Jesuiten 2019-3

Wissenschaftler 2019/3 ISSN 1613-3889 Jesuiten

Titelbild Collage © Eskemar iStock.com Wie kaum einem anderen Gebiet wohnt der Wissenschaft so etwas wie der Charakter einer permanenten Zeitreise inne: Erkenntnisse bauen auf frühere Studien auf, Thesen greifen auf vorhandene Grundlagen zurück – oder verwerfen diese wiederum. Wissenschaft: Das ist wie ein Aufeinanderschichten von neuen Blickwinkeln, das Verbinden von alten Modellen und Verständnissen der Welt mit neuen Erkenntnissen. Diese Diachronie verdeutlicht die Bilder dieser Ausgabe. Alte Bücher, die Urtransporteure von Wissen, erfahren Überlagerungen mit modernen Schemata und Diagrammen. Alt und neu: Wie gute Geschwister treten sie auf, mal versöhnt, mal verstritten. Aber immer: untrennbar. Stefan Weigand Ausgabe September/2019 Jesuiten 1 Editorial Schwerpunkt 2 Immer auf dem Weg: Geschichtswissenschaft 4 Denken lernen – ein Weg für das Leben 5 Vielfalt und Internationalität 6 Die wissenschaftliche Seite meines apostolischen Weges 8 Komplexe indische Gesellschaft! 9 Grenzfragen der Psychologie über Gewohnheit und Gerechtigkeit 10 Ein Jesuit als Wirtschaftswissenschaftler 12 Was mich als Jesuit an der Biologie fasziniert 14 Aus dem Glauben im Dienst an Umwelt und Mensch 16 Die Herrschaft anonymer Gesetze über den Menschen 18 Astronomie als Akt der Gottesverehrung 20 Wissenschaftler – eine Sendung zur Versöhnung Geistlicher Impuls 22 Gelassenheit Nachrichten 24 Neues aus dem Jesuitenorden Personalien 28 Jubilare 28 Verstorbene Medien/Buch 29 S tefan Kiechle: Achtsam und wirksam. Führen aus dem Geist der Jesuiten Vorgestellt 30 Das Newman-Institut in Uppsala 33 Die besondere Bitte 34 Autoren dieser Ausgabe 37 Standorte der Jesuiten in Deutschland

EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, Schon seit der Gründung der Gesellschaft Jesu im 16. Jahrhundert ließen sich die frühen Jesuiten in die ganze Welt senden. Das Neue, das sie dabei erlebten und wahrnahmen, wollte geordnet, verstanden und im Sinne ihrer Sendung genutzt werden. Dabei wurden manche Jesuiten zu Pionieren der Wissenschaft. Einige Beispiele seien kurz genannt: Matteo Ricci SJ (*1552, †1610) wurde zu einem angesehenen Mathematiker und Astronomen in China. Zugleich setzte er sich intensiv mit der chinesischen Kultur und Sprache auseinander. Jean de Brébeuf SJ (*1593, † 1649, 1930 heiliggesprochen) errang seine Freundschaft mit den Huronen-Indianern im heutigen Kanada auch dank seiner bahnbrechenden ethnologischen Studien. Er verfasste für deren Sprache ein Wörterbuch, eine Grammatik und einen Katechismus. Georg Joseph Kamel SJ (*1661, † 1706) interessierte sich zur gleichen Zeit für die Tier- und Pflanzenwelt auf den Philippinen und untersuchte die dort verbreiteten Heilmittel. Die Benennung einer Brechnuss als Ignatiusbohne geht auf ihn zurück. Der Universalgelehrte Ruđer Josip Bošković SJ (* 1711, † 1787) arbeitete an der Entwicklung einer neuen Baustatik. Zusammen mit zwei Fran- ziskanern stellte er angesichts von Rissen in der Kuppel des Petersdoms in Rom wichtige statische Berechnungen an. In Deutschland können wir schließlich den Sozialwissenschaftler Oswald von NellBreuning SJ (*1890, † 1991) nennen. Er hatte durch seine Arbeit großen Einfluss auf die sozial- und wirtschaftspolitische Entwicklung in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Die christliche Suche nach Wahrheit und das Ringen um den Dienst am Menschen waren über Jahrhunderte ein Antrieb zur Wissenschaft, auch innerhalb der Gesellschaft Jesu. Die Autorinnen und Autoren des vorliegenden Heftes berichten aus verschiedenen Wissenschaften, in denen heute Jesuiten tätig sind. Jan Korditschke SJ zeigt im Anschluss daran, inwiefern ihr Einsatz als Beitrag zur Versöhnung gelten kann. Unter dieser Überschrift hat die Gesellschaft Jesu ihre Sendung 2016 erneut zusammengefasst. Besonders dankbar sind wir dafür, dass Otto Schärpf SJ kurz vor seinem Tod etwas über das Wissenschaftstreiben angesichts der Auferstehung geschrieben hat. Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen. Matthias Rugel SJ Christian Braunigger SJ Stefan Hofmann SJ 1 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

Immer auf dem Weg: Geschichtswissenschaft Ich war in der 5. Klasse der Volksschule, 11-jährig; mein Banknachbar kritzelte auf ein Übungsblatt ein Strichmännchen, das gebeugt am Pult saß. Das bist Du, 80-jährig, immer noch dabei, alle erdenklichen Studiengänge zu durchlaufen. Seit 2015 bin ich nun Dozent für mittelalterliche Geschichte an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Einst hatte ich Theologie studiert, mich dann der Geschichte zugewandt, Freude gefunden am Mittelalter und am Lesen seiner Quellen. Meine Aufmerksamkeit galt besonders dem Kloster St. Gallen mit seiner einzigartigen Dokumentation aus dem Frühmittelalter. Eigentlich wollte ich diesem Schwerpunkt treu bleiben, aber als Jesuit begann ich, mich in die Geschichte der Gesellschaft Jesu einzuarbeiten. Vor meiner Ankunft in Rom wiederum beschied mir der Dekan, dass ich im Mittelalter gebraucht werde. Es ging also an meine Ursprünge zurück! Ich sah wieder die frühmittelalterlichen Manuskripte St. Gallens vor mir, den Klosterplan, die Urkunden und die verschiedenen Symbole. In der Aula sitzen rund 70 Studenten vor mir, die nach einem abgeschlossenen Theologiestudium eine dreijährige Vertiefung in Geschichte machen. Sie kommen aus allen Erdteilen, immer mehr aber aus der südlichen Hemisphäre. Bisher beschäftigte ich mich vorwiegend mit dem iroschottischen Mönchtum, den Karolingern, der Reichskirche und klösterlichen Schreibstuben. Jetzt aber lehre ich in Italien, das von der arabischen Expansion, den Langobarden, Byzanz und den Normannen geprägt ist. Dieses Mittelalter nahm ich bisher nur unzureichend wahr. Es unterscheidet sich nicht nur in einzelnen Fakten und den sozialen Bedingungen von Zentraleuropa, vielmehr gestalten sich auch dessen Quellenlage und die methodische Herangehensweise völlig anders. So wird beispielsweise von deutschen Mediävisten der Einfluss der Karolinger mit dem Hauptsitz in Aachen betont; während ihre italienischen Kollegen behaupten, dass die Reichseinheit der Karolinger auf einige Pfalzen und Reichsklöster beschränkt blieb, während die gesellschaftliche Realität sich in den verschiedenen Regionen ganz unterschiedlich gestaltete. Ich muss mich also mit einer für mich neuen Mediävistik auseinandersetzen und bin damit nicht nur Dozent, sondern auch Schüler geworden. Und das ist für einen lebendigen und reflektierten Unterricht auch ganz gut so. In meinen Vorlesungen muss ich den Studenten vor allem vermitteln, dass das rein europäische Mittelalter für alle Ortskirchen Relevanz besitzt. Entsprechend muss ich die Missionierung, die Wahr2 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

