich jenseits geschlechtlicher Identitäten gearbeitet und vom Menschen an sich, dem Selbst oder dem Sein gesprochen wurde. Dabei wird oft unterschlagen, dass in der Philosophie männliche Perspektiven auf die Dinge dominieren. [Deshalb finden sich manche Frauen, die sich zunächst für die Philosophie begeistern konnten, in den Debatten nicht wieder.] Außerdem verlassen Frauen die Philosophie, weil Rollenmodelle fehlen. Philosophinnen werden nur in Ausnahmefällen gewürdigt. Alle großen Strömungen und Schulen sind entweder nach Männern benannt oder gehen auf „Gründungsväter“ zurück. Von vielen wird auch ein fachkultureller Habitus, mit aggressiven Diskussionsstilen und ausgeprägtem Konkurrenzverhalten für die niedrige Frauenquote in der Philosophie verantwortlich gemacht. Nicht zu vergessen ist, dass die familiäre Fürsorgearbeit Frauen immer noch stärker einschränkt als Männer. Schritte in die Zukunft Alledem versucht die Forderung nach Geschlechtergerechtigkeit zu begegnen. Dabei handelt es sich nicht um eine Frage der Höflichkeit, sondern um einen gesetzlich verankerten Auftrag. An staatlichen Einrichtungen hat sich in den letzten Jahren mehr getan als an der Hochschule. Die Frauen treffen sich zwar regelmäßig zu einer Vollversammlung. Aber hier gibt es überhaupt erst seit 2017 offiziell eine Gleichstellungsbeauftragte. Die Ernennung der ersten Professorin, wenngleich nicht unbefristet, steht hoffentlich unmittelbar bevor. Mara-Daria Cojocaru & Georg Sans SJ 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n MÄRZ 2019 n ABERGEISTER

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Freude Wenn junge Menschen nach einem kirchlichen Freiwilligeneinsatz in Afrika oder Lateinamerika zurück nach Deutschland kommen, dann ist für sie oftmals die Freude, die sie in den Gottesdiensten und Gemeindezentren erlebt haben, ein bleibender Eindruck. Obwohl – oder vielleicht gerade weil – die äußeren Lebensumstände viel ärmlicher und auch härter sind als die Lebenswirklichkeit in Deutschland, feiern, singen, tanzen und freuen sich die Gläubigen viel ausdrücklicher, als wir das in unseren Gottesdiensten im Allgemeinen gewohnt sind. Bei uns sind Gottesdienste eher getragen, schon auch feierlich, aber eben nicht so, dass die Funken sprühen. Allgemein ist mein Eindruck, dass es immer dann, wenn die Rede auf Gott und den Glauben kommt, sehr ernst wird. Das mag natürlich mit der allgemeinen Kirchenkrise zusammenhängen, aber nicht nur. Vor einiger Zeit kam in geselliger Runde die Rede auf den Sinn des Lebens und was 22 GEISTLICHER IMPULS © Addictive Stock photocase.com

