Jesuiten 2019-3

Die Herrschaft anonymer Gesetze über den Menschen Der Tod hört erst auf bei der Vollendung der Schöpfung in der Auferstehung. Vor etwa zwei Jahren ist der Direktor des Instituts in Grenoble, der mich dorthin geholt hatte, hier in München gestorben. Aus diesem Anlass waren viele Physiker aus aller Welt hier im Waldfriedhof in der Aussegnungshalle zusammengekommen und viele seiner Leistungen wurden gewürdigt. Der Vertreter des derzeitigen Direktors hat dabei darauf hingewiesen, dass es eine besondere Leistung von Herrn Springer war, dass er einen Jesuiten gegen den Widerstand seiner Kollegen, des englischen und französischen Kodirektors, an das Institut geholt hat, was sich heute noch dort auswirkt, wie er schilderte. Der Sohn und die Tochter von Herrn Springer wurden dadurch auf mich aufmerksam und baten mich, ob ich nicht bei dem Urnenbegräbnis ein paar Abschiedsworte sagen könnte. Ich sagte zu und da dieses Urnenbegräbnis ganz nahe bei Ostern stattfand, hatte ich zwei schöne Anknüpfungspunkte dafür. Ich konnte darauf hinweisen, dass ich der bin, von dem sie beim Abschied im Waldfriedhof gehört hatten und dass Herr Springer sehr interessiert war, dass seine Initiative auch ein Erfolg wird. So haben wir uns wöchentlich getroffen und über den Fortgang meiner Arbeiten geredet. Dabei kamen wir zwischendurch auch auf andere Themen zu sprechen. Er meinte einmal, dass er nicht an einen Gott glauben könne, der solche Dinge wie Auschwitz zulässt, obwohl er doch allmächtig ist. Ich konnte damals nichts dazu sagen, was ihn und mich zufrieden gestellt hätte. Aber heute, so kurz vor Ostern, kann ich nicht anders als Christ auf diesen Zusammenhang zu sprechen zu kommen. Dazu würde ich sagen, dass Ostern als Anfang der Auferstehung für uns die Vollendung der Schöpfung ohne Tod und ohne Übel ist. Das fiel mir damals nicht ein, weil ich zu der Zeit Physik als das sah, was Gott am siebten Schöpfungstag gemacht hat: Er betrachtete alles, was er gemacht hatte, und sah, dass es sehr gut war. Heute sehe ich es so, dass die Physik die Ursache unseres Sterbens ist: Der menschliche Geist ist den anonymen Gesetzen der Materie unterworfen, die stärker sind als er. Das hört erst auf mit der Auferstehung, mit der Vollendung der Schöpfung ohne Tod. Was ich über Teilchenphysik und das, was ich gemacht habe, sagen könnte, ist damit am besten zusammengefasst. Auf die Frage nach meiner Motivation für die Forschung in der Teilchenphysik würde ich antworten, dass sie klar und deutlich ausgedrückt ist im „Gott suchen und finden in allen Dingen“, so wie ich es mir konkret vorstelle. Dieses Suchen und Finden 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Collage © kot63 shutterstock.com

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