nehmung des Islam und die Präsenz von Glaubensabweichlern thematisieren. Mit den Lizentiatsarbeiten müssen sich die Studenten nicht nur ein Faktenwissen zu einem Spezialgebiet aneignen, denn dazu bräuchten sie mich nicht, sondern lernen historische Quellen kritisch auszuwerten und sich mit dem aktuellen Forschungsstand vertraut zu machen. Zur größten Herausforderung werden für mich Doktoranden auf der Suche nach einem Thema. Die Situation italienischer Regionalarchive und deren Historiographie sind mir nicht geläufig. So suche ich den Kontakt zu Kollegen staatlicher Universitäten. Die Begegnungen sind herzlich und schaffen mir neue Heimat. Hoffentlich kommen die Studenten so auf eine fruchtbringende Fährte. Lange wird es nicht dauern, und sie werden als Nachwuchshistoriker mir neue Kenntnisse über ihre Diözese zur Zeit der Gregorianischen Reform, die Beziehungen eines Domkapitels zu den Stadtkommunen oder den Wandel des päpstlichen Herrschaftsanspruchs auf Sizilien im Hochmittelalter vermitteln. Klar ist: Ein Zurück nach St. Gallen wird es für mich nicht geben. Manchmal kann ich in den Vorlesungen ein Manuskript zeigen. Aber an meinem veränderten Blick auf das Mittelalter muss ich noch arbeiten. Mein Schulfreund hat Recht bekommen – beim nächsten Klassentreffen muss ich mit ihm reden! Paul Oberholzer SJ 3 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Collage © KariHoglund iStock.com

SCHWERPUNKT 4 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Denken lernen – ein Weg für das Leben Es war eine sehr spannende Zeit, die ich am Institut für Philosophie und Leadership der Hochschule für Philosophie in München verbringen durfte. Neben meiner Promotion besuchte ich an der Hochschule im Laufe der drei Jahre verschiedene Seminare und Vorlesungen, die mir eine ganz neue Sicht der Philosophie vermittelten. Die meisten Veranstaltungen werden auch heute von Jesuitenprofessoren gehalten. Am Eingang der Hochschule wurde ich täglich mit dem Motto konfrontiert: „Denken lernen!“, der auf der Wand zu lesen war. Die Jesuiten, die ich an der Hochschule im Rahmen akademischer Veranstaltungen kennenlernen und erleben durfte, vermitteln genau diese Art und Weise, sich mit wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Die lange Tradition der Jesuiten in der Wissenschaft geht zurück bis zur Gründung des Ordens im Jahre 1540, denn seine Gründung stimmt zeitlich und kulturell mit der Geburt der modernen Wissenschaft überein. Die Gesellschaft Jesu legte sich vom Anfang an die herausfordernde Aufgabe ans Herz, die Bildung des Menschen in allen ihrer Facetten zu fördern und zu verbreiten. Mithilfe der finanziellen Unterstützung der jeweiligen Fürsten wurden – allein in Europa – mehr als 600 Kollegien und Universitäten im Laufe der Jahrhunderte gegründet. Die besondere Eigenschaft ihrer „Sendung“ ist ihre Verbindung mit der tiefen Spiritualität des Ignatius von Loyola, der eine ganz persönliche Ausrichtung auf Gott lebte und sie anderen durch seine Exerzitien vermittelte. Diese Spiritualität ist von der wissenschaftlichen Arbeit der Jesuiten nicht zu trennen. Einer der Kerngedanken der ignatianischen Spiritualität, „Gott in allen Dingen zu finden“, verstand Ignatius als Einladung für alle Bereiche des Lebens, auch die Wissenschaft. Diese tiefe Verwurzelung in der Spiritualität bedeutet wiederum nicht, dass Jesuiten in einer einseitig theologischen Sichtweise ihre wissenschaftliche Arbeit betreiben und die nötige Sachlichkeit verlieren. Ganz im Gegenteil: „Denken lernen“ und die Verwurzelung in der Spiritualität ermöglichen es, einen klaren Blick zu bewahren und die Sachlichkeit nicht zu verlieren. Für die Studierenden bedeutet das, dass man dabei begleitet wird, sich seiner eigenen Verwurzelung und Perspektive bewusst zu werden, die Themen in ihrem Gehalt voll zu durchdringen und auf dieser Basis eigene Argumente entwickeln zu können. Wie vor über 450 Jahren geht es auch heute noch im jesuitischen Wissenschaftsbetrieb darum, „Denken zu lernen“ und so die Persönlichkeit als Ganze zu bilden. Arianna Torricelli

5 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Vielfalt und Internationalität. Eine Studentische Perspektive auf das Studium der Theologie in Innsbruck Nach beinahe sechs Jahren Studium in Innsbruck ist dieser Artikel eine Gelegenheit für mich, auf mein bisheriges Studium zurückzublicken. Durch die Nähe zur Heimat landete ich in Innsbruck, und mit gewissem Zufall und Neugier bei der Theologie. Durch die Vertiefung in verschiedenen Gebieten der katholischen Religion konnte ich viel für mich persönlich, mein Weltbild und meinen Glauben mitnehmen und neue Interessen gewinnen. Neben der persönlichen Zugangsweise und Betroffenheit als Glaubende ist das Studium der Theologie für mich als Wissenschaft sehr wertvoll geworden, denn sie hat durch ihre vielen Fachbereiche ein großes Spektrum anzubieten, das sich mit den verschiedensten, tatsächlich ja allen Dingen beschäftigt. Jeder Lebensbereich kann eine Rolle in der Theologie spielen: Literatur, Kunst, Geschichte, Liturgie und so vieles mehr. Die Philosophie als Basis all dessen stellt u. a. auch die Frage, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet und in welcher Form dies auf die Theologie zutrifft. Diese Vielfalt und Möglichkeiten der Theologie machen sie spannend, abwechslungsreich und immer lebensnah – zudem ist sie ein Thema, über das mit vielen Menschen ins Gespräch zu kommen ist. Zusätzlich spielt der persönliche Glaube eine spannende Rolle im Studium der Theologie, was uns die DozentInnen auf unterschiedliche Weise zeigen. Manchen von ihnen ist es sehr wichtig, die eigene Religiosität und Spiritualität – sowie Anregungen für uns – in ihrer wissenschaftlichen Lehre einzubringen und sie damit zu verbinden, andere wieder bemühen sich eher um das Gegenteil, scheint es mir. Durch die Verbundenheit der Fakultät mit der Gesellschaft Jesu gibt es immer wieder auch Angebote zur ignatianischen Spiritualität von Jesuiten-Professoren oder Schwerpunkte in den einzelnen Fachbereichen. Mit dieser langen Tradition bietet Innsbruck jedoch eine wunderbare Gelegenheit, über den Tellerrand Europas hinauszublicken und die Weltkirche zu spüren. Durch das internationale Priesterseminar (Collegium Canisianum) und die Aufbaustudenten der Jesuiten und auch das diözesane Priesterseminar sind einige Studenten aus Afrika, Asien und Südamerika in den Lehrveranstaltungen, mit denen ein Austausch und so ein neues Entdecken der eigenen sowie fremden Kultur möglich ist. So wird für uns Studierende Katholizität tiefer erfahrbar und es eröffnen sich neue Blickwinkel auf die Theologie in ihren vielen Facetten. Lea Katharina Mohr