Gott denn für unser Leben vorhat, was er von uns erwartet. Klar, ein großes und in sich schweres Thema, aber die Stimmung war eben auch sofort sehr ernst. Ich habe mich dabei zu folgender Aussage hinreißen lassen: „Gott will, dass wir im Leben Spaß haben!“ Jetzt rollen Sie vielleicht mit den Augen, aber damit war zunächst ein Konterpunkt gesetzt. Selbstverständlich meine ich nicht – und das habe ich auch erklärt – einen billigen Spaß, schon gar nicht auf Kosten von anderen. Es geht mir vielmehr um eine von Gott geschenkte, tiefe und ehrliche Freude am Leben – und wenn es noch so viele Herausforderungen mit sich bringt. Wechseln wir zur Verdeutlichung die Perspektive: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gott uns zum Leiden erschaffen hat. Das bedeutet nicht, dass es kein Leid gibt und schon gar nicht, dass Gott dieses Leid ignoriert. Die Annahme des Kreuzes durch Jesus mit all dem verbundenen Leid zeigt uns, wie sehr Gott selbst leidensbereit ist, aber das ist nicht das Ziel Gottes. Sein Ziel ist es, Leben zu schaffen: Das sehen wir in seiner Schöpfung und das erfahren die Jünger und wir in der Auferstehung Jesu. Die Beziehung Gottes zu seiner Schöpfung und zu einem und einer jeden ganz persönlich besteht in der Liebe und damit ganz natürlicherweise in der Freude. Jesus selbst gibt das seinen Jüngern in der sogenannten Abschiedsrede im Johannesevangelium ganz eindrücklich mit auf den Weg: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe. Dies habe ich euch gesagt, damit meine Freude in euch ist und damit eure Freude vollkommen wird“ (Joh 15,9-11). Den kritischen Lesern oder Leserinnen mag da gleich wieder das „Wenn“ ins Auge stechen, aber das ist nicht das Entscheidende. Vielmehr sind wir zunächst und vor allem dazu gerufen, an der Freude Gottes teilzuhaben. Wie kann es gelingen, dass wir uns im Glauben aus dem Evangelium – der frohen Botschaft – immer mehr auf die Freude ausrichten und der Freude mehr Raum geben? Das kann z.B. dadurch beginnen, dass ich mir Jesus als Menschen mit einem Lächeln vorstelle: Einfach die Augen schließen und sich Jesus mit einem Lächeln oder sogar mit lautem, von Freude erfülltem Lachen vorstellen. Davon gibt es nur wenige Darstellungen in unserer sakralen, vom Kreuz oftmals dominierten Kunstgeschichte. Zudem bin ich mir relativ sicher, dass jeder von uns einen Menschen kennt, der sehr froh durchs Leben geht – ob alt oder jung. Sprechen Sie diesen doch einmal an und fragen, warum das so ist, was für ihn oder sie die Grundlage der Freude im Leben darstellt. Oder ich gehe an die Dinge heran, die mir die Freude rauben: Will ich denen wirklich so viel Macht über mein Leben geben, oder sollten sie nicht doch etwas zurechtgestutzt werden? Ihnen selbst fallen sicherlich auch noch ein paar Möglichkeiten ein, wie die Freude in unserem Leben sichtbarer und strahlender werden kann. Denn dazu sind wir berufen: An der Freude Gottes teilzuhaben, verbunden mit ihm und mit einem Leben, das selbst in die Ewigkeit hineinreicht. Hans-Martin Rieder SJ 23 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n JUNI 2019 n KIRCHE DER FRAUEN Neues aus dem Jesuitenorden Mertes mit Doktorwürde geehrt Für das Aufdecken und Aufarbeiten sexueller Gewalt in der katholischen Kirche Deutschlands hat Klaus Mertes SJ die Ehrendoktorwürde der Universität Freiburg erhalten. Die Theologische Fakultät zeichnete den 64-Jährigen am Mittwochabend „für die hartnäckige Arbeit an der Aufklärung des Missbrauchsskandals“ aus. „Er hat nicht nur durch sein praktisches Engagement, sondern maßgeblich auch durch seine theologischen Analysen die systemischen Gründe des Skandals aufgedeckt“, so Laudator Magnus Striet. Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger erklärte, er habe die Ehrung von Mertes unterstützt, „als Ausdruck der Anerkennung seines Mutes, auch gegen Widerstände beharrlich für Aufklärung einzutreten“. Missbrauch dürfe in der Kirche keinen Platz haben, so der Bischof. Es sei auch das Verdienst von Mertes, „dass wir uns heute unserer Verantwortung für die Opfer sexuellen Missbrauchs stärker bewusst sind und alles tun, um den Betroffenen gerecht zu werden und neue Vorfälle zu verhindern“. Jesuiten ziehen sich aus Kosovo zurück Die drei Provinziäle der Jesuitenprovinzen Österreich (P. Bernhard Bürgler SJ), Deutschland (P. Johannes Siebner SJ) und Kroatien ( P. Dalibor Renic SJ) haben Mitte Klaus Mertes (rechts) und Ferdinand Prostmeier, Prodekan der Theologischen Fakultät, bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde. Copyright: Wolfgang Mayer

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