6 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Die wissenschaftliche Seite meines apostolischen Weges Ich verstehe mein Leben als Priester in der Gesellschaft Jesu vor allem als einen Weg der möglichst tiefen Begegnung mit Muslimen in ihrer spezifischen, lebensweltlich je verschiedenen kulturellen und religiösen muslimischen Prägung. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfordert die dauernde Zuhilfenahme der Sprach-, Kultur- und Religionswissenschaft. Studium und Forschung gehören integral zu meinem Apostolat und haben mir ebenso viel Freude gemacht wie meine gesamte priesterliche Arbeit. Der kurze Abriss der Etappen meiner Tätigkeit wird dies aufzeigen. Viele meiner Lehrer und Kollegen in verschiedenen Ländern waren Muslime. So lebte ich in ständigem Dialog. Schon vor meinem Eintritt in den Orden konnte ich mich nach Abschluss meiner Universitätsstudien in katholischer Theologie zwei Jahre lang an der Université Saint Joseph im Libanon mit dem Arabischen und den Grundzügen der klassischen arabischen Literatur vertraut machen. Es folgten weitere Studien und Forschungen. Alle diese Forschungen führten immer wieder zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die im Gespräch und in Zusammenarbeit mit muslimischen Gelehrten Indiens entstanden. Später wurde ich an das Päpstliche Institut für Orientalische Studien in Rom berufen, um von dort aus regelmäßig jedes Jahr ein bis zwei Monate an der islamisch Theologischen Fakultät der Universität Ankara als Gastprofessor zentrale Themen der christlichen Geschichte und des katholischen Glaubens zu unterrichten. Die Herausforderung für mich war nun, dass ich Muslime über das Christentum informierte und nicht mehr wie bis dann Christen über den Islam. Schließlich führte mein Weg mich zurück nach Deutschland zur Begegnung mit den Muslimen in Europa. Hier hatte ich Gelegenheit die spezifischen Fragen der muslimisch-christlichen Begegnung innerhalb rechtsstaatlicher, demokratischer Rahmenbedingungen kennen zu lernen. Die letzten Jahre über habe ich dann einer besonderen Eingebung Folge geleistet und mich darauf verlegt, die vielen jungen Muslime, die heute in unserem Land nach der wahren Religion suchen, mit Jesus und seiner Frohen Botschaft bekannt zu machen. In nicht wenigen Fällen führt der Heilige Geist diese Sucher bis zum Empfang der hl. Taufe. Christian Troll SJ

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Komplexe indische Gesellschaft! Die indische Gesellschaft ist ein facettenreiches Wunder für jeden Soziologiestudenten. Indiens Komplexität ist eine Faszination. Es ist nicht leicht, die Länge und Breite, die Geografie und Sprachen, die Menschen und die Kultur Indiens zu erfassen. Eines der außergewöhnlichen Merkmale der indischen Gesellschaft ist das Kastensystem. Die Gesellschaft ist aufgrund von Reinheit und Unreinheit hierarchisch gespalten. Sie ist in vier Varnas unterteilt und klassifiziert. Viele Unterkasten werden weiter unterteilt, so dass jede gezwungen ist, die rituelle Distanz und Reinheit für Essen und Ehebeziehungen zu berücksichtigen. Die indische Gesellschaft mag starr erscheinen, aber es gibt keine Gesellschaft der Welt, die sich nicht verändert. Die indische Gesellschaft veränderte sich am meisten durch den Einfluss der britischen Regierung und deren Politik. Moderne Bildung, Rechtssystem und Industrialisierung waren wichtige Beiträge. Die Modernisierung des Lebens hat viele Menschen zu beruflichen Veränderungen und Bestrebungen geführt. Seit der Unabhängigkeit Indiens im Jahre 1947 gibt es eine Verfassung, welche für die Menschen aller Klassen, Kasten und Religionen gilt. Die unterdrückte Gruppe, hauptsächlich die Dalits und die Frauen, erhielten damit die Chance, ihre jahrhundertealte Knechtschaft zu überwinden. Dies bedeutet nicht, dass die Diskriminierung aufgrund von Kasten und Geschlecht verschwunden ist. Die patriarchalische Kastenstruktur ist in vielen Staaten Indiens heute noch vorhanden, so dass es immer noch Gräueltaten wie Vergewaltigung und Morde gibt. Durch Bildung und stärkeren Einfluss in der Gesellschaft setzen sich die Frauen und Dalits durch. Frauen brechen aus der häuslichen Sphäre aus, um im Leben eine ebenbürtige Rolle mit den Männern zu spielen. Ich konzentriere mich in meiner Forschung auf die Rolle der Frauen im sozialen Wandel und weiß, dass sie effektive soziale Akteure sein können, wenn man sie dazu ermächtigt. Der Gruppenprozess der Selbsthilfe gibt ihnen in den ländlichen Gebieten die Möglichkeit, verschiedene Arten von „Kapital“ zu sammeln und zu investieren. Sie sparen Geld, werden unabhängiger, bauen Netzwerke auf und erlangen dadurch Vertrauen, Selbstachtung und kollektive Macht. Wenn Frauen durch Bewusstseinsbildung, Training und Fortbildung gestärkt werden, wirken sie Wunder. Sie können einflussreiche Akteure werden, um die indische Gesellschaft von Kasten- und Gender-Unterwerfungen zu befreien. Als Jesuit bin ich dazu aufgerufen, die Unterdrückten dazu zu befähigen, die Gesellschaft für eine bessere Zukunft zu verändern. Arokya Swamy SJ 8 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

Grenzfragen der Psychologie Für mich ist eine brennende Frage: Was macht uns Menschen als Menschen aus? Haben wir eine Seele oder sind wir letztlich rein körperliche Wesen? Wörtlich bedeutet Psychologie zwar „Lehre von der Seele“, aber in all den Jahren des Studiums der Psychologie habe ich nie etwas über die Seele gehört. Die Psychologie sucht nach den Ursachen und Bedingungen unseres Erlebens und Verhaltens. Ist es möglich, Empfinden, Fühlen, Denken, Wollen, Verhalten, Handeln und Erinnern naturwissenschaftlich zu erklären? Können wir frei entscheiden, oder bestimmen Vorgänge im Gehirn unser Handeln? Manche Hirnforscher behaupten, Willensfreiheit sei eine Illusion. Bevor uns etwas bewusst wird, habe unser Gehirn bereits entschieden. Wir sind die Letzten, die mitbekommen, was unser Gehirn vorhat. Mit solchen Aussagen schreiben sie dem Gehirn Eigenschaften zu, die nur der Person als ganzer zukommen. Personen entscheiden und handeln, nicht ihre Gehirne. Interessant finde ich die Rolle der Gefühle bei Entscheidungen. Gefühle sind der kostbarste Teil dessen, was Menschen seit Jahrtausenden mit der Seele verbinden. Ohne Gefühle können wir keine wichtigen Entscheidungen treffen, wie einen Beruf ergreifen, ein Studienfach wählen oder uns an einen Lebenspartner binden. Wenn eine Möglichkeit sich genauso anfühlt wie jede andere, dann ist eine Entscheidung nicht mehr als das Werfen einer Münze. Gefühle bilden die Grundlage unserer persönlichen Bewertungen. Hirnforscher sagen uns seit langem, dass das Gehirn unser Bewusstsein erzeugt und dass der Tod des Gehirns auch das Ende des Bewusstseins ist. Bedeutet der Tod tatsächlich das definitive Ende unseres Lebens und Erlebens, oder gibt es ein Leben jenseits der Todesgrenze? Die Beziehung zwischen Körper und Geist, zwischen Leib und Seele, bleibt weiterhin rätselhaft. Kein Hirnforscher kann uns sagen, wie aus Gehirnprozessen bewusstes Erleben entsteht. Selbst ein noch so vollständiges Wissen über das Gehirn einer Person würde uns nichts darüber verraten, wie es für die betreffende Person ist, sie selbst zu sein. Meiner Meinung nach ist es wichtig, sich mit dem Thema Seele zu befassen, um den Menschen in seiner Ganzheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Seele steht für die Lebendigkeit, Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit des Menschen sowie für seine Ahnung von etwas Übernatürlichem oder Göttlichem. Seele ist das, was der Körper eines Toten nicht mehr besitzt. Ich kenne keinen geeigneteren Ausdruck für das, was den Menschen im Grunde ausmacht, als das Wort Seele. Hans Goller SJ 9 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

10 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER SCHWERPUNKT Ein Jesuit als Wirtschaftswissenschaftler Als ich mir überlegte Jesuit zu werden, arbeitete ich in London als Wirtschaftsprüfer bei KPMG, einem der größten Dienstleistungsunternehmen der Welt. Ich wurde Jesuit und hatte den Wunsch die Wirtschaftswelt hinter mir zu lassen, um Gott und der Menschheit als Priester in spirituellen und pastoralen Aufgaben zu dienen. Ich wusste, dass Jesuiten für ihre akademische Arbeit bekannt sind, aber ich fühlte mich dazu hingezogen für und mit den Armen zu arbeiten und einen Beitrag zu leisten ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Als Afrikaner kannte ich auch aus eigener Erfahrung, was es heißt, arm zu sein. Ich hatte eine brennende Sehnsucht an der Verbesserung der Lebenssituation vieler Afrikaner mitzuarbeiten und ihnen in ihren spirituellen wie auch materiellen Anliegen zu helfen. Damals konnte ich mir nicht vorstellen, dass Bildung der beste Weg zur Verbesserung der Lebenssituation von Armen sein könnte. Daher konnte ich mir auch niemals vorstellen, als Professor und Wirtschaftswissenschaftler zu arbeiten. Doch werde ich bald auf diesem Gebiet arbeiten. Vor kurzem habe ich meinen Master in Buchhaltung in den USA abgeschlossen und ich hoffe durch die Lehre einen Beitrag leisten zu können, dass wirtschaftliches Agieren mit christlichen Prinzipien verbunden wird. Ich bin Menschen begegnet, die wirtschaftliches Handeln und christliche Ethik für unvereinbare Gegensätze halten. Vielleicht hängt dies mit einigen biblischen Bildern zusammen, wie z.B. das Gleichnis vom reichen Narren, der Reichtümer anhäuft (Lk 12,16-21) oder das Gleichnis vom im Überfluss lebenden reichen Mann und Lazarus (Lk 16,19-31), ebenso das vom jungen Mann, dem es schwer fällt, seinen Besitz den Armen zu geben und Jesus nachzufolgen. Jesus sagt dazu: „Wie schwer ist es für Menschen, die viel besitzen, in das Reich Gottes zu kommen! Denn eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt.“ (Lk 18, 24– 26; Mt 19, 23–24) Gleichzeitig lädt uns die Schrift aber dazu ein, die Erde fruchtbar zu machen (Gn 1,28) und die geschenkten Talente einzusetzen (Lk 19,12-27). Die scheinbare Unvereinbarkeit von wirtschaftlichem Handeln und christlicher Ethik ist das Resultat der Erfahrung, dass Unternehmen versuchen, Gewinne zu erzielen auf Kosten ihrer Angestellten wie z.B. durch Niedriglöhne oder durch psychischen Druck, oder dass Unternehmen in Kauf nehmen, im Produktionsprozess die Umwelt zu verschmutzen oder dass sie durch Lobbyarbeit ihre Interessen vertreten und auf staatliche Subventionen schielen. Collage © robert_s shutterstock.com

11 Um den Menschen zu helfen und selbst handeln zu können, muss auch die Kirche ihren Besitz verwalten und investieren, um Erträge zu erzielen. In den meisten Ländern der Erde ist dies notwendig, um das Reich Gottes zu verbreiten. Eine Herausforderung für meine künftige Arbeit sehe ich darin, die Menschen dazu zu motivieren, sich an christliche Grundsätze zu halten, so dass es keine Ausbeutung und Korruption gibt und die Wirtschaft zum Wohle aller Beteiligten und Betroffenen beiträgt. Obwohl es das Ziel jeder unternehmerischen Tätigkeit ist, Gewinne zu erzielen, dürfen wir Christen unsere Verantwortung für das Gemeinwohl nicht aus dem Auge verlieren und müssen dabei die Arbeitnehmer, die Kunden, aber auch die Umwelt berücksichtigen. Dies wird ein wichtiger Aspekt meiner Lehre und Forschung in Afrika sein. Daher sehe ich für mich als Jesuiten zwei wichtige Aspekte als Wirtschaftswissenschaftler: Zum einen die Studenten dazu zu befähigen, ihre von Gott geschenkten Talente zu entwickeln und einzusetzen, und zum anderen ihnen ethisches Handeln ans Herz zu legen, damit sie dem Gemeinwohl dienen. Paul Kalenzi SJ JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

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13 SCHWERPUNKT Was mich als Jesuit an der Biologie fasziniert In dem zum Darwinjahr 1959 erschienenen Sammelband „Das stammesgeschichtliche Werden der Organismen und des Menschen“ kommt der Herausgeber Adolf Haas SJ (1914-82) am Ende seines Beitrags über Finalität und Abstammungslehre auf die alte Frage des Thomas von Aquin zurück, ob „den Werken der Natur und der Kunst Schöpfung beigemischt“ sei. Er hat den Leser für die Antwort auf einen 2. Band vertröstet, der aber nie erschienen ist, weil Haas inzwischen im Weltbild von Teilhard de Chardin SJ diese Antwort gültig gefunden hat: Ja, in den Naturdingen, insbesondere in den Lebewesen, steckt eine schöpferische Eigentätigkeit, weil Gott macht, dass sie sich selbst machen können. Unter diesem Leitwort bin ich dann selber in die Fußstapfen meines Lehrers getreten – so mit der 50 Jahre später erfolgten Veröffentlichung „Der Fall Darwin“ (München 2009). Vor allem die Erforschung der Lebensentstehung hat mich seither immer wieder das Staunen gelehrt. Man kennt inzwischen die dazu führenden geo- und biochemischen Prozesse ganz gut – und dennoch stellt das Auftreten der ersten selbständigen Zelle einen Phasensprung auf eine völlig neue Ebene dar. Faszinierende, aber auch mühsame Beschäftigung mit immer wieder neuen Forschungsbefunden für einen altersmüden Professor! Aber, es gibt zum Ausgleich dafür auch noch etwas anderes. Mehr und mehr widme ich meine Freizeit der Beschäftigung mit digitaler Makrofotografie, vor allem von Pflanzen. Es ist unglaublich, welcher Detailreichtum in der Blüte selbst des einfachsten Allerweltsunkrauts steckt, wenn man sie groß am Bildschirm betrachtet. Da ist nicht alles bloß zweckmäßig, sondern oft einfach nur schön: Schöpferkraft des Geschöpflichen! Der alte Goethe hatte schon Recht mit seinen Versen gegen den „exakten“ Naturforscher Albrecht von Haller: „Ins Innre der Natur“ – O! du Philister! – „Dringt kein erschaffner Geist.“ Mich und Geschwister Mögt ihr an solches Wort nur nicht erinnern; Wir denken: Ort für Ort sind wir im Innern. „Glückselig, wem sie nur die äußre Schale weist!“ Das hör ich sechzig Jahre wiederholen Und fluche drauf, aber verstohlen; Sage mir tausend tausendmale: Alles gibt sie reichlich und gern; Natur hat weder Kern noch Schale, Alles ist sie mit einem Male; Dich prüfe du nur allermeist, Ob Du Kern oder Schale seist? Christian Kummer SJ JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Collage © abzee shutterstock.com

14 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER SCHWERPUNKT Aus dem Glauben im Dienst an Umwelt und Mensch Anfang des Jahres verwüstete der Wirbelsturm „Idai“ große Gebiete in Mozambique. Es war die zweite große Flutkatastrophe seit der Jahrtausendwende. Viele konnten sich nur noch auf Bäume, Hütten und Hügel retten und auf Hilfe warten. In den deutschen Medien ist die Lage in Teilen des benachbarten Zimbabwes und Sambias kaum präsent. Dort gab es im letzten Jahr Dürren und auch in diesem Jahr ist die Ernte auf den Feldern oftmals vertrocknet. Die Menschen im Süden Afrikas kennen wechselnde Bedingungen. In den Trockensavannen gab es schon immer stark schwankende Niederschläge. Allerdings kennen selbst die Alten die verstärkt auftretenden Extreme nicht, die verheerende Fluten und Dürren hervorrufen. Die Landwirtschaft im Süden Afrikas hat viele Gesichter. Die Spannbreite reicht von einer riesigen Zahl an Kleinbauern, die oft nur kleine Parzellen von ein bis drei Hektar bearbeiten bis hin zu einigen Großbetrieben, die auf höchstem technischem Stand große und fruchtbare Landflächen bewirtschaften. Während die schwankenden Regenmengen für die kommerziellen Betriebe ein schwer kalkulierbares ökonomisches Risiko bergen, bedeuten für die Kleinbauern eine oder gar zwei ausgefallene Ernten Hunger und Elend. In meinem Forschungsschwerpunkt werden Strategien entwickelt, die helfen sollen. Die Landwirte haben Erfahrung und viel lokales Wissen. Indem sie beobachten, wann bestimmte Bäume anfangen zu blühen oder bestimmte Tierarten sich paaren, können sie den Beginn der Regenzeit vorhersagen. Dieses Wissen über das Mikroklima ist von unschätzbarem Wert, um den geeigneten Zeitpunkt zur Aussaat festzulegen. Aber wie sollen sie auf den Klimawandel reagieren? Nur durch Zusammenarbeit und die Kombination aus überliefertem und modernem Wissen sind diese Probleme zu lösen. Ich arbeite mit Computermodellen, die Klimaprognosen erstellen. Anhand dieser Wetterdaten kann das Wachstum von Pflanzen simuliert werden. So kann ich analysieren, welches Anbausystem unter den sich verändernden Klimabedingungen geeignet ist: Sollte lieber eine wassersparende Anbaumethode angewandt werden, indem das Pflügen unterlassen wird und der Boden mit Pflanzenresten bedeckt wird, um die Verdunstung zu reduzieren? Oder sollten Sorten angebaut bzw. gezüchtet werden, die dem Trockenstress „aus dem Weg gehen“, indem sie früher blühen und reif werden. Oder ist die Kombination aus Beidem am besten? Warum arbeitet und forscht ein Jesuit und Priester in diesem Bereich? Sollte er

sich nicht viel mehr auf die Seelsorge beschränken? Dahinter steht, so glaube ich, eine Trennung von geistlich und weltlich, die wir uns von einem säkularen Denken nicht aufzwingen lassen sollten. Wir können Gott in allen Dingen suchen und finden. In der richtigen Haltung dient unser Einsatz zur Verherrlichung Gottes. Die Veränderung des Klimas und die Not der Menschen rufen mich zu einem Engagement auf diesem Gebiet. In der Enzyklika Laudato si‘ heißt es: „Die Erwärmung, die durch den enormen Konsum einiger reicher Länder verursacht wird, hat Auswirkungen in den ärmsten Zonen der Erde, besonders in Afrika, wo der Temperaturanstieg vereint mit der Dürre verheerende Folgen für den Ertrag des Ackerbaus hat.“ (S.51) Die Enzyklika verdeutlicht, dass alle Dinge in der Welt in Verbindung stehen. Eine Abschottung oder eine Globalisierung der Gleichgültigkeit sind keine Optionen. Unser Umgang mit der Umwelt und unsere Haltung gegenüber den Armen sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Meine Mission in dieser Situation des Leids und des Unrechts ist an neuen Perspektiven des Lebens und neuen Formen von Geschwisterlichkeit mitzuwirken. Wir sind von Gott gerufen unsere Liebe, Kreativität und Fähigkeiten einzusetzen, um Menschen zusammenzubringen und Brücken zu bauen. Claus Recktenwald SJ 15 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Collage © coreay iStock.com

Die Herrschaft anonymer Gesetze über den Menschen Der Tod hört erst auf bei der Vollendung der Schöpfung in der Auferstehung. Vor etwa zwei Jahren ist der Direktor des Instituts in Grenoble, der mich dorthin geholt hatte, hier in München gestorben. Aus diesem Anlass waren viele Physiker aus aller Welt hier im Waldfriedhof in der Aussegnungshalle zusammengekommen und viele seiner Leistungen wurden gewürdigt. Der Vertreter des derzeitigen Direktors hat dabei darauf hingewiesen, dass es eine besondere Leistung von Herrn Springer war, dass er einen Jesuiten gegen den Widerstand seiner Kollegen, des englischen und französischen Kodirektors, an das Institut geholt hat, was sich heute noch dort auswirkt, wie er schilderte. Der Sohn und die Tochter von Herrn Springer wurden dadurch auf mich aufmerksam und baten mich, ob ich nicht bei dem Urnenbegräbnis ein paar Abschiedsworte sagen könnte. Ich sagte zu und da dieses Urnenbegräbnis ganz nahe bei Ostern stattfand, hatte ich zwei schöne Anknüpfungspunkte dafür. Ich konnte darauf hinweisen, dass ich der bin, von dem sie beim Abschied im Waldfriedhof gehört hatten und dass Herr Springer sehr interessiert war, dass seine Initiative auch ein Erfolg wird. So haben wir uns wöchentlich getroffen und über den Fortgang meiner Arbeiten geredet. Dabei kamen wir zwischendurch auch auf andere Themen zu sprechen. Er meinte einmal, dass er nicht an einen Gott glauben könne, der solche Dinge wie Auschwitz zulässt, obwohl er doch allmächtig ist. Ich konnte damals nichts dazu sagen, was ihn und mich zufrieden gestellt hätte. Aber heute, so kurz vor Ostern, kann ich nicht anders als Christ auf diesen Zusammenhang zu sprechen zu kommen. Dazu würde ich sagen, dass Ostern als Anfang der Auferstehung für uns die Vollendung der Schöpfung ohne Tod und ohne Übel ist. Das fiel mir damals nicht ein, weil ich zu der Zeit Physik als das sah, was Gott am siebten Schöpfungstag gemacht hat: Er betrachtete alles, was er gemacht hatte, und sah, dass es sehr gut war. Heute sehe ich es so, dass die Physik die Ursache unseres Sterbens ist: Der menschliche Geist ist den anonymen Gesetzen der Materie unterworfen, die stärker sind als er. Das hört erst auf mit der Auferstehung, mit der Vollendung der Schöpfung ohne Tod. Was ich über Teilchenphysik und das, was ich gemacht habe, sagen könnte, ist damit am besten zusammengefasst. Auf die Frage nach meiner Motivation für die Forschung in der Teilchenphysik würde ich antworten, dass sie klar und deutlich ausgedrückt ist im „Gott suchen und finden in allen Dingen“, so wie ich es mir konkret vorstelle. Dieses Suchen und Finden 16 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Collage © kot63 shutterstock.com

besteht auch darin, zu wissen, dass Gott zu uns durch seine Fügungen spricht und durch die Möglichkeiten, die er uns anbietet. Zu diesen Fügungen Ja zu sagen, ohne selbst bestimmen zu wollen, wofür das gut sein soll, das schien mir wichtig. Manche meinen vielleicht, dass für einen großen Schritt eine große Motivation notwendig sei. Für mich waren es aber alles nur kleine Schritte, etwa für ein Jahr oder so. Ich brauchte nie eine Motivation für das Ganze, das dann daraus geworden ist. So wurde mir z. B. die Stelle in Grenoble zuerst nur für ein Jahr angeboten, vielleicht als Folge des Widerstandes der Kodirektoren. Danach wieder nur für ein weiteres Jahr. Da konnte ich mir sagen, wenn Gott mehr will, wird er es fügen. Getreu dem Psalmwort, befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau’ ihm, er wird es fügen (Ps 37). Otto Schärpf SJ (verstorben am 13.06.2019) 17

Astronomie als Akt der Gottesverehrung Die Astronomie hat die Menschen seit jeher begeistert. Sie gibt das Gefühl eines ehrfürchtigen Staunens angesichts des Kosmos. Ob man ein Kind in der Sahara ist, ein Teenager in Indien oder ein Professor der Universität München – uns allen kommt ein „Ach“ über die Lippen, wenn ein schönes Bild einer Galaxie oder ein exotischer Gasnebel der Milchstraße gezeigt wird. Da gibt es etwas in uns, das aufleuchtet. Mit einem Begriff von Karl Rahner SJ könnten wir es als die „transzendentale Natur“ der menschlichen Person bezeichnen: Wie Michelangelos Adam in der Sixtinischen Kapelle sehnen wir uns nach dem Unendlichen. Nichts ist transzendenter und doch naturgesetzlicher als der Himmel. Kein Wunder, dass wir immer schon so fasziniert waren vom Kosmos. In den letzten 100 Jahren hat sich das physikalische Verständnis des Kosmos dramatisch verändert. Heute kennen wir die Natur der Sterne. Wir haben exotische Objekte wie schwarze Löcher, Neutronensterne, Pulsare und GammastrahlenAusbrüche entdeckt. Wir wissen, dass das Universum viel größer ist als bisher angenommen. All dies wurde in erster Linie durch Verbesserungen der Beobachtungstechnik ermöglicht – auf der Erde und im Weltraum. Unser Verständnis des Kosmos ist auf den Bereich des Beobachtbaren begrenzt. Mit der Entdeckung der Gravitationswellen hat sich ein neues Fenster geöffnet, um den Himmel zu erforschen. Heute ermöglichen neue Verbesserungen der Technologie, den Himmel wiederholt in einer einzigen Nacht optisch durch zu scannen, wodurch ein „zeitliches“ Fenster geöffnet wird. Auch diese Beobachtungsfenster werden viele aufregende Entdeckungen ermöglichen! Drei Hauptfragen sind in der heutigen Astronomie bestimmend: A) Woher kommen wir? Der Urknall ereignete sich vor ca. 13,7 Milliarden Jahren. Die Astronomen untersuchen, wie das Universum in seinen gegenwärtigen Zustand gelangt ist: die Bildung der ersten Sterne aus Gaswolken, die Bildung von Galaxien durch Verschmelzen und ihre Entwicklung, bis die heutigen Sterne und Planeten gebildet wurden. Um diese Beobachtungen zu verstehen, nehmen Astronomen an, dass es im Universum viel mehr Materie gibt, als erkennbar ist. Wir wissen zwar nicht, woraus diese „dunkle Materie“ besteht, aber wir können ihre Auswirkungen beobachten. B) Wohin gehen wir? Das Universum expandiert nicht nur, es beschleunigt sich auch. Astronomen gehen davon aus, dass eine „dunkle Energie“ für diese Beschleunigung und das endgültige Schicksal des Universums verantwortlich ist. Die großen Fragen des nächsten Jahrzehnts konzentrieren sich auf das Verständnis der Natur der dunklen Materie und der dunklen Energie. 18 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

C) Seit der Entdeckung von Tausenden von Exo-Planeten, das sind Planeten, die um andere Sterne kreisen, sind die Astronomen von dem Gedanken fasziniert, dass es auf einigen Planeten Leben geben könnte. Das Studium ihrer Atmosphären kann uns die dritte Frage beantworten: Sind wir allein im Universum? In den letzten Jahren habe ich untersucht, wie sich Galaxien entwickeln. Heute nimmt man an, dass sie sich im Laufe ihrer Lebensdauer mit kleineren Galaxien vermischen. Im vergangenen Jahr entdeckten ein Kollege und ich, dass unser nächster Nachbar, die Andromeda-Galaxie, vor circa zwei Milliarden Jahren mit einer anderen Galaxie verschmolzen ist, die etwa halb so groß war wie die Milchstraße. Dies zeigt zum ersten Mal, dass Scheibengalaxien wie unsere Milchstraße oft so große Fusionen überleben. Diese Entdeckung war für mich ein „Wow“- Moment, eine Chance, mich daran zu erinnern, dass ich, je mehr ich über das Universum erfahre, desto besser seinen Schöpfer kennen lerne. Letztendlich ist das Studium der Astronomie für mich ein Akt der Anbetung. Richard Anthony D’Souza SJ Collage © vasiliki iStock.com 19

Wissenschaftler – eine Sendung zur Versöhnung Das intellektuelle Apostolat ist aus dem Sendungsauftrag der Gesellschaft Jesu nicht wegzudenken. Nun haben die Generalkongregationen von 2008 und 2016 die Sendung des Ordens unter dem Stichwort „Versöhnung“ zusammengefasst: In einer Welt, die von Gewalt, Unfriede und Spaltung zerrissen ist, sieht sich die Gesellschaft Jesu dazu gerufen, über Grenzen hinweg Brücken zu bauen. Inwiefern können aber Jesuiten, die als Wissenschaftler arbeiten, zur Versöhnung beitragen? Dazu einige Überlegungen mit Blick auf die hier veröffentlichten Beiträge. Versöhnung als Sendung des Ordens hat drei Dimensionen: Versöhnung mit Gott, mit den Menschen und mit der Schöpfung. Die Versöhnung mit Gott in einer durch wissenschaftliches Denken geprägten Welt setzt voraus, dass angesichts heutiger Erkenntnisse die Möglichkeit einer religiösen Deutung der Welt als Schöpfung Gottes offengehalten wird, ohne dabei die eigene intellektuelle Redlichkeit aufzugeben. Dafür stehen Jesuiten, die als Wissenschaftler durch ihr Leben zeigen, dass „Denken lernen“ und „Verwurzelung in der Spiritualität“, wie Arianna Toricelli bemerkte, sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig ergänzen und fördern. So bringt z.B. Christian Kummer seine Arbeit als Biologe dazu, Gott als den zu sehen, der macht, dass sich die Lebewesen selbst machen können. Für Richard D’Souza ist das Studium der Astronomie ein Akt der Anbetung. Und indem Otto Schärpf zu den Fügungen Gottes in seinem Leben Ja 20 SCHWERPUNKT JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

21 sagt, ohne selbst bestimmen zu wollen, wofür das gut sein soll, gibt der Physiker ein persönliches Zeugnis, das anderen den Weg zu Gott erleichtern kann. In einer säkularen Kultur kann insbesondere die Theologie der Versöhnung mit Gott dienen, wenn sie sich um das bemüht, was Lea Katharina Mohr an ihr schätzt, nämlich Gott in allen Dingen zu suchen und einen lebendigen Dialog mit Literatur, Kunst und Geschichte zu pflegen. Ein solcher Dialog verlangt allerdings die Bereitschaft, von anderen zu lernen und selbst als Dozent noch Schüler zu bleiben – so wie Paul Oberholzer als Mediävist. Aus der Sendung zur Versöhnung der Menschen untereinander ergibt sich für Jesuiten in den Wissenschaften die besondere Verpflichtung, bei ihrer Arbeit die Welt aus der Perspektive der Armen und Ausgegrenzten zu betrachten und zu fragen: Was sind die Ursachen ihrer Benachteiligung? Wie können sie effektive soziale Akteurinnen und Akteuren werden? Mit solchen Fragen befasst sich der Soziologe Arokya Swamy bei seinen Untersuchungen zur Rolle der Frauen im gesellschaftlichen Wandel Indiens. Der Wirtschaftswissenschaftler Paul Kalenzi fragt darüber hinaus, wie eine Wirtschaft aussehen könnte, die Armut und Marginalisierung von vornherein vermeidet. Die Versöhnung miteinander ist nicht erreichbar ohne die Versöhnung mit der Schöpfung und umgekehrt; denn es gibt eine grundlegende Verbindung zwischen Armut und Umweltzerstörung. So verursacht etwa der übermäßige Konsum reicher Länder einen Klimawandel in Afrika, der zu Dürren und Ernteausfällen führt. Unter ihnen leiden vor allem örtliche Kleinbauern, denen nach ausgefallenen Ernten Hunger droht. Indem der Agrarwissenschaftler Claus Recktenwald der Frage nachgeht, wie die Kleinbauern am besten auf das sich wandelnde Klima reagieren können, sucht er zugleich nach einer Antwort auf eine soziale wie auf eine Umweltkrise. In ihrer Vielfalt veranschaulichen die Beiträge dieses Heftes, wie Jesuiten als Wissenschaftler dazu beitragen können, dass sich Menschen mit Gott, miteinander und mit der Schöpfung versöhnen. Jan Korditschke SJ © corradobarattaphotos_iStock.com JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER

Gelassenheit Ein Klassiker, über den man sich quasi immer aufregen kann, ist die Deutsche Bahn. Jeder, der ab und zu mit dem Zug fährt, könnte eine Anekdote über Verspätungen und andere Probleme erzählen. Ich erinnere mich z.B. gut an eine lang erwartete Reise in den Urlaub. Ausnahmsweise – um keinen Stress zu haben – hatte ich sogar einen Platz reserviert. Doch schon als ich in den Zug einstieg, war dicke Luft: Die Reservierungen konnten nicht angezeigt werden. Als ich mich meinem vermeintlichen Platz näherte, waren dort schon heftige Diskussionen im Gange. So sollte also mein Urlaub beginnen? Nein, dachte ich mir! Ich habe meinen Koffer abgestellt, mich auf den Weg ins Bordrestaurant gemacht und bin gelassen mit einem Kaltgetränk in den Urlaub gestartet. Ich bin überzeugt, dass wir es oft selbst in der Hand haben, ob wir uns von den Umständen verrückt machen lassen oder uns entscheiden, gelassen zu bleiben und in Ruhe nach einer Lösung suchen. Dabei sind für mich die sogenannten 10 Gebote der Gelassenheit von Papst Johannes XXIII ein hilfreicher Leitfaden: 1. Nur für heute werde ich mich bemühen, den Tag zu erleben, ohne das Problem meines Lebens auf einmal lösen zu wollen. 2. Nur für heute werde ich mit größter Sorgfalt auf mein Auftreten achten. Ich werde niemanden kritisieren, werde nicht danach streben, die anderen zu korrigieren oder zu verbessern. Nur mich selbst. 3. Nur für heute werde ich in der Gewissheit glücklich sein, dass ich geschaffen bin, glücklich zu sein, nicht nur in der anderen Welt, sondern auch schon in dieser. 4. Nur für heute werde ich mich an die Umstände anpassen, ohne zu verlangen, dass die Umstände sich an meine Wünsche anpassen. 5. Nur für heute werde ich zehn Minuten meiner Zeit einer guten Lektüre widmen; denn wie Nahrung notwendig ist für das Leben des Leibes, so ist gute Lektüre notwendig für das Leben der Seele. 6. Nur für heute werde ich eine gute Tat vollbringen. Und ich werde sie niemandem erzählen. 7. Nur für heute werde ich etwas tun, wozu ich keine Lust habe, es zu tun. Sollte ich mich in meinen Gedanken verletzt fühlen, werde ich dafür sorgen, dass es niemand merkt. 8. Nur für heute will ich mir ein genaues Programm vornehmen. Auch wenn ich mich nicht daranhalten werde – ich werde den Tag planen. Ich werde mich besonders vor zwei Übeln hüten: vor der Hetze und vor der Unentschlossenheit. 9. Nur für heute werde ich fest glauben – selbst wenn die Umstände das Gegenteil zeigen sollten –, dass die gütige Vorsehung Gottes sich um mich kümmert, als gäbe es sonst niemanden auf der Welt. 22 GEISTLICHER IMPULS

10. Nur für heute will ich keine Angst haben. Ganz besonders nicht davor, mich an allem zu freuen, was schön ist, und an die Güte zu glauben. Nun, was denken Sie, sind hier ein paar Vorschläge für Ihren Alltag dabei? Ich habe schon erlebt, dass auf diesen Gelassenheitsdekalog sehr ablehnend reagiert wurde, z. B. auf die Nummer 4, sich den Umständen anzupassen. Gerade ungerechte Systeme oder Strukturen müssen doch angesprochen und vielleicht auch im Konflikt geändert werden, siehe die Tempelreinigung durch Jesus, wurde mir gesagt. Das stimmt natürlich, so wie schon der Prophet Kohelet wusste, dass es eine Zeit für den Krieg und eine Zeit für den Frieden gibt (Koh 3,7). Auch Ignatius stellt die berühmte Indifferenz – den Gleichmut – in die Schranken des sittlich Erlaubten und Guten. Aber selbst für das Kämpfen braucht es Gelassenheit, wenn man erfolgreich sein will. Dafür könnte der junge David beim Kampf mit Goliat (1 Sam 17,48–50) ein Vorbild sein. Ich hoffe, dass ihnen das eine oder andere Gebot hilft, im Alltag gelassen zu bleiben, um auch größere Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen oder entspannt und frohgemut in den Tag zu starten. Hans-Martin Rieder SJ 23 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER © ExperienceInteriors iStock.com

NACHRICHTEN 24 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Neues aus dem Jesuitenorden Canisius-Kolleg erhält neuen Schulzweig Mit Beginn des Schuljahres 2019/2020 ist das Canisius-Kolleg in Berlin nun auch Integrierte Sekundarschule. Das Gymnasium der Jesuiten in Berlin-Tiergarten beantragte die Genehmigung für diese zusätzliche Schulform, um Schülerinnen und Schülern mit einem Flucht- bzw. Migrationshintergrund am Canisius-Kolleg unterschiedliche Schulabschlüsse zu ermöglichen. Seit vier Jahren gibt es an der Schule Willkommensklassen, in denen Schülerinnen und Schüler die ohne Deutschkenntnisse nach Berlin kommen, Deutsch lernen können, um dann in Regelklassen zu wechseln. Trotz zusätzlichem Förderunterricht war es für die allermeisten dieser Schüler sehr schwierig, am Regelunterricht einer Gymnasialklasse teilzunehmen. Die schulische Sozialisation ist zumeist sehr unterschiedlich, auch fällt es ihnen verständlicherweise schwer, mit deutlich jüngeren Schülern, die ihre Lebenserfahrungen überhaupt nicht nachvollziehen können, gemeinsam zu lernen. Darüber hinaus ist es einem Gymnasium nicht erlaubt, Schulabschlüsse wie die erweiterte Berufsbildungsreife zu verleihen. Diese Faktoren waren Anlass, unter dem Schulnamen „Pedro Arrupe“ letztlich allen Schülerinnen und Schülern neue Lernmöglichkeiten zu eröffnen, gerade auch im interkulturellen und interreligiösen Bereich. Pedro Arrupe SJ (1907-1991) war von 1965 bis 1983 Generaloberer der Gesellschaft Jesu. Am 5. Februar 2019, dem 28. Todestag von Pedro Arrupe, wurde in Rom die diözesane Phase des Seligsprechungsprozesses eröffnet. Kardinalvikar Angelo De Donatis bezeichnete P. Arrupe als „wahren Mann Gottes“ und betonte seinen „Eifer für die Evangelisierung“, seine „besondere Sensibilität für dramatische soziale Situationen und für die Armen“ und sein „missionarisches Herz“. Ehrendoktorat für Pater Sporschill Der österreichische Jesuit Pater Georg Sporschill, der durch sein Engagement für Straßenkinder und Roma in Rumänien weit über Österreichs Grenzen hinaus bekannt ist, erhält am 16. September von der Universität Udine das Ehrendoktorat. Im Rahmen eines Festakts italienischen Universität übergibt Rektor Prof. Alberto Felice De Toni das Ehrendekret für den Bereich Primärschulpädagogik (Scienze delle Formazione Primaria). Im Dekret des italienischen Wissenschaftsministers Marco Bussetti heißt es, das Ehrendoktorat werde Sporschill verliehen für seine Erziehungsarbeit in Rumänien, durch die benachteiligte Menschen gerettet würden. Die Pionierarbeit Sporschills gelte der “Entwicklung von

Ausbildungsformen und qualitativen Unterstützung von Kindern und Jugendlichen mit sehr spezifischen Bedürfnissen in äußerst komplexen Zusammenhängen”. Der Udineser Psychologieprofessor Franco Fabbro, der sich für die Auszeichnung Sporschills einsetzte, betont: “Sein Denken und seine Werke stellen Georg Sporschill an die Seite einiger italienischer Priester, die sich im letzten Jahrhundert mit verlassenen und bedürftigen Jugendlichen befassten, was den Fortschritt der Erziehungswissenschaften erheblich steigerte.” Protestierende Ordensleute im US-Kapitol verhaftet Bei einer Protestaktion gegen die Migrationspolitik von US-Präsident Donald Trump sind Ende Juli in Washington rund 70 Ordensleute und Kirchenvertreter verhaftet worden, unter ihnen auch der Jesuit Billy Critchley-Menor, der an der Saint Louis Universität studiert. Nach einer Kundgebung von einigen hundert Demonstranten zum „Catholic Day of Action for Immigrant Children“ außerhalb des US-Kapitols, bei dem die Teilnehmer gegen die Inhaftierung von Flüchtlingskindern an der Grenze zu Mexiko protestierten, betraten die Ordensleute das Senatsgebäude und beteten dort den Rosenkranz. Einige legten sich auf dem Boden und bildeten ein Kreuz. „Wir sind hier, weil die Behandlung der [Migrantenkinder] völlig unvereinbar mit der Botschaft Jesu Christi ist und ihr entgegensteht....“ twitterte Billy CritchleyMenor, bevor er verhaftet wurde. „Bei der Verhaftung gab es für mich besondere Momente des Trostes: eine lange Reihe von Menschen, darunter eine neunzigjährige Barmherzige Schwester, ein achtzigjähri25 JESUITEN n SEPTEMBER 2019 n WISSENSCHAFTLER Österreichischer Jesuit wird für sein Engagement für Straßenkinder und Roma-Familien in Rumänien geehrt. © ELIJAH